Zugunglück nahe Bad Aibling: Wie Schadensersatzansprüche reguliert werden
Foto: Rechtsanwaltskanzlei Andreas Dreher

Zugunglück nahe Bad Aibling: Wie Schadensersatzansprüche reguliert werden

Elf Tote, 82 teils schwer Verletzte – das Zugunglück vom 9. Februar nahe Bad Aibling ist das schwerste in Deutschland seit jenem von Eschede im Jahr 1998: Zwischen Holzkirchen und Rosenheim waren auf der eingleisigen, elektrifizierten Bahnstrecke zwei Meridian-Züge der Bayerischen Oberlandbahn frontal zusammengestoßen. Elf Tage dauerten die Bergungs- und Instandsetzungsarbeiten. Seit einer Woche fährt der Meridian wieder regulär auf der Mangfalltalbahn. Die juristische Aufarbeitung des Unglücks steht indes am Anfang. Rechtsanwalt Andreas Dreher aus Olching erklärt im blick, wie Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche der Geschädigten und Hinterbliebenen reguliert werden.

Bahnbetreiber bekunden bei Zugunglücken regelmäßig ihre Anteilnahme und stellen großzügig die Regulierung des Schadens in Aussicht, weiß Rechtsanwalt Andreas Dreher. Beim Zugunglück von Eschede mit 101 Toten und 88 schwer verletzten Passagieren hat die Bahn pro Todesopfer an die Hinterlassenen Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Mark (15.338,75 Euro) geleistet. Dreher, Fachanwalt für Arbeitsrecht mit den Schwerpunkten Schadensregulierung sowie Strafrecht, insbesondere Verkehrsstrafrecht, fordert indes, dass Schadensersatzansprüche großzügiger und besser reguliert werden.

Ursache des Zugunglücks nahe Bad Aibling soll menschliches Versagen sein. Ob zusätzlich technisches Versagen zum Tragen kommt, bleibt laut Dreher zweitrangig, zumal der Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aus dem Haftpflichtgesetz herzuleiten ist. Dort steht: „Wird bei dem Betrieb einer Schienenbahn oder Schwebebahn ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Betriebsunternehmer dem Geschädigten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ Haftender Betriebsunternehmer ist hier die „Bayerische Oberlandbahn (BOB)“. Deren Muttergesellschaft, der Transdev-Konzern, hat mehrere tausend Mitarbeiter und ist weltweit mit privat betriebenen Zügen unterwegs.

Ansprüche zeitnah geltend machen

Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche sind zwar nicht geeignet, das Leid der Hinterbliebenen zu heilen, jedoch anstehende wirtschaftliche Not zu lindern. Oftmals sind Geschädigte aber kurz nach einem Unglück physisch und psychisch nicht in der Lage, sich eingehend mit den Rechtsproblemen zu befassen. Deshalb sind Verwandte, Bekannte, Freunde sowie karitative Einrichtungen gefordert, die Opfer bei der Geltendmachung ihrer Rechte und Ansprüche zu unterstützen.

Grundsätzlich sind Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche binnen drei Jahren, hier spätestens am 9. Februar 2019, geltend zu machen. Diese Frist kann allerdings durch die Verhandlungen mit Versicherungen und dem unmittelbaren Schädiger unterbrochen werden. Ohne jedoch lange Regulierungsversuche des Bahnbetreibers abzuwarten, sollte von den Geschädigten frühzeitig eine Klage ins Auge gefasst werden, empfiehlt Dreher. Dazu sollte schnellstmöglich anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Hinterbliebene haben die Möglichkeit, auf Grund eigener Vorsorge – Unfallversicherungen, Erwerbsunfähigkeitsversicherungen – dies selbst oder durch Beauftragte in die Wege zu leiten.

Dabei macht es einen Unterschied, ob es sich beim Geschädigten oder Getöteten um einen BOB-Mitarbeiter oder um einen Passagier handelt. Für BOB-Mitarbeiter gelten tarifrechtliche und arbeitsrechtliche Rahmen, die auch bestimmen, inwieweit überhaupt Ansprüche geltend gemacht werden können. Passagiere der Meridian-Züge hingegen haben Anspruch sowohl auf Schmerzensgeld als auch auf Schadensersatz. Ein Mitverschulden dieser Personen ist beim Zugunglück nahe Bad Aibling in keiner Weise ersichtlich. „Sie sollten daher zügig ihre Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche anmelden, wobei auch Verdienstausfallschaden entsteht“, erläutert Rechtsanwalt Dreher.

Die Berechnung des Verdientsausfallschadens ist relativ kompliziert, da auf Einkommenssituation und Verdienste jedes Geschädigten individuell abzustellen ist. Ausschlaggebend sind etwa das Alter des Geschädigten und der Eintritt des Rentenalters, damit der Gesamtausfallschaden beziffert werden kann, soweit es zu einer Gesamtbereinigung führen soll. Andernfalls ist in einer sogenannten Gesamtvereinbarung die Höhe der monatlichen Zusatzleistungen zu beziffern und Regelungen hinsichtlich einer jeweiligen Anpassung.

Klageverfahren

Sollte mit der BOB keine Einigung gefunden werden, müsste im Rahmen eines Klageverfahrens durch eine sogenannte Feststellungsklage sichergestellt werden, dass Ansprüche nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht verjähren und somit weiterhin Schadensersatz und Schmerzensgeld zu leisten wären. Gerade bei Schwerstverletzten ist dies unumgänglich, denn Spätschäden können oft erst nach zehn Jahren oder später auftreten. Da die BOB die Regulierung sicherlich ihrer Versicherung überlasse, kann laut Dreher davon ausgegangen werden, dass bei einer etwaigen einvernehmlichen Lösung die entsprechende Haftpflichtversicherung die Kosten übernimmt.

Mittellose Geschädigte haben auf Grund der hier komplizierten Sach- und Rechtslage Anspruch auf Beratungshilfe, darüber hinausgehend auch Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten im Rahmen der Prozesskostenhilfe sowie im Klageverfahren. Dies ist beim zuständigen Gericht zu beantragen. Wird ein Anwalt beauftragt, ist zu klären, ob dieser bereit ist, das Verfahren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu übernehmen, oder seinerseits eine Honorarvereinbarung fordert.

Akteneinsicht

Schließlich hat der Geschädigte auch die Möglichkeit, im Rahmen der Durchsetzung seiner Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche über einen Anwalt Akteneinsicht zu erlangen. Geschädigten wie Angehörigen von Getöteten steht es zudem frei, im Rahmen einer sogenannten Nebenklägerstellung sich im Strafverfahren als Nebenkläger zu bestellen.

Gerade das Zugunglück von Eschede zeigt laut Dreher, „dass die Aufarbeitung derartiger Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann und immer wieder einer Korrektur bedarf“. In jedem Falle sollte „frühzeitig der kompetente Rat eines Rechtsanwaltes“ eingeholt werden.

Olaf Konstantin Krueger

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