Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“: Moralisches Angebot für „Blühflächen-Paten“
Bietet Paten Blühflächen für 50 Euro/100 m² im Jahr: Junglandwirt Andreas Pritzl aus Bruckmühl. Foto: privat
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Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“: Moralisches Angebot für „Blühflächen-Paten“

Bruckmühl – Rekordergebnis: 1,745 Millionen Bürgerinnen und Bürger, mithin 18,4 Prozent der Wahlberechtigten in Bayern, haben dem Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ per Unterschrift zum Erfolg verholfen. Der Zuspruch ist deutlich höher als bei den Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren im Freistaat (14,3 Prozent im Jahr 2013) und zum Nichtraucherschutz (13,9 Prozent in 2009), übersteigt sogar das bislang erfolgreichste Volksbegehren zur Christlichen Volksschule (17,2 Prozent in 1967). Noch bevor der Gesetzentwurf am „Runden Tisch“ eingehend erörtert wird, bieten bayernweit Landwirte den Befürwortern des Volksbegehrens Patenschaften für Blühflächen an: Auf bisher intensiv genutzten Äckern kann parzellenweise eine spezielle Blühmischung angesät werden – gegen einen jährlichen Kostenbeitrag für die Öko-Leistung und für ein gutes Gewissen der „Blühflächen-Paten“. Die Resonanz ist durchwachsen.

Fast jeder Fünfte hat das Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ unterstützt. Dem vorläufigen Auszählungsergebnis des Landeswahlleiters zufolge nahm es in allen sieben Regierungsbezirken, 71 bayerischen Landkreisen und 25 kreisfreien Städten die gesetzliche Hürde von zehn Prozent der Eintragungen deutlich.

Die Regierungsbezirke Mittelfranken (20,6 Prozent), Oberbayern (20,3 Prozent) und Schwaben (18,0 Prozent) schnitten am stärksten ab. Die zehn Spitzenreiter unter den Kommunen sind: Polling im Landkreis Weilheim-Schongau (47,08 Prozent), Stettfeld im Landkreis Haßberge (45,82 Prozent), Utting am Ammersee im Landkreis Landsberg am Lech (39,39 Prozent), Buckenhof/Erlangen-Höchstadt (38,84 Prozent), Baierbrun im Landkreis München (36,77 Prozent), Weßling im Landkreis Starnberg (36,35 Prozent), Uffing im Landkreis Garmisch-Partenkirchen (35,86 Prozent), Schöngeising im Landkreis Fürstenfeldbruck (35,22 Prozent), Grafrath im Landkreis Fürstenfeldbruck (34,11 Prozent) und Oberhaching im Landkreis München (33,15 Prozent).

Unter den drei größeren Städten führen Erlangen (24,9 Prozent), Bamberg (21 Prozent) und Würzburg (20,9 Prozent). In der Landeshauptstadt München votierte jeder Fünfte „für die Bienen“ (20,5 Prozent). Auch in stark ländlich geprägten Regionen wie Oberfranken (16,7 Prozent) und Niederbayern (13,9 Prozent) erreichte das Volksbegehren mehr als das Soll. In der kreisfreien Stadt Rosenheim wurde es von 16,9 Prozent der Wahlberechtigen unterstützt, im Landkreis Rosenheim von 19,2 Prozent – dabei am höchsten in Brannenburg mit 25,25 Prozent und am niedrigsten in Eiselfing mit 13,89 Prozent –, in den Landkreisen Mühldorf am Inn von 16,9 Prozent, Altötting von 18,6 Prozent und Traunstein von 17,7 Prozent.

Kompromisssuche am Runden Tisch

30 Vertreter von der schwarz-orangenen Staatsregierung, den Initiatoren des Volksbegehrens und von Umweltverbänden suchen derzeit am „Runden Tisch“ nach einem Kompromiss. Den Weg dazu will Alt-Landtagspräsident Alois Glück (CSU) mit Einzelgesprächen und Beratungen in Fachgruppen ebnen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Walter Heidl, Präsident vom „Bayerischen Bauernverband (BBV)“, sowie die Landesbeauftragte Agnes Becker (ÖDP) zeigten sich beim Beginn der Beratungen gesprächsbereit. „Bayern soll zu einem Vorzeigeland des Artenschutzes werden“, erklärte der Ministerpräsident schon zuvor, denn: „Das ist ein urkonservatives Anliegen.“

Dem Eindruck, Bauern und Landwirte wären die Adressaten des Volksbegehrens, treten Söder wie Glück entgegen: „Es kann nicht sein, dass nur die Landwirte einen Beitrag zum Umweltschutz leisten sollen. Wir sollten größer denken und nicht mit Schuldzuweisungen an einzelne Gruppen vorgehen. Stattdessen müssen wir auch fragen, was zum Beispiel die Kommunen mit ihren großen Grünflächen und Parks tun können oder wie wir beim Wohnungsbau mehr Grün-Efeu oder Dachgrün einplanen. Aber auch: Was kann jeder Einzelne tun? Viele Gartenbesitzer können auch einen guten Beitrag bringen.“ Glück nimmt zudem die Kirchen in die Pflicht, den Artenschutz auf ihren Flächen ernster zu nehmen.

„Blühflächen-Patenschaften“ für 50 Euro pro 100 m²

Unterdessen haben einige Landwirte kreativ auf das Volksbegehren reagiert: mit Patenschaften für Blühflächen. Beispiel: Bruckmühl, Landkreis Rosenheim in Oberbayern, wo 18,77 Prozent für den Gesetzentwurf stimmten. Andreas Pritzl hält auf 950 Quadratmetern seiner Intensivkulturen einen blühenden Randstreifen als Futterquelle für Bienen vor. Auf ebay, dem weltweit größten Online-Marktplatz, erläutert der Junglandwirt, er sei bereit, die Blühfläche „deutlich“ zu vergrößern und dafür weniger Feldfrüchte anzubauen – Voraussetzung: der Erwerb einer Patenschaft über 100 Quadratmeter Blühfläche für 50 Euro pro Jahr. „Zum Erhalt der Artenvielfalt sollte jeder etwas tun und dies ist nur gemeinsam zu schaffen“, appelliert Pritzl. Die Mischung enthalte Sonnenblumen, Inkarnatklee, Esparsette sowie 39 Kräuter, darunter Löwenmaul, Johanneskraut, Margerite, Kornblume, Lichtnelke und Königskerze. Der Junglandwirt sagt zu, auf der reservierten Fläche werde weder chemischer Pflanzenschutz durchgeführt, noch mineralisch und organisch gedüngt oder das Jahr über gemäht. Auf Wunsch bringe er obendrein ein Schild an, auf dem die Namen der Paten stünden. „Die Resonanz ist durchweg positiv“, sagt Andreas Pritzl eine Woche nach Start des Angebotes: Knapp 600 Zugriffe kann er vorweisen und 20 „feste Zusagen“.

Etwa zwei Kilometer davon entfernt in Heufeldmühle bietet Sebastian Pritzl von der „Pritzl Bio G.A.S. GbR“ auf 2,5 Hektar ebenfalls Blühflächen an. Er hat sein Angebot nun auch auf ebay veröffentlicht und möchte die Flächen „mindestens zwei Jahre“ verpachten. Ihm geht es um eine mehrjährige Mischung, um Blühweiden und Magerweiden, die neben Sonnenblumen, Inkarnatklee und Esparsette auch aus 39 verschiedenen Kräutern besteht und somit die Artenvielfalt aktiv unterstützt. „Der Bezug zu den Blühwiesen muss wieder hergestellt werden“, betont Sebastian Pritzl und hofft auf hohen Zuspruch.

Angebote für „Blühflächen-Patenschaften“ kommen auch von Landwirten aus anderen Landkreisen und Regierungsbezirken. Beispiel: Kapfham bei Kellberg, Gemeinde Tyrnau, Landkreis Passau in Niederbayern. Alois Altendorfer offeriert den Unterzeichnern des Volksbegehrens, von seinen Wiesenflächen je 100 Quadratmeter für eine jährliche Pacht von 50 Euro zur Verfügung zu stellen. Der Pate könnte damit „ganz im Sinne der Ökologie“ durch extensive Bewirtschaftung für die Bienen, andere Bestäuber und für Insekten eine Blühfläche bewirtschaften. Auf Kundenwunsch übernehme der Landwirt dies auch selbst.

Weiteres Beispiel: Schwarzenfeld, Landkreis Schwandorf, mit 13,1 Prozent Zustimmung zum Volksbegehren das Schlusslicht in der Oberpfalz. Landwirt Manfred Beer aus Pretzabruck ermöglicht über ebay Patenschaften für Blühflächen für jährlich 50 Euro pro 100 Quadratmeter. Mindestlaufzeit: zwei Jahre. Der Pate erhalte eine Bescheinigung mit Flur- und Flächennummer nebst Foto und auf Wunsch ein Namensschild. Für einen Hektar, 10.000 Quadratmeter, werden 100 Paten benötigt. Für Patenschaften von größeren Flächen zeigt sich der Landwirt offen. Nach zwei Jahren möchte Beer allerdings die Äcker wieder für Feldfrüchte nutzen. Sollte also längerfristig Interesse bestehen, werden die Flächen gewechselt. Falls sich bis April keine Paten finden, baut der Landwirt weiter die üblichen Feldfrüchte an: Mais, Weizen, Gerste sowie Kleegras fürs Milchvieh. Zwar zählte Beer auf ebay nach einer Woche rund 1000 Klicks und 40 Nutzer, die sich das Angebot virtuell gemerkt hatten, doch noch keinen Auftrag.

Patenschaften sind en vogue

Im Landkreis Donau-Ries in Schwaben ruft indes sogar der gegenüber dem Volksbegehren kritische BBV zu Blühflächen-Patenschaften auf: Für 20 Cent pro Quadratmeter säen die dortigen Landwirte auf ihren Feldern Blühmischungen aus, für 100 Euro erhalten die Paten eine Fläche von 500 Quadratmetern. Urkunde mit Flur-Nummer plus Lagekarte inbegriffen. Derzeit erstellten die Landwirte den Anbauplan für ihre Felder, weshalb eine Spende bis zum 28. Februar sicherstelle, dass die Blühflächen im Frühjahr angelegt werden. Für Michael Stiller, Geschäftsführer des BBV im Landkreis Donau-Ries, ist es dann auch akzeptabel, wenn der Pate auf der Fläche zum Hausgebrauch ein paar der Blumen pflückt. Der BBV wolle schlicht die Verbraucher in die Pflicht nehmen.

Patenschaften bietet im Übrigen auch der „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) – Friends of the Earth Germany“ an: Der „Naturschutz-Pate“ erhält eine personalisierte Urkunde und kontinuierliche Information, kann an Paten-Exkursionen ins Projektgebiet teilnehmen, die Spenden steuerlich absetzen, zum Jahresbeginn automatisch eine Spendenbescheinigung für das Finanzamt erhalten, die Patenschaft jederzeit kündigen oder als Geschenk vergeben. Aktuell im Angebot: die BUND-Streuobstwiese Stahnsdorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark und die Weidelandschaft Lichterfelde Süd in Berlin. Darüber hinaus bietet etwa der „Landschaftspflegeverband Passau e. V.“ sogenannte „Wiesenpatenschaften“ an: Für 100 Euro im Jahr können 1.000 Quadratmeter Blumenwiese gesichert werden.

Wer sich wiederum für Imkerei interessiert, kann beispielsweise „Blühpatenschaften“ beim „Mellifera e. V.“ eingehen und über das Projekt „BienenBlütenReich“ bundesweit Blühflächen fördern: Partner aus der Landwirtschaft, dem kommunalen Bereich und aus regionalen Initiativen legen die Flächen an und betreuen Sie während des Projektzeitraums.

Fortsetzung gewiss

Das endgültige Ergebnis des Volksbegehrens soll Mitte März vorliegen. Danach muss es Ministerpräsident Söder innerhalb von vier Wochen mitsamt einer Stellungnahme der Staatsregierung dem Landtag zuleiten. Dieser hat sich damit innerhalb von drei Monaten zu befassen, spätestens im Juli, wenn Getreide geerntet wird. Der Landtag kann den Gesetzentwurf unverändert annehmen, was die Koalition ausgeschlossen hat, oder ablehnen, womit die Bevölkerung per Volksentscheid darüber abstimmen darf. Falls der Landtag dem Volksbegehren einen alternativen Gesetzentwurf entgegenstellt, werden den Wahlberechtigten beide Entwürfe zur Abstimmung vorgelegt. Der Volksentscheid muss dann binnen drei Monaten nach dem Landtagsbeschluss stattfinden, spätestens im Herbst, also zur Erntezeit von Mais. „Blühflächen-Paten“ können sich indessen an ihren Wiesen erfreuen.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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