Verstärkung der Justiz: „Keine rechtsfreien Räume dulden“
„Die Justiz wird weiblicher“ (v.l.n.r.): Dr. Kerstin Spiess, Christina Wand, der Leitende Oberstaatsanwalt Traunstein Wolfgang Giese, Julia Mair, Simone Luger, Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback, Andrea Wimmer, Mona Peiß, Sabine Drost, Dr. Katharina Fuchs-Pichler, Lisa Oesterle und der Präsident des Landgerichts Traunstein, Dr. Rupert Stadler. Foto: Olaf Konstantin Krueger
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Verstärkung der Justiz: „Keine rechtsfreien Räume dulden“

Rund 1,1 Millionen Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen, der Großteil von ihnen über Bayern. Täglich kommen weiter tausende Asylsuchende über die bayerisch-österreichische Grenze. Zur Bewältigung der Folgen dieses Flüchtlingszuzugs hat der Bayerische Landtag insgesamt 260 neue Stellen für die Justiz beschlossen. Allein am Landgericht Traunstein, an den Amtsgerichten Rosenheim und Laufen sowie in der Staatsanwaltschaft Traunstein haben neun neue Richterinnen und Staatsanwältinnen ihren Dienst aufgenommen. „Das ist kein Luxus“, erklärt der bayerische Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback (CSU) in Traunstein, sondern den zunehmenden Verfahrenszahlen geschuldet.

Deutschland rückt zusammen

Die Zuwanderung nach Deutschland ist auf Rekordniveau: Die höchsten Zuwanderungszahlen seit 1950 gehen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zufolge auf die wachsende Zahl an Flüchtlingen zurück. 2015 wurden fast 1,1 Millionen Asylsuchende registriert – so viele wie nie zuvor. Schon 2014 stieg jenseits der Flüchtlingsbewegungen die Zahl der Zuzüge durch Arbeitsmigration, Familiennachzug und EU-Binnenwanderung auf mehr als 1,4 Millionen an: ein Niveau, das zuletzt 1992 erreicht wurde. Zwar wanderten 2014 auch 900.000 Menschen ab, unterm Strich ergab sich jedoch ein „Wanderungsgewinn“ von rund 550.000 Menschen.

Begrenzung der Flüchtlingszahlen

Vor dem Hintergrund des Zuzugs von über einer Million Flüchtlingen in 2015 setzt sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) für eine konkrete Aufnahme-Obergrenze von „maximal 200.000“ pro Jahr ein. „Im Dezember kamen im Tagesdurchschnitt 4000 Flüchtlinge nach Bayern. Auf ein Jahr hochgerechnet wären dies rund 1,5 Millionen. Das sind mehr als im gesamten Jahr 2015 und wäre auf keinen Fall zu verkraften“, erklärt Seehofer.

Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sieht die Zahl zunächst als „Orientierungsgröße“ ohne rechtliche Verbindlichkeit, betont jedoch, „die Aufnahmekapazität, die Aufnahmekraft unseres Landes, ist begrenzt“. Dabei wird Seehofers Auffassung juristisch unterstützt vom ehemaligen Verfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio. Dieser hat im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung ein Gutachten erstellt, wonach das Grundgesetz das Asylrecht und den Flüchtlingsstatus nicht unbegrenzt gewähre, sondern eine Obergrenze zuließe oder sogar fordere. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortet zwar eine „spürbare Verringerung“ der Flüchtlingszahlen, lehnt jedoch eine Obergrenze aus rechtlichen und humanitären Gründen strickt ab.

Migrationslage prekär

Unterdessen beschreibt der Traunsteiner CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Steiner die prekäre Migrationslage mit drastischen Worten: „Unsere Region bekommt die volle Wucht dessen ab, was sich bis nach Schleswig-Holstein zieht.“ Vor allem eines sei zu verhindern: unkontrollierte Einreise. Pro Tag werden im Durchschnitt 500 bis 1000 Strafanzeigen in Traunstein gestellt, erläutert Wolfgang Giese, Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Traunstein, und „eine ganz erhebliche Zahl“ sei mit der illegalen Einreise verbunden. So stelle sich beispielsweise erst bei der Grenzkontrolle heraus, wer keine oder gefälschte Ausweispapiere habe. „Der Rechtsstaat darf sich nicht zurückziehen“, betont denn auch Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback (CSU) und lehnt die „Entkriminalisierung“ illegaler Grenzübertritte entschieden ab.

Bausback zufolge gehören Passau, München und Traunstein zu den „Brennpunkten der Flüchtlingsproblematik“. Zeitweise saßen bis zu 800 Schleuser in Untersuchungshaft. Derzeit steigen die Vollzugshaftfälle. Zusätzliche „Aufwendungen“ erforderten unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. 15.000 wurden im vergangenen Jahr registriert. Daran schließt sich ein gestuftes Rechtsverfahren an, das oft nur mit Dolmetschern zu bewältigen ist: Zunächst wird das Alter bestimmt, wobei sich die Minderjährigkeit nach dem Recht des Herkunftslandes richtet. Dann wird geprüft, ob sich Sorgeberechtigte in Deutschland aufhalten. Daraufhin muss die Justiz gegebenenfalls feststellen, ob die elterliche Sorge ruht, und eine vorläufige Vormundschaft anordnen, wonach die Jugendämter gefordert sind. In manchen Fällen ist auch eine Einweisung in die Psychiatrie angeraten.

„Die Justiz funktioniert und kapituliert nicht“, zeigt sich Günther Knoblauch, SPD-Landtagsabgeordneter für die Landkreise Altötting und Mühldorf am Inn, zuversichtlich. Über die schnelle Stellenmehrung in der Justiz ist Knoblauch genauso erfreut wie der Präsident des Landgerichts Traunstein, Dr. Rupert Stadler. Zugleich plädiert Knoblauch für ein Aufstocken der ehrenamtlichen Betreuer. Und Bausback kündigt vor dem Hintergrund der Silvesterereignisse in Köln und weiteren Städten an, dass in Erstaufnahmeeinrichtungen Rechtskundeunterricht durchgeführt werden wird. Allerdings sei die Migrationslage kein Verwaltungsproblem allein, so Bausback. Bliebe der Zuzug auf hohem Niveau, sei die Situation nicht mehr zu bewältigen: „Deshalb brauchen wir eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen.“

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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