Mühldorf a.Inn / Polling — Die InnFood GmbH plant am Unternehmenssitz im oberbayrischen Weiding bei Mühldorf a.Inn ab 2024 die Abfüllung von Mineralwasser für den regionalen Einzelhandel. Die Abfüllung soll die vorhandenen Brunnen und Fördermengen nutzen, den Standort entwickeln, Arbeitsplätze schaffen und die Lebensmittelproduktion ergänzen. Die Produktion würde mittelfristig mit selbst erzeugter Energie und Recycling-PET erfolgen. InnFood zufolge spart die regionale Verwendung des Wassers große Mengen an Kohlendioxid für den Transport ein und ersetzt Mineralwasser von weiter entfernten Erzeugern. Dem Pollinger Gemeinderat ist das Vorhaben bei einer Besichtigung vorgestellt worden, Bürgermeister Lorenz Kronberger wollte die Öffentlichkeit auf der folgenden Gemeinderatssitzung informieren. Die Bündnisgrünen im Gemeinderat Polling, im Kreistag von Mühldorf a.Inn und im Bayerischen Landtag sehen das Projekt jedoch als „kommerzielle Ausbeutung“ regionaler Ressourcen an, was sie „kategorisch“ ablehnen: Eine neue Abfüllanlage bedeute eine Flächenversiegelung tausender Quadratmeter und eine enorme Menge an Lastwagen pro Tag für den Abtransport des Weidinger Tiefenwassers. Bürgermeister Kronberger zeigt sich irritiert ob der „Pressekampagne“ der Bündnisgrünen.
InnFood in Polling-Weiding versteht sich zum einen als traditionsreiches familiengeführtes Unternehmen, das Nahrungsmittel für Babys und Kleinkinder sowie Biolebensmittel für Erwachsene entwickelt und produziert, zum anderen als Vorreiter für ressourcenschonende und umweltbewusste Produktion. Zur Standortsicherung geht das Unternehmen laut Gesellschafterin Anna Katharina Jostock auch „neue unternehmerische Wege“, weshalb ab 2024 eine teilweise Umnutzung des Wassers aus den vorhandenen Tiefbrunnen erfolgen soll.
Das Wasser werde nach Darstellung der Firma zwar weiterhin aus den bestehenden Brunnen, artesischen Quellen, „regenerationssicher“ gefördert und solchen Zwecken vorbehalten bleiben, für die Wasser von besonderer Reinheit erforderlich ist, etwa Babynahrung. Ziel sei es allerdings, unter strikter Einhaltung behördlicher Vorgaben auch frisches Mineralwasser aus der Region für die Region zur Verfügung zu stellen. Dazu kooperiere die InnFood GmbH mit der Roxane GmbH aus dem Saarland, die sich vor allem auf energieeffiziente Produktion, Recyclingprozesse und CO₂-minimierte Logistik verstehe.
Für die nachhaltige Entwicklung des Standorts veranschlagt InnFood bis zu 45 Millionen Euro. Wegen vorhandener Infrastruktur bräuchten „nur wenige zusätzliche Flächen“ errichtet zu werden: ein Gebäude zur Förderung und Abfüllung des Wassers sowie eine Einfahrt und Parkmöglichkeiten. Für den laufenden Betrieb rechnet InnFood tagsüber mit acht Lkws pro Stunde, was den Verkehr auf der Staatsstraße „nicht überstrapaziert“. Bei Projektstart entstünden ab 2024 circa 50 neue Arbeitsplätze in Weiding. Neben der Einsparung von CO₂ durch die regionale Vermarktung werde auf eine enge Kreislaufwirtschaft gesetzt: Nur zwei Jahre nach Start der Abfüllung sollen die Wasserflaschen zu 100 Prozent aus recycelten Materialien bestehen. Die Produktionsstätte selbst soll bereits zu 80 Prozent energieautark starten und bis 2030 die komplette Produktion energietechnisch eigenständig sein.
Widerstand der Bündnisgrünen
Die Bündnisgrünen im Gemeinderat Polling, im Kreistag von Mühldorf a.Inn und im Bayerischen Landtag lehnen das Vorhaben indes rundweg ab. Sie verweisen auf eine Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 11. Oktober 2017, wonach Tiefenwasser wie das Vorkommen in Weiding eine „eiserne Reserve für die Versorgung der Bevölkerung in besonderen Not- und Krisenfällen“ sei. Sie warnen, „klimawandelbedingte Trockenheit“ bedrohe bereits die Wasserversorgung und die Landkreisgemeinden kämpften mit Knappheit und Qualität des oberflächennahen Grundwassers. Überdies habe sich der Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz im Kabinett Söder II, Thorsten Glauber, MdL (Freie Wähler), unlängst gegen das Abpumpen von Tiefenwasser für die Mineralwasserindustrie ausgesprochen.
Angesichts fallender Grundwasserstände müsse Tiefenwasser zur Daseinsvorsorge für die lokale Bevölkerung vorgehalten werden, erklären die Bündnisgrünen Cathrin Henke, stellvertretende Landrätin in Mühldorf a.Inn, Judith Bogner, Gemeinderätin in Schwindegg und Kreisrätin, Lena Koch, Gemeinderätin in Polling und Kreisrätin, Zacharias Spörl, Stadtrat in Mühldorf a.Inn und Kreisvorsitzender von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, sowie Bianca Hegmann, Parteisprecherin des Ortsverbandes Polling. Für sie bedeutet das Vorhaben der InnFood GmbH eine „Flächenversiegelung von vielen tausend Quadratmetern und eine enorme Menge Lastenwägen pro Tag für den Abtransport des Weidinger Tiefenwassers. Das entspricht dem Wasserverbrauch einer Kleinstadt mit mehr als 10.000 Einwohner:innen.“ Ihr Fazit: „Wir lehnen eine solche kommerzielle Ausbeutung unserer ‚eisernen Reserve’ kategorisch ab.“ Die Rechte am Tiefenwasser in Weiding seien zu rekommunalisieren.
Kreis- und Gemeinderätin Lena Koch sieht auch einen Zusammenhang zum Vorhaben in 2018, ungenutzte Tiefenwasser-Kapazität an die einst interessierte Mitteldeutsche Erfrischungsgetränke GmbH & Co. KG (MEG) zu verkaufen. Die damaligen Planungen „verliefen scheinbar im Sand, die Gründe hierfür sind nicht bekannt“: Sei damals die Schwarz-Gruppe für ihr Tochterunternehmen Lidl interessiert gewesen, habe inzwischen InnFood mit Roxane die InnFood Mineral Waters GmbH gegründet, „um eben eine neue Abfüllanlage (wie damals auch schon geplant) zu errichten und Tiefenwasser zu fördern, um es in eigens hergestellten PET-Flaschen im LEH zu verkaufen“. Koch kritisiert zudem „fehlende Transparenz“: Obgleich die Pollinger Gemeinderäte zu einem inoffiziellen Termin geladen waren, „wurden die Bürger*innen bisher noch nicht informiert“, weil die nachfolgende öffentliche Gemeinderatssitzung „von den Verantwortlichen abgesagt und der Punkt von der Tagesordnung genommen“ worden wäre: „Da die Tagesordnung am Rathaus Polling und an der Grundschule Flossing in den Schaukästen ausgehängt wird, waren Bürger*innen auch unter anderem deshalb als Zuhörer*innen gekommen, wurden aber dann doch nicht informiert.“
Bürgermeister vertraut Wasserwirtschaftsamt
Bürgermeister Lorenz Kronberger (UWG) verdeutlicht hingegen, die Gemeinderäte seien bei einer mindestens dreistündigen Ortsbegehung von der Gesellschafterin, dem Geschäftsführer und technischen Mitarbeiter der Firma InnFood, den beteiligten Architekten sowie den Ingenieuren „umfassend informiert“ worden. Die Bürger würden am 19. Mai in der nächsten öffentlichen Gemeinderatssitzung, zu der auch Anna Katharina Jostock erwartet wird, unter Tagesordnungspunkt 8 informiert. „Ich denke, die gesamte Pressekampagne der ‚Grünen’ wurde durch die offensive Informationsveranstaltung der Firma InnFood ausgelöst.“
Kronberger hebt hervor, es entstünden keine neuen Brunnen. „Ich gehe von einer dauerhaften Leistungsfähigkeit der Brunnen aus, die schon über Jahrzehnte bestehen und keine Absenkung der Wasserspiegel gezeigt haben.“ Im Übrigen würden die Festlegung der Entnahmemengen und die Überprüfung der Nachlieferungsraten vom Wasserwirtschaftsamt vorgenommen. „Als Bürgermeister erwarte ich von den Fachbehörden, nur so viel Wasserentnahme festzulegen, die eine dauerhafte Nachlieferung sicherstellt.“ Dazu gebe es bei besagtem Brunnen jahrzehntelange Erfahrungswerte. „Das heißt, man ist nicht auf Berechnungen und Schätzungen angewiesen.“ Kronberger ergänzt: „Jeder Bürger erwartet bestes Tafelwasser.“ Und im Landesentwicklungsplan (LEP) Bayern, Stand 1. Januar 2020, sei in Punkt 7.2.2 festgelegt: „Tiefengrundwasser soll solchen Zwecken vorbehalten bleiben, für die Wasser von besonderer Reinheit oder von hoher Temperatur erforderlich ist (z. B. Heilwasser, Mineralwasser, Thermalwasser einschließlich der Nutzung von Tiefengeothermie). Dabei sind besonders strenge Maßstäbe an eine sparsame Nutzung anzulegen.“
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