Die massiven sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln, Hamburg und anderen deutschen Städten lassen das Schutzbedürfnis der Bevölkerung merklich ansteigen: Die Polizeien verzeichnen außergewöhnlich viele Anträge auf den Kleinen Waffenschein, das Erlaubnispapier für Schreckschuss- oder Reizstoffwaffen. Zudem werden deutlich mehr Verteidigungssprays und Elektroschocker verkauft. Auch in unserer Region. Doch die Polizei warnt vor den Gefahren.
In der Silvesternacht versammelten sich auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz nach Angaben der Polizei rund 1000 Männer, die nach übereinstimmenden Zeugenaussagen „dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum“ stammten. Aus dieser Menschenmenge heraus wurden Frauen gezielt von Männergruppen umzingelt, sexuell bedrängt und bestohlen. Augenzeugen zufolge war die Polizei überfordert.
Gut zwei Wochen nach den Gewaltexzessen liegen der Kölner Staatsanwaltschaft 766 Anzeigen vor, etwa die Hälfte betrifft Sexualdelikte, darunter mindestens drei sind Anzeigen wegen Vergewaltigung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 21 Beschuldigte, acht Tatverdächtige sitzen in Untersuchungshaft. Wegen der Übergriffe an der Hamburger Reeperbahn, wo Frauen umringt, an der Brust oder im Intimbereich angefasst sowie deren Mobiltelefone, Papiere und Geld gestohlen wurden, ermittelt die Polizei in neun Fällen wegen sexueller Beleidigung, Raubes und räuberischen Diebstahls. Bei einer Razzia in der als „Maghreb-Viertel“ bekannten Düsseldorfer Bahnhofsgegend überprüfte die Polizei knapp 300 Nordafrikaner und nahm 40 vorläufig fest, darunter einen Mann, der bereits zur Abschiebung ausgeschrieben war, aber Asyl beantragte. Auch die anderen wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts festgenommenen Männer sind wieder frei.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sprach mit Blick auf die Übergriffe in Köln von einer „neuen Dimension von Gewalt“. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) bezeichnete die Vorfälle als „ungeheuerlich“, geriet aber selbst massiv in die Kritik ob ihrer zweifelhaften „Verhaltensregeln“ für Frauen, „immer eine gewisse Distanz zu halten, die weiter als eine Armlänge betrifft“. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte einen besseren Schutz vor Gewalt in den Städten. Und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) warnte davor, Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Der nordrhein-westfälische Minister für Inneres und Kommunales, Ralf Jäger (SPD), versetzte schließlich Polizeipräsident Wolfgang Albers wegen zögerlicher Informationspolitik der Polizei in den einstweiligen Ruhestand.
Die publizistischen Medien, allen voran der mit Steuergeldern finanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk, wehrten sich gegen den Vorwurf, Kriminalität von Migranten kaum zu thematisieren. So bestritt der Westdeutsche Rundfunk (WDR), seine Mitarbeiter zu einer positiven Berichterstattung über Flüchtlinge angehalten zu haben. Die Theater in Deutschland bekräftigten wiederum, sich weiter gegen „rechtes Gedankengut“ zu stellen. Unterdessen wird die Auseinandersetzung um die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer hitziger, sodass Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) schon beklagt, dass Politiker als „Hochverräter“ und „Deutschlandabschaffer“ bezeichnet würden: „Wir brauchen Respekt, Höflichkeit, Dankbarkeit. Das braucht eine Gesellschaft, weil sie sonst nicht zusammenhält.“ De Maizière rief zugleich dazu auf, über die Frage einer Grenze der Integrationsfähigkeit zu streiten.
Schreckschuss- und Reizstoffwaffen
Derweil ziehen manche ihre eigenen Schlüsse, besorgen sich Schreckschuss- oder Reizstoffwaffen. Diese dürfen zwar von Personen über 18 Jahren frei erworben, außerhalb von Schießständen jedoch nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen abgefeuert werden, etwa bei Notwehr oder Notstand. Das Mitführen solcher erlaubnisfreier Waffen außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder umfriedeten Besitztümer erfordert einen Kleinen Waffenschein. Dieser muss bei den Gemeinden oder Ordnungsämtern am Wohnort beantragt werden. Nur für den Transport von nicht schuss- und zugriffsbereiten Schusswaffen wird kein Waffenschein benötigt. Details nennt das BayernPortal unter http://tinyurl.com/zbh2ch8.
Verteidigungssprays
Manche setzen zur Gefahrenabwehr auf Verteidigungssprays, etwa Pfefferspray: ein als Waffe dienendes, Haut, Augen und Atemwege reizendes Spray, das einen aus Chili gewonnenen Wirkstoff enthält. So wurde in Altötting eine junge Frau erst Mittwochmorgen, 13. Januar, gegen 5.30 Uhr von einem Unbekannten mit schwarzer Jacke im Bereich der Bahnunterführung zwischen Oskar von Miller Straße und Hillmannstraße angegriffen. Der Täter mit etwas dunklerer Haut soll die Frau festgehalten und versucht haben, sie zu entkleiden. Als die junge Frau Pfefferspray gegen den Mann einsetzte, ließ dieser von ihr ab und flüchtete. Die Kripo Mühldorf ermittelt und bittet um Hinweise unter Rufnummer 0 86 31/3 67 30.
In Rosenheim musste sich sogar ein Polizist Donnerstagnacht, 14. Januar, mit Pfefferspray und körperlicher Gewalt gegen einen 36-jährigen Mann wehren. Die Streife war wegen Ruhestörung zu einem Mehrfamilienhaus in der Traberhofstraße gerufen worden. Der 36-Jährige ging an seiner Wohnungstür mit einem Küchenmesser auf eine Polizistin los, stach auf sie ein. Bekleidet mit einer Schutzweste erlitt sie lediglich Prellungen, ihr Kollege aber kam mit einer Schnittverletzung ins Krankenhaus. Die Kripo ermittelt hier wegen eines versuchten Tötungsdeliktes. Der zuständige Haftrichter ordnete die Einweisung des 36-Jährigen in eine psychiatrische Klinik an.
Pfefferspray ist keineswegs harmlos, kann bei Menschen zu Augenschäden führen und schlimmstenfalls eine Netzhautablösung hervorrufen. Da beim Einsatz eines Verteidigungssprays gegen Menschen eine vorangegangene Straftat im Raum steht, rät die Polizeiinspektion Rosenheim, im Nachgang grundsätzlich die Polizei zu kontaktieren.
Den enormen Anstieg beim Absatz von Verteidigungsmitteln aller Art bestätigen auch die renommierten Waffengeschäfte in der Region. So erklären gleichlautend Ludwig Hallhuber in Mühldorf und Anton Daurer in Rosenheim gegenüber blick, aktuell seien Verteidigungssprays, Gas- und Schreckschusspistolen, Personenalarme und Elektroschocker stark nachgefragt, teilweise sogar ausverkauft. Bei der Munition gebe es Lieferschwierigkeiten. Daurer, der Kunden aus dem gesamten Landkreis Rosenheim hat, stellt fest, dass bis November 2015 noch der Schutz vor Einbruch als Hauptgrund der Aufrüstung genannt wurde. Seitdem stehe die Selbstverteidigung als Motiv im Vordergrund. Und die Gewaltexzesse der Silvesternacht gaben einen erneuten „Schub“. Manche Kunden hätten bereits einen Selbstverteidigungskurs absolviert und gingen mit dem Kauf eines Mittels auf „Nummer sicher“.
„Selbstbehauptung“
Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd, das für neun Landkreise und die kreisfreie Stadt Rosenheim zuständig ist, sieht die Aufrüstung „sehr skeptisch“, erklärt dessen Pressesprecher Stefan Sonntag gegenüber blick. Er warnt vor dem Einsatz von Verteidigungssprays, Schreckschuss- und Reizstoffwaffen. In Einzelfällen vermöge etwa Tierabwehrspray das Selbstvertrauen zu erhöhen, doch im körperlichen Kampf mit Straftätern könnte es eskalierend wirken und den Angreifer verleiten, noch aggressiver zu werden. Manchmal sei Flucht schlicht „die bessere Option“, so Sonntag.
In Gefahrensituationen sei laut Polizeipräsidium Oberbayern Süd zunächst Körperhaltung und Stimme aktiv zur Selbstbehauptung zu nutzen und mit diesem Auftreten einem Täter zu signalisieren: „Ich bin kein Opfer!“ Eine Studie der Polizei Hannover zum Gegenwehrverhalten bei sexueller Nötigung und Vergewaltigung zeigte, dass bereits bei leichter konsequenter Gegenwehr der Frauen 68,4 Prozent der Täter die Tat abbrachen. Bei massiver Gegenwehr konnten sogar 84,3 Prozent der Frauen den Täter zur Aufgabe bewegen.
Aus polizeilicher Sicht ist deshalb die Teilnahme an einem Sicherheits- und Selbstbehauptungstraining zu empfehlen, bei dem verschiedene Gefahrensituationen besprochen und Verhaltensempfehlungen gegeben werden. Ansprechpartner bei der hiesigen Polizei sind die Beauftragte der Polizei für Frauen und Kinder (BPFK) beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd, Kaiserstraße 32, 83022 Rosenheim, Rufnummer 0 80 31/2 00 10 88, sowie die örtlichen Ansprechpartnerinnen bei den zuständigen Kriminalpolizeidienststellen. Mehr Information ist online abrufbar unter polizei.bayern.de.
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