„Safe Harbor“ gekippt: „Paukenschlag für Recht auf Datenschutz“
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„Safe Harbor“ gekippt: „Paukenschlag für Recht auf Datenschutz“

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat das „Safe Harbor“-Abkommen zur einfachen Datenübertragung gekippt: Künftig können personenbezogene Daten europäischer Internet-Nutzer nicht mehr ohne Weiteres in die USA übermittelt werden. In Deutschland wird das aufsehenerregende Urteil als Stärkung europäischer Grundrechte begrüßt. Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnet die Gerichtsentscheidung sogar als „Paukenschlag für das Recht auf Datenschutz“.

Volkswirtschaftlich werden datenbasierte Geschäftsmodelle und der transnationale Austausch von Daten immer wichtiger. Rund 15 Jahre lang war das „Safe Harbor“-Abkommen die bedeutendste Erlaubnisnorm, nach der Unternehmen personenbezogene Daten von Bürgern der Europäischen Union in die USA übertrugen. Die Zustimmung der EU-Kommission dazu im Jahr 2000 beruhte auf der Annahme, die USA gewährleisteten einen angemessen Schutz für die an sie übermittelten Daten. Das sehen die Europäer nach den Enthüllungen des amerikanischen Informanten Edward Snowden zur umfassenden Internet-Überwachung und mit Blick auf die massiven Befugnisse der US-Geheimdienste inzwischen anders. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das „Safe Harbor“-Abkommen für ungültig erklärt. Der EuGH stellt fest: In den USA sind die Daten europäischer Internet-Nutzer nicht ausreichend vor dem Zugriff der Behörden geschützt.

Ausgelöst wurde das Verfahren nicht von besorgten EU-Politikern, sondern vom österreichischen Jura-Studenten Max Schrems. Er klagte gegen das weltgrößte „Soziale Netzwerk“ Facebook. Dieses sammelt, was die Nutzer online unternehmen, und speichert alle Daten in den USA legal und für immer. Facebook wurde am 24. August 2015 erstmals von jedem siebten Menschen besucht. Insgesamt waren an diesem Tag eine Milliarde Menschen auf der Plattform. Deutsche Unternehmen professionalisieren ihre Kommunikation nicht nur auf Facebook, sondern auch auf Twitter, Instagram oder WhatsApp: In jedem dritten Unternehmen gibt es abteilungsübergreifende Teams, für die Social Media ein fester Bestandteil des Marketing- und Kommunikationsmixes ist. Und alle ihre Daten gehen in die USA. Schrems klagte, weil seiner Ansicht nach seine Facebook-Daten in den USA nicht vor staatlicher Überwachung geschützt sind.

Das EuGH-Urteil hat nun nicht nur Auswirkungen auf unser privates digitales Leben, es hat weit reichende Folgen für die gesamte europäische Digitalwirtschaft – vom kleinen und mittelständischen Unternehmen bis zum Weltkonzern und den Banken. Denn für Firmen, die sich auf „Safe Harbor“ verließen, wird es schwieriger, Daten von Europäern in die USA zu transferieren, etwa bei der Nutzung von Cloud-Diensten. Das betrifft auch viele weitere Staaten mit ähnlicher Überwachung, etwa China oder Russland. Betroffene können die nationalen Gerichte anrufen und Datenschutzbehörden können prüfen, ob personenbezogene Daten geschützt sind.

Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Bundestag, hält denn auch das EuGH-Urteil für die erste gravierende Konsequenz, die aus der Massenüberwachung durch den amerikanischen Geheimdienst NSA gezogen wird: „Die bisherige Datenaustauschpraxis ganzer Wirtschaftszweige steht offen infrage.“ Und der Bundesvorsitzende der Piratenpartei Deutschland, Stefan Körner, fordert bereits als Reaktion auf das EuGH-Urteil den Stopp des geplanten Datenübereinkommens mit den USA. „So wie der ‘sichere Hafen’ die EU-Datenschutzlüge im Interesse von Konzernlobbyisten war, ist das geplante EU-US-Datenabkommen ein Trojanisches Pferd der Überwachungsbehörden.“

Unterdessen macht der Internet-Verband eco in der Digitalwirtschaft erhebliche Rechtsunsicherheit aus: „Bundesregierung und Europäische Union müssen jetzt schnellstmöglich eine neue Regelung finden, die unseren hohen Datenschutzstandards genügt und gleichzeitig eine praktikable Lösung für die Unternehmen schafft“, sagt eco-Vorstand Oliver Süme. Der Digitalverband Bitkom sieht hier die EU-Kommission und die nationalen Datenschutzbehörden in der Pflicht. Und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) empfiehlt, mit den USA unverzüglich über ein ganz neues Abkommen zu reden. „Das Urteil ist ein Auftrag an die Europäische Kommission, auch international für unsere Datenschutzstandards zu kämpfen.“ Seine Amtsvorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger spricht am Samstag, 10. Oktober, um 13.30 Uhr am Max-Joseph-Platz in München auf einer Demonstration gegen Vorratsdatenspeicherung, zu der unter anderem die Bündnisgrünen, die FDP und die Piratenpartei aufgerufen haben.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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