Raumordnungsverfahren Brenner-Nordzulauf: Ludwig fordert “bessere Lösungen”
Trotz strömenden Regens, Pandemie und kurzen zeitlichen Vorlaufs waren rund 30 Vertreter der Bürgerinitiativen sowie Bauern mit 50 Traktoren nach Rosenheim gekommen. Foto: Brennerdialog Rosenheimer Land e.V.
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Raumordnungsverfahren Brenner-Nordzulauf: Ludwig fordert “bessere Lösungen”

Rosenheim — „Ein Jahr­hun­dert­pro­jekt hat den nächs­ten Schritt ge­nom­men“, re­sü­miert Wirt­schafts­mi­nis­ter Hubert Aiwanger: Beim Raum­ord­nungs­ver­fah­ren zum Brenner-Nord­zu­lauf sind vier der fünf von der DB Netz AG vor­ge­schla­ge­nen Grob­tras­sen raum­ver­träg­lich, lau­tet das Prüf­er­geb­nis der Re­gie­rung von Ober­bayern. Ei­ne Vor­zugs­tras­se wur­de hier­bei nicht er­mit­telt und wei­te­re um­fang­rei­che Maß­nah­men sind noch er­for­der­lich – das be­trifft et­wa den Lärm­schutz, die un­ter­ir­di­schen Tras­sen­ver­läu­fe und die Gleis­füh­rung. Doch die For­de­run­gen aus der Re­gion wä­ren be­stä­tigt wor­den, sagt die Ro­sen­hei­mer Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Daniela Ludwig, wenn­gleich „bes­se­re Lö­sun­gen“ von­nö­ten seien. Al­ler­dings bleibt die Fra­ge der Kri­ti­ker nach dem Be­darf wei­ter un­be­ant­wor­tet. Des­halb leh­nen Bür­ger­ini­tia­ti­ven und der BUND Na­tur­schutz in Bayern den Neu­bau wei­ter­hin ab und be­ste­hen auf den Aus­bau der Be­stands­stre­cke.

Rund 30.000 Einwendungen aus der Öffentlichkeit sowie zirka 100 Stellungnahmen von Kommunen, Behörden, Verbänden und Organisationen sind in das Raumordnungsverfahren (ROV) zum Brenner-Nordzulauf für den Abschnitt zwischen den Gemeinden Tuntenhausen und Kiefersfelden im Landkreis Rosenheim eingeflossen. Von den fünf Grobtrassenvarianten, welche die DB Netz AG als Vorhabenträgerin in das Verfahren eingeführt hat, entspricht eine Variante – Blau östlich des Inns – nicht den Erfordernissen der Raumordnung. Die verbliebenen vier Varianten – Oliv, Gelb und Türkis westlich des Inns und Violett östlich des Inns – sind raumverträglich mit umfangreichen Maßgaben bei Immissionsschutz, Land- und Forstwirtschaft sowie Natur und Landschaft. Welche dieser vier Varianten weiterverfolgt wird, obliegt der Entscheidung der DB Netz AG, wobei eine rechtsverbindliche Genehmigung des Vorhabens einem Planfeststellungsverfahren des Eisenbahnbundesamtes vorbehalten bleibt. Nach den Osterferien soll die DB Netz AG einen konkreten Trassenvorschlag für den Brenner-Nordzulauf vorlegen.

„Die weitere Planung konzentriert sich jetzt auf eine Handvoll konkreter Trassenvorschläge, die weiter beleuchtet und gegebenenfalls verbessert werden sollen“, erklärte der stellvertretende Ministerpräsident des Freistaates Bayern und Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie im Kabinett Söder II, Hubert Aiwanger (Freie Wähler), im KU‚KO Rosenheim bei der Vorstellung der landesplanerischen Beurteilung. Die Präsentation erfolgte gemeinsam mit Kerstin Schreyer (CSU), Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, sowie Maria Els, Regierungspräsidentin der Regierung von Oberbayern, und Klaus-Dieter Josel, Konzernbeauftragter der Deutschen Bahn AG für den Freistaat Bayern. Aiwanger betonte: „Am Ende soll eine verträgliche und richtige Entscheidung für die Bürger, die Natur und die Wirtschaft getroffen werden.“ Daher trafen sich Aiwanger und Schreyer im Anschluss auch mit Vertretern der 17 Bürgerinitiativen (BI) zum „Bürgeraustausch“.

Kritik von BI und BN

Trotz strömenden Regens hatten zuvor rund 30 BI-Vertreter und 50 Bauern mit ihren Traktoren unter Beachtung der Corona-bedingten Hygieneauflagen und Abstandsregeln erneut protestiert und auf den fehlenden Bedarfsnachweis aufmerksam gemacht. Dabei verwiesen sie auf die ihrer Ansicht nach geringe Auslastung der Bestandsstrecke sowie auf deren Tauglichkeit als Brenner-Nordzulauf: „Durch einen seriös geplanten Ausbau der Bestandsstrecke könnten 99 Prozent der geforderten 400 Züge zum Brennertunnel fahren – und ob diese überhaupt nach Corona noch gebraucht werden, ist sehr fraglich“, äußerte Peter Margraf vom „Bürgerforum Inntal“. Aiwanger wurde ein Schreiben aller BI überreicht, in dem die Beauftragung einer „Machbarkeitsstudie zur Ertüchtigung der Bestandsstrecke als Brenner-Nordzulauf“ gefordert wird. Die BI-Vertreter kündigten an, ihren „konstruktiven Kampf gegen ein zweites Stuttgart 21 und für eine Veränderung der Verkehrspolitik mit einseitigem Fokus auf LKW-Transporte“ fortsetzen zu wollen.

Der „BUND Naturschutz in Bayern e. V.“ (BN) lehnte ebenfalls die von der Regierung von Oberbayern als raumverträglich bewerteten Trassen ab. Bei diesen träten die Beeinträchtigungen der Schutzgüter Boden, Wasser, Landwirtschaft und Erholung zwar in unterschiedlichem Ausmaß auf, seien aber bei jeder Variante insgesamt so gravierend, dass der Neubau der Bahntrasse nicht vertretbar sei, erläuterte BN-Landesvorsitzender Richard Mergner. Seine Forderung: „Die Ertüchtigung des Bestandes, mit Schutzmaßnahmen gegen Lärm und Erschütterung nach Neubaustandard muss in die Alternativen-Prüfung aufgenommen werden und der notwendige Anschluss an den Güter-Ostkorridor (Landshut-Mühldorf-Freilassing) muss zwingend Berücksichtigung finden.“

Kritik aus der Politik

Rosenheims Landrat Otto Lederer (CSU) erinnerte zudem an die Vielzahl der Infrastruktureinrichtungen in der Region, darunter Autobahnen, Bahnstrecken, Öl-, Gas- und Stromleitungen: „Deshalb sehen wir von Seiten des Landkreises Rosenheim keinen Spielraum für eine rein oberirdisch Neubaustrecke.“ Aus diesem Grunde habe der Kreistag bereits einstimmig die fünf ursprünglichen Grobtrassen abgelehnt.

Demgegenüber zeigte sich Rosenheims Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) mit den Prüfergebnissen des ROV zufrieden: „Sie geben uns deutlichen Rückenwind.“ Hierbei hob sie fünf Punkte hervor. Erstens sei positiv, dass die blaue Variante östlich des Inns entfalle, da sie insbesondere die Bereiche um Neubeuern und Nußdorf über Gebühr belastet hätte. Zweitens halte die Regierung von Oberbayern in mehreren Fällen die Prüfung unterirdischer Trassenverläufe für wichtig. Dies betreffe beispielsweise im Osten die violette Trasse bei Rohrdorf/Lauterbach, im Westen insbesondere den Bereich Bad Aibling/Kolbermoor. Drittens sei die Forderung des Rosenheimer Kreistags und der Stadt Rosenheim aufgenommen worden, für beide Innquerungen im Süden und im Norden einen unterirdischen Verlauf zu prüfen. Viertens sehe auch die Regierung von Oberbayern erhebliche Defizite bei der Planung der Trassen nördlich von Rosenheim. Und fünftens hält Ludwig die Forderung der Regierung von Oberbayern für „wesentlich“, für die Verknüpfungsstelle bei Niederaudorf eine unterirdische Lösung zu finden. Sie habe bereits Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gebeten, dazu eine Machbarkeitsstudie erstellen zu lassen. „Ich erwarte nun von der Deutschen Bahn, dass sie die Maßgaben der Regierung von Oberbayern ohne Zeitdruck prüft und umsetzt“, ergänzte Ludwig: „Zum Schutz von Mensch und Natur muss es bessere Lösungen geben als die, die bisher auf dem Tisch liegen.“

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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