Der globale Digitalisierungsschub und der Trend zu digitalem Lebensstil lassen vermuten, dass gedruckte Zeitungen und Prospekte sukzessiv abgelöst werden von elektronischen Varianten. Die Diskussion über den Umstieg der Handelsunternehmen OBI und REWE von der klassischen Prospektwerbung hin zu spezifischen Apps überdeckt jedoch die nachweisbare Robustheit dieses Werbemarktes. So belegt die aktuelle Medienforschung die weiterhin beachtliche Reichweite und hohe Werbewirkung der frei Haus gelieferten kostenlosen Wochenzeitungen und Prospektbeilagen. Digitale Varianten sind für die Mehrheit der Bezieher von Prospekten keine Alternative zu den gewohnten Printversionen. Mehr noch: Digitale Angebote sind aus ökologischen Gründen nicht per se gedruckten Erzeugnissen vorzuziehen. Der rigorose Ausstieg aus der Prospektwerbung kann für Handelsunternehmen sogar gravierende Einbrüche beim Abverkauf bedeuten.
Bislang ist klassische Prospektwerbung mit Blick auf Wirksamkeit und Effizienz weitestgehend unübertroffen und durch digitale Kanäle nicht einfach ersetzbar. Dies ist eines der Ergebnisse einer aktuellen Analyse des Bundesverbandes Deutscher Anzeigenblätter e. V. (BVDA). In Zahlen ausgedrückt werden jährlich rund 28 Milliarden Prospekte großflächig in Deutschland verteilt, 2021 lag das Marktvolumen bei knapp 1,8 Milliarden Euro.
Klassische Prospektwerbung ist etabliert
Der öffentlichkeitswirksame Ausstieg einiger Handelsunternehmen aus der klassischen Prospektwerbung sowie der Hype von Prospekt-Apps, Händler-Apps und dem digitalen Versand von Prospekten via WhatsApp haben den BVDA die Gründe erkunden lassen für Ausstiegs- und Reduktionserwägungen.
Resultat: Neben der Krisenkumulation sind die wesentlichen Treiber Kostenaspekte. Konkret: massiv gestiegene Papierpreise, steigende Energiepreise, gestiegene Zustellkosten durch die erneute Erhöhung des Mindestlohns, gestörte Lieferketten und unsichere Warenverfügbarkeit. Dieses Bündel erschwere längerfristige Werbeplanungen, die bei der klassischen Prospektwerbung erforderlich seien. Obendrein stehe moderne Handelskommunikation unter steigendem Anpassungsdruck, etwa wegen veränderter Kundenbedürfnisse, erhöhter Wettbewerbsintensität, starker Marktzentralisierung und wegen des technologischen Wandels mit verändertem Mediennutzungsverhalten.
Die Spitzenorganisation der Anzeigenblattverlage stellt fest, dass die Bedeutung von digitalen Kanälen im Kommunikationsmix zwar dauerhaft zunehme, weil hier keine Druck- und Verteilkosten anfielen und das Kundenverhalten besser erfasst und analysiert werden könne. Eine tiefer gehende Analyse zeige jedoch, dass gedruckte Prospekte dennoch ein wich- tiger Bestandteil im Kommunikationsmix sind und voraussichtlich bleiben werden. Hauptgrund: Klassische Prospektwerbung sei bei den Konsumenten gemeinhin akzeptiert, werde weiterhin stark nachgefragt und sei deshalb als Werbeform effizient und wirkungsvoll. Die Handelskommunikation via Apps sei wiederum genauso aufwendig zu steuern, sehr fragmentiert und aufgrund der vielen zu berücksichtigenden Kanäle ebenfalls teuer. Überdies sei die Reichweite dieser spezifischen Portale nicht groß genug, um die breite Masse an Konsumenten eigenständig zu erreichen.
So hat das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelt, dass bislang lediglich 5,6 Millionen Menschen in Deutschland spezielle Apps als Informationsquelle für Einkaufstipps und Sonderangeboten nutzen, mithin 10,8 Prozent der Gesamtbevölkerung ab 16 Jahren. Das Mediennutzungsverhalten der Konsumenten zeige auch, dass ein rigoroser Ausstieg des Handels aus der Prospektwerbung nicht ohne gravierende Folgen für Abverkauf und Umsatzerwartungen bleibe: Für die Mehrheit der Bezieher von Prospekten seien digitale Varianten keine Alternative zur gewohnten Printversionen. Konfrontiert mit der hypothetischen Möglichkeit, zwischen gedruckten und digitalen Prospekten wählen zu können, würden sich dem Institut für Demoskopie Allensbach zufolge 62 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung für gedruckte Prospekte und nur zwölf Prozent für digitale Alternativen entscheiden.
Nachhaltigkeitsmythen
Fakt ist auch: Die Digitalisierung hat auf die Klimabilanz sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Einerseits ermöglicht sie Effizienzsteigerungen, virtuelle Kommunikation und die Nutzung intelligenter Stromnetze, sogenannter Smart Grids, zur Integration erneuerbarer Energien. Andererseits führt die zunehmende Nutzung digitaler Technologien zu vermehrtem Bedarf an umweltbelastenden Rohstoffen, höherem Energieverbrauch und mehr Elektroschrott. Um die Umweltauswirkungen zu minimieren, sind der Einsatz erneuerbarer Energien, energieeffiziente Technologien und verbessertes Recycling entscheidend.
Nachhaltigkeitsmythen tritt der BVDS mit dem Hinweis auf Studien entgegen, dass digitale Angebote nicht per se gedruckten Erzeugnissen vorzuziehen sind. So würden Werbeprospekte in der Regel zu 100 Prozent aus Altpapier hergestellt und die Papierfasern könnten im Durchschnitt bis zu zwölf Mal recycelt werden. Würden dann Frischfasern eingesetzt, stammten sie in Europa überwiegend aus Sägewerksabfällen oder Durchforstungsholz. Fazit des BVDA: „Eine Kommunikation, die den Umstieg auf digitale Apps und den Verzicht auf Prospekte aus Liebe zur Umwelt propagiert, ist hingegen heuchlerisch, irreführend und somit sehr schädlich für diese Werbeform.“
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