Rosenheim – „Ein Netz, ein Fahrplan, ein Tarif“ lautet das Motto, unter dem sich für Stadt und Landkreis Rosenheim fünf regionale Busunternehmen und die Deutsche-Bahn-Tochter Regionalverkehr Oberbayern zur „Verkehrsgemeinschaft Rosenheim“ zusammengeschlossen haben: Mit abgestimmtem Tarif, kürzerer Taktung und mehr Buslinien soll der Öffentliche Personennahverkehr flächendeckend konsolidiert werden. Bereits ab Schuljahr 2020/2021 könnte ein gemeinsames Bus-Ticket unabhängig von der Anzahl der Umstiege ausreichen, um etwa von Kiefersfelden nach Mühldorf oder von Salzburg zum Irschenberg zu fahren. Das gemeinsame Vorgehen dürfte zuletzt durch zwei Entwicklungen beschleunigt worden sein: den Ende November 2019 von Kreisausschuss, Kreistag und Stadtrat beschlossenen Nahverkehrsplan für Stadt und Landkreis Rosenheim sowie die zum Kommunalwahlkampf 2020 von den meisten Parteien und Wählervereinigungen erhobenen Forderungen nach massiver Ausweitung regionaler Mobilitätsangebote.
Ein entwickelter Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) in Stadt und Landkreis Rosenheim ist sowohl durch Umfragen belegter Wunsch der Bürger als auch nachdrückliche Forderung der Kommunalpolitiker. Der im Herbst 2019 beschlossene gemeinsame Nahverkehrsplan (NVP) konkretisiert Verbesserungsmaßnahmen zum Lückenschluss. Er sieht für einige Achsen einen Stundentakt vor, eine Verdichtung des Angebots, eine Ausweitung des Bedienungszeitraumes, mehr Angebote am Wochenende und abseits der großen Achsen, ein einheitliches Tarifsystem, überdies die Stärkung der Zubringerfunktion zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und auf lange Sicht eine schadstofffreie Fahrzeugflotte. Eigene Busspuren, abgestimmte Lichtsignalanlagen und alternative Linienwege sollen den ÖPNV beschleunigen. Das Konzept wird abgerundet durch neue Angebote im Bike&Ride, im Park&Ride und im Sharingsystem. Die Umsetzung des NVP bedeutet eine zusätzliche jährliche Betriebsleistung von 2,1 Millionen Euro.
Verkehrspolitische Wahlaussagen
Mit Beginn des Kommunalwahlkampfes 2020 haben die Parteien und Wählervereinigungen ihr verkehrspolitisches Programm angepasst und setzen eigene Akzente. So fordert etwa der Kreisverband Rosenheim von Bündnis 90/DIE GRÜNEN neben einem einheitlichen Tarifsystem über Landkreisgrenzen hinweg eine „klare Linienstrukturen und die Anerkennung von Bahn-Bus-Anschlusstickets auf allen Buslinien im Landkreis“. Die SPD-Stadtratsfraktion Rosenheim will ausgehend vom NVP die Betriebszeiten morgens und abends erweitern, die Taktzeiten auf verschiedenen Buslinien verkürzen und die Barrierefreiheit an den Haltestellen sicherstellen. Die FDP fordert, dass alle Stadtteile Rosenheims durch Busverbindungen montags bis samstags und an Feiertagen von frühmorgens bis spätabends im 30-Minuten-Takt erreichbar sind und dass der Tarifverbund ausgeweitet wird.
Freie Wähler/UP Rosenheim wollen im ÖPNV unter anderem eine Verbundbuskarte für Stadt und Land, die Verbesserung und Ausweitung des Liniennetzes sowie die Trennung des Linienverkehrs vom Schulbusbetrieb. Die CSU Rosenheim-Stadt hat wiederum als „Auftrag“ für die „Verkehrsdrehscheibe im südlichen Oberbayern“ definiert, dass jeder Bürger sich mit dem Verkehrsmittel seiner Wahl in Rosenheim sicher bewegen können soll. Die Lizenz für den städtischen Linienbusverkehr soll zurückerworben werden, um das Angebot zu verbessern, die Fahrgastzahlen zu erhöhen sowie einen Rosenheimer Verkehrsverbund mit Wabentarif einzuführen. Der Busverkehr solle beschleunigt werden, „ohne die übrigen Verkehrsträger zu beeinträchtigen“. Die Mehrparteienliste „Bündnis für Rosenheim“ will ebenfalls den Ausbau der Busspuren, die Verdichtung des Liniennetzes, eine engerer Taktung und einen Gemeinschaftstarif für den gesamten ÖPNV, jedoch zusätzlich elektrisch betriebene Fahrzeuge.
Ankündigungen der „Verkehrsgemeinschaft Rosenheim“
Die heimischen Busunternehmen wollen nun mit der am 29. Januar gegründeten „Verkehrsgemeinschaft Rosenheim“ ihre Angebote koordinieren. Hierfür zusammengeschlossen haben sich: die Stadtverkehr Rosenheim GmbH (SVR) der L. Kroiss GmbH & Co. KG aus Rosenheim Stadt, die Max Hollinger Omnibusunternehmen GmbH aus Bad Aibling, der Omnibusbetrieb Reiter GmbH aus Aschau am Inn, das Verkehrsunternehmen Chr. Margreiter aus Nußdorf am Inn, der Omnibusbetrieb Benno Steinbrecher e.K. aus Brannenburg sowie die Regionalverkehr Oberbayern GmbH (RVO). Die sechs Privatunternehmen betreiben den Linienverkehr nach eigenen Angaben bislang ohne öffentliche Fördermittel und transportieren im Jahr rund 15 Millionen Fahrgäste.
Laut RVO-Niederlassungsleiter Michael Schmidt werden zunächst alle Tickets auf den 56 Buslinien in Stadt und Landkreis Rosenheim wechselseitig anerkannt, dann die drei unterschiedlichen Tarife vereinheitlicht und später in ein Wabentarifsystem transformiert. Mittelfristig wird ein gemeinsamer Fahrplan erstellt, langfristig sollen mehr Linienbusse eingesetzt werden.
Die erste Anpassung könnte im Frühjahr erfolgen, das gemeinsame Ticket gegebenenfalls zu Beginn des Schuljahres 2020/2021 angeboten werden. Da die Abstimmungen mit der Stadt Rosenheim, dem Landkreis Rosenheim, der Regierung von Oberbayern und dem Aufgabenträger, der Rosenheimer Verkehrsgesellschaft m.b.H. (RoVG), noch laufen, können derzeit weder Termine genannt noch Angaben zur künftigen Tarifstruktur gemacht werden. „Wir bemühen uns, es preisneutral zu gestalten“, versichert Schmidt. Mögliche Vergünstigung: analog zu Miesbach und Traunstein ein Rosenheimer Landkreisticket für Schüler, Studenten und Auszubildende einerseits, für Senioren andererseits.
Bereits jetzt können mittels der kostenfreien ÖPNV-App „Wohin-Du-Willst“ der DB Regio AG Verkehrslagen in Echtzeit abgerufen werden. Perspektivisch sollen über die bayernweit von einem Drittel der Landkreise genutzte ÖPNV-App auch in Rosenheim detaillierte Fahrpläne einsehbar, elektronische Tickets buchbar und bargeldloses Bezahlen durchführbar sein.
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