Das Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Rechtssystem ist seit Jahren stabil. Laut ROLAND Rechtsreport 2017 haben 74 Prozent der Bürger sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gesetze, 68 Prozent in die Gerichte. Zugleich wird teils deutliche Kritik geäußert in vier Bereichen: zu lange Verfahrensdauer durch die Arbeitsüberlastung der Gerichte, eine als uneinheitlich wahrgenommene Rechtsprechung, zu komplizierte Gesetze und zu milde Strafen. Den Dialog zwischen dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und der gerichtlichen Praxis zu fördern sowie Erfahrungen auszutauschen, diesem Ziel dienen die Amtsgerichtsbesuche von Ministerialdirektor Professor Dr. Frank Arloth, Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz. Ende Februar besuchte Arloth das Amtsgericht in Rosenheim, im Frühjahr ist er in Mühldorf am Inn.
„Das Bayerische Staatsministerium der Justiz versteht sich als Partner der gerichtlichen Praxis“, erklärt Dr. Philipp Linden, stellvertretender Pressesprecher des Justizministeriums, gegenüber Inn-Salzach blick. Lindens Worten zufolge ist für die Behörde „ein offener Meinungs- und Erfahrungsaustausch und ein Eindruck von den Verhältnissen vor Ort von großer Bedeutung“. So halte das Justizministerium regelmäßig Dienstbesprechungen mit den Leitungen der bayerischen Gerichte und Staatsanwaltschaften ab, unter anderem in einem etwa 18-monatigen Turnus eine Tagung mit sämtlichen Leiterinnen und Leitern der bayerischen Amtsgerichte.
Neben diesem „großen Forum“ ermöglichen laut Linden die Amtsgerichtsbesuche des ranghöchsten Beamten der Behörde, Ministerialdirektor Professor Dr. Frank Arloth, im kleineren Rahmen das persönliche Gespräch mit der jeweiligen Gerichtsleitung und den Mitarbeitern: Im „offenen Dialog“ werden Erfahrungen ausgetauscht und Anregungen thematisiert. Die Besuche geben dem Amtschef zugleich einen unmittelbaren Eindruck von den örtlichen Verhältnissen, beispielsweise der Gebäudesituation und der Ausstattung. Vereinbart werden die Besuche mit den Direktorinnen und Direktoren der betreffenden Amtsgerichte mit einem zeitlichen Vorlauf von einigen Wochen.
Gewaltenteilung und Dialog
Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung obliegt die Gesetzgebung je nach Zuständigkeit den Bundes- oder Landesparlamenten, nicht der rechtsprechenden Gewalt oder als deren Teil den Gerichten. Soweit es um inhaltliche Fragen der Rechtsprechung oder der Strafzumessung geht, ist es dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten richterlichen Unabhängigkeit verwehrt, gerichtliche Verfahren zu überprüfen oder auch nur zu bewerten. Denn die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit gewährleistet dem Bürger, dass sein Rechtsstreit neutral und nur nach Recht und Gesetz entschieden wird.
Gleichwohl lebt die Justiz vom Vertrauen und der Akzeptanz der Bevölkerung in ihre Kompetenz, ihre Durchsetzungsfähigkeit und ihre Unabhängigkeit. „Daher thematisieren wir Kritik nicht nur, wenn sie an uns herangetragen wird, sondern prüfen laufend, ob wir den Ansprüchen, die die Bürgerinnen und Bürger an uns stellen, gerecht werden“, erläutert Linden. „Dazu haben wir 2013 eine breit angelegte interne Selbstverständnisdebatte angestoßen, mit der wir ständig – ausgehend von einer Online-Befragung unserer Richter, Staatsanwälte und Rechtspfleger in der Praxis – nach Verbesserungspotenzial suchen.“
Amtsgerichtsbesuche
Seit seinem Amtsantritt Anfang Juni 2014 hat Ministerialdirektor Arloth von den insgesamt 73 bayerischen Amtsgerichten bislang 22 in fünf Regierungsbezirken besucht – in Mittelfranken: Nürnberg, in Oberbayern: Dachau, Ebersberg, Fürstenfeldbruck, Garmisch-Partenkirchen, Ingolstadt, Laufen, Miesbach, München, Neuburg an der Donau, Rosenheim, Starnberg, Weilheim und Wolfratshausen, in Oberfranken: Bayreuth, Hof, Kulmbach und Wunsiedel, in der Oberpfalz: Amberg und Schwandorf, sowie in Schwaben: Aichach und Augsburg. Für die kommenden Wochen sind Besuchstermine bei den Amtsgerichten in Coburg, Kaufbeuren, Memmingen, Landsberg am Lech und Weiden verabredet.
„Gerade bei unseren Amtsgerichten sorgen die Richterinnen und Richter, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dank hoher Motivation und großem Einsatz dafür, dass Bayerns Justiz in vielen Bereichen absolute Spitze ist“, veranschaulicht Arloth gegenüber Inn-Salzach blick: „So konnte im letzten Ländervergleich kein anderes Land kürzere durchschnittliche Verfahrensdauern bei amtsgerichtlichen Zivil-, Familien- und Strafverfahren vorweisen. Ich möchte dazu beitragen, dass das so bleibt, und deswegen auch persönlich vor Ort als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Denn wer täglich solchen Einsatz bringt, hat ein offenes Ohr für Fragen und Anliegen mehr als verdient.“
Amtsgericht Rosenheim: Neubauten
Dem Rosenheimer Amtsgericht stattete Arloth erst Ende Februar einen Besuch ab. Mit dem stellvertretenden Direktor Hans-Peter Kuchenbaur und Geschäftsleiter Albert Dirnberger besprach er die derzeitige Situation und Arbeitsbelastung des Rosenheimer Gerichts, erörterte geplante Neuerungen und Zukunftsperspektiven und besichtigte das Grundstück am Beilhack-Gelände, auf dem das neue Justizzentrum entstehen soll. Der erste Bauabschnitt ist mit der Fertigstellung eines Gebäudes für das Betreuungsgericht und das Grundbuchamt abgeschlossen. Weitere Gebäude für die anderen Abteilungen des Amtsgerichts, für Staatsanwaltschaft und Bewährungshilfe sind in der Planungsphase. Besprochen wurden zudem die Vorhaben für einen behindertengerechten Zugang zum Hauptgebäude in der Bismarckstraße und der Einbau eines Aufzugs.
Amtsgericht Mühldorf: Sanierungen
Arloth plant, das Amtsgericht Mühldorf am Inn ebenso wie die südlich und östlich benachbarten Amtsgerichte Traunstein und Altötting im Lauf des Frühjahrs/Frühsommers 2017 zu besuchen. Konkrete Termine werden in den nächsten Wochen vereinbart. „Das Amtsgericht Mühldorf am Inn ist ein wichtiger Justizstandort in Bayern: Als Haftgericht ist es nicht nur für den eigenen Amtsgerichtsbezirk, sondern auch für den Bezirk des Amtsgerichts Altötting zuständig“, erklärt Linden die Bedeutung dieses Besuchs. In den vergangenen Jahren wurde in den Erhalt und die Verbesserung der Gebäude erheblich investiert: Im Jahr 2015 wurde die Sanierung des Flachdaches mit einem Gesamtaufwand von rund 270.000 Euro abgeschlossen und vergangenes Jahr folgte im Rahmen einer energetischen Sanierung die Erneuerung der Heizanlage. Der bauliche Zustand des Amtsgerichts Mühldorf entspreche damit den an einen modernen Gerichts- und Justizbetrieb gestellten Anforderungen, so Linden. Das Amtsgericht sei entsprechend „vollständig barrierefrei erschlossen“ und erfülle die Vorgaben des Regierungsprogrammes „Bayern barrierefrei 2023“.
Olaf Konstantin Krueger
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