Mühldorf am Inn — Die Bündnisgrünen haben zu Ostern mit einem symbolischen Zeltlager an der Innlände an das Schicksal Geflüchteter in Griechenland erinnert. Die Aktion flankiert ihre landkreisweite Kampagne, in deren Folge sich Kommunen zu „sicheren Häfen“ für Geflüchtete erklären sollen. Dabei stellen Ratsmitglieder von Bündnis 90/DIE GRÜNEN koordiniert Anträge auf Mitgliedschaft im „Bündnis Städte sichere Häfen“, um „eine starke Gegenstimme zur Abschottungspolitik der Bundesregierung und der EU“ zu bilden, wie das Ziel des Bündnisses lautet. Bislang wurden in sieben der 31 Städte, Märkte und Gemeinden im Landkreis Anträge gestellt: in Ampfing, Gars a.Inn, Haag i.OB, im Kreistag von Mühldorf a.Inn, in Polling, Schwindegg und der Stadt Waldkraiburg. Der Kreistag von Mühldorf a.Inn und der Gemeinderat von Schwindegg haben das Ansinnen abgelehnt.
„Ich will nicht mehr zuschauen, wenn sogar kleine Kinder sich das Leben nehmen wollen – wir müssen endlich etwas tun“, erklärt Gemeinderätin Lena Koch (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) aus Polling ihren Anstoß für die Antragsserie. Landkreisweit sollen sich Kommunen als „sichere Häfen“ für Geflüchtete positionieren. Derzeit zählt Deutschland 243 solcher „sicheren Häfen“, darunter 21 in Bayern: Aschaffenburg, Schweinfurt und Würzburg im Regierungsbezirk Unterfranken, Erlangen, Fürth, Herzogenaurach, Nürnberg, Schwabach, Wassertrüdingen und Weißenburg in Mittelfranken, Bamberg, Bayreuth, Coburg und Pegnitz in Oberfranken, Regensburg in der Oberpfalz, Aichach in Schwaben, Passau und Straubing in Niederbayern sowie Grafing, München und Tutzing in Oberbayern.
Bewegung „Seebrücke“
Der Antrieb dafür kommt von der im Juni 2018 gegründeten internationalen Bewegung „Seebrücke“. Eigener Darstellung zufolge wird sie „getragen von verschiedenen Bündnissen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft“: „Wir solidarisieren uns mit allen Menschen auf der Flucht und erwarten von der deutschen und europäischen Politik sofort sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind – kurz: Weg von Abschiebung und Abschottung und hin zu Bewegungsfreiheit für alle Menschen.“
Gestützt wird diese „Seebrücke“ unter anderem von dem Aktionsbündnis Bunt statt Braun Saar, der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V., Attac Wiesbaden, der Bayerischen Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte, Black Lives Matter Berlin, Campact e. V., dem Förderverein Pro Asyl e. V., der von der IG Metall unterstützen Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus“, Sea-Eye e. V., Sea-Watch e. V. sowie der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
In der Kreisstadt Mühldorf am Inn starteten die Bündnisgrünen ihre Kampagne mit einer Mahnwache am Stadtwall unter dem Motto „Menschlichkeit jetzt“. Im Kreistag beantragte ihre Fraktion, dass der Landkreis Mühldorf am Inn seine Bereitschaft erklären sollte, aus humanitären Gründen anteilig Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager im griechischen Moria aufzunehmen. Landrat Maximilian Heimerl (CSU) sollte beauftragt werden, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie alle anderen relevanten Stellen im Bund und im Freistaat über die Bereitschaft des Landkreises zu informieren. Doch der Kreistag lehnte den Antrag mit 40:9 Stimmen ab – aus formalen Gründen: Die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen stelle keine Aufgabe des Landkreises dar. „Gemäß § 44 AsylG sind die Länder verpflichtet, die erforderlichen Plätze zur Aufnahme von Personen mit Asylbegehren vorzuhalten“, so der Hinweis der Verwaltung.
Selbstverpflichtung der Kommunen
Dem Online-Musterantrag „Kommune x wird Sicherer Hafen“ unter hafen-mue.de folgend haben die Bündnisgrünen inzwischen weitere Anträge im Landkreis gestellt: in Ampfing, Gars a.Inn, Haag i.OB, in der Kreisstadt Mühldorf a.Inn, in Polling, Schwindegg und der Stadt Waldkraiburg. Der zu individualisierende Musterantrag stellt heraus, dass die betreffende Kommune im Sinne der „Willkommenskultur“ und des „Resettlement“ freiwillig zur Aufnahme zusätzlicher Geflüchteter bereit ist. Blockade und „Kriminalisierung“ der zivilen Seenotrettung sollen umgehend beendet, die auf dem Mittelmeer geretteten Geflüchteten menschenwürdig in Europa verteilt und untergebracht werden. Die Kommune setzt sich zudem für „Bleibeperspektiven“ und gegen Abschiebungen ein, sorgt „für ein langfristiges Ankommen der Schutzsuchenden, indem sie insbesondere in den Bereichen Wohnen, Gesundheit und Bildung alle notwendigen Ressourcen für eine menschenwürdige Versorgung zur Verfügung stellt und ihre gesellschaftliche und politische Teilhabe sicherstellt“. Die Kommune tritt überdies dem Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ bei und „beteiligt sich am Bündnis aller Sicheren Häfen in Europa zur aktiven Gestaltung einer menschenrechtskonformen europäischen Asyl- und Migrationspolitik“.
Die Bündnisgrünen betonen, alle Antragspunkte könnten von der Kommune eigenständig entschieden werden. Insbesondere in der Corona-Krise dürfe niemand zurückgelassen werden, weshalb das symbolische Zeltlager an der Innlände das Schicksal der Geflüchteten vergegenwärtigen sollte. Der nächste dieser Anträge wird in der Kreisstadt befasst, voraussichtlich in der Stadtratssitzung am 29. April.
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