„Bin sprachlos. So an Sauschmarrn hob i ja no nia gherd!“, echauffiert sich Heike auf Facebook: Wegen einer in Bairisch und auf Hochdeutsch verfassten Stellenanzeige wird Rosenheims renommiertem Spielwarengeschäft „Kinderland“ von einer Privatperson mit Abmahnung gedroht. Vermeintliche Grundlage: das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)“ – umgangssprachlich auch „Antidiskriminierungsgesetz“ genannt. Die Kommentare im weltgrößten Sozialen Netzwerk sind eindeutig.
Die „Kinderland Ziegler GmbH“ in Bad Aibling mit Zweigstelle in Rosenheim gehört seit der Gründung 1966 zu den renommierten Spielfachgeschäften im Landkreis. Jürgen Zieglers 13 Fachkräfte sind Spielwaren-Profis, die Kundenbindung ist eng, das Sortiment umfangreich – und er sucht aktuell für die Rosenheimer Filiale eine passende Verstärkung in Vollzeit.
Stellenanzeige
Getreu dem Firmen-Slogan „original – bayrisch – gut“ auf der Website kinderland-ziegler.de gestaltet Geschäftsführer Ziegler eine Stellenanzeige, in der er eine Mitarbeiterin sucht, und verfasst die Annonce sowohl in Bairisch als auch in Hochdeutsch. Darin sind unter anderem als Voraussetzungen formuliert: „Boarisch redn und schreibm soisd scho kenna – Deutsche Sprache in Wort und Schrift“, „An Spaß soist hom, beim Kenalerna von unsam Spuisach – Einsatzbereitschaft beim Erlernen unseres Sortimentes“, „A Gaudi soist mid unsere Kundn macha kenna – Sympathischer Umgang mit unsern Kunden“, „Derfst fei scho a’ fesch Ausschaung – Adretts Erscheinungsbild ist nicht von Nachteil“, „De Werklarei is ned jede woch gleich – Flexible Arbeitszeitgestaltung“, „Wennst guad bist, nacha grigst a mera Diridari – Leistungsabhängige Bezahlung“.
Kaum auf Facebook unter facebook.com/Kinderland-Ziegler veröffentlicht, schickt User Zvonimir eine E-Mail und notiert, „hiermit melde ich ich mich im Aussergerichtlichem schreiben, wegen Verstoßes gegen das AGG bei Ihnen, wegen Diskriminierung. Als Beweis habe ich ein Screenshot Ihrer Anzeige, wo es um das Geschlecht und um die Sprache geht. Ich hoffe wir können uns gütlich einigen. Bitte um Vergleichsvorschlag. Mit freundlichen Grüßen“. Ziegler passt die Stellenanzeige umgehend geschlechtsneutral an, belässt sie jedoch mit regionalem Bezug. An den Nutzer gewandt schreibt er auf Facebook: „Bei uns in Bayern gibt es noch so etwas wie Tradition und Mundart in Wort und Schrift – hier wird nicht gleich ein jeder wie sie behaupten denunziert. Für Menschen, die der bayerischen Sprache nicht mächtig sind, haben wir eine Übersetzung dazu geschrieben, ist das strafbar?“
Diskriminierungsschutz
Ziel des am 14. August 2006 in Kraft getretenen „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“ ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Gleichwohl ist gemäß AGG eine unterschiedliche Behandlung durchaus zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile verhindert werden.
Dass Dialekte diskriminierten, erklärt das AGG nicht. Vielmehr werden Mundartsprecher mitunter ihrerseits laut dem Augsburger Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Werner König diskriminiert: Für die Handreichung „Dialekte in Bayern“ des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst hebt König hervor, Diskriminierungen von Mundartsprechern „sind nicht einfach als Kleinigkeit abzutun. Die Sprachfertigkeit ist eine Schlüsselqualifikation in einer Wirtschaftswelt, die immer mehr von Dienstleistungen geprägt ist. Sprachliche Fähigkeiten sind zentraler Bestandteil der Beurteilung, wenn es um die Verteilung beruflicher und sozialer Chancen geht.“
„Anzeige sauguad“
Dies schwingt auch in manchen Facebook-Kommentaren mit: „Des war endlich amoi a gscheide und witzige Stellenanzeige! Pfui deife sog i do nur in meiner Landessprache“, schreibt Heike. Tom sekundiert: „Geh weida über wos ma sie ois aufreng konn? Mia San Bayern und in Bayern Red und schreibt ma a so! I hob die Stellenanzeige subba gfundn.“ Simone unterstreicht: „I fand de Anzeige sauguad … sauba Kinderland … weida so.“ Und Daniel postuliert: „Es gibt Leute, die Formfehler in Stellenanzeigen suchen, um dann wie in diesem Fall Geld zu verdienen, indem sie auf Schadenersatz machen. Ganz arme Leute. Gibt mehr von der Sorte.“ So empfiehlt Soeren: „Einfach ignorieren. Es liegt keine Berechtigung zur Abmahnung vor mangels Aktivlegitimation.“
Aktivlegitimiert ist derjenige, der Inhaber des geltend gemachten Rechts ist – fehlt die Aktivlegitimation, so wird die Klage als unbegründet abgewiesen. „Kinderland“-Geschäftsführer Ziegler jedenfalls will bei weiterem Schriftverkehr diesen über eine Anwaltskanzlei führen lassen. Auf die Stellenanzeige sind inzwischen einige Bewerbungen bei Ziegler eingegangen und seit der Schaltung am 1. Juli drei Bewerbungsgespräche in der Rosenheimer Filiale geführt worden.
Olaf Konstantin Krueger
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