Ein Sommermärchen: Ein Volk von veganen Radfahrern
Foto: Manuela Graßl
Prosepkt Box

Ein Sommermärchen: Ein Volk von veganen Radfahrern

Angesichts des politischen Versprechens, die EU bis 2050 als ersten Kontinent beim Kohlendioxid (CO2) neutral wirtschaften zu lassen und die Rede von Ursula von der Leyen nach ihrer Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission noch im Ohr, wird klar: Dies sind keine Aktivitäten, um Medien übers Sommerloch zu helfen. Es geht ums Klima – ums meteorologische und um das in unserer Gesellschaft.

Wir werden alle zu veganen Radfahrern
„Wir werden alle zu veganen Radfahrern, die in ihrem Jahresurlaub beim Wandern im deutschen Wald Plastikmüll sammeln“ – Vor ein paar Wochen in ländlicher Umgebung noch Satire, könnte derselbe Satz vor einem städtischen Publikum heute schon zustimmenden Applaus auslösen.
So groß ist die moralische Wucht, mit der moderne Helden wie Greta Thunberg ihre Sache vertreten, mit freundlicher und dankbarer Unterstützung der gesamten Infotainment-Branche.
Die Zukunft wird vermutlich zeigen, wie viel Zeit wir ungenutzt verstreichen ließen, seit der Begriff Klimawandel auf die Tagesordnung drängte. Heute leben wir mit der Gewissheit, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt. Besonders die Europäer sind überzeugt, dass sie sich keine falschen Entscheidungen mehr leisten können.

Polarisieren geht vor analysieren
Lebten wir in einer idealen Gesellschaft, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, sich zusammenzusetzen, gemeinsam zu analysieren, zu diskutieren und zu entscheiden. Aber wir agieren in einem durch und durch polarisierten Umfeld, in dem auch gestandene politische Parteien in populistischen Positionen verfallen. Gerade ist dieses Sentiment wieder bei dem Gerangel um eine CO2-Steuer, die CO2-Grenzwerte an sich und bei der Frage zu erleben, wer eigentlich am besten für die Rolle des Schwarzen Peter geeignet ist.
Eine Folgenabschätzung zu den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgewirkungen des Klimaschutzes findet meist nach den am lautesten öffentlich vertretenen Gesichtspunkten statt. Schon lange hält sich das Auto bei den politisch unkorrekten Themen ganz oben, manchmal nur noch übertrumpft vom Fleisch, dem Fliegen und nach Bedarf auch andere Bereiche unseres persönlichen Lebens.

Demokraten handeln anders
Wie die Debatten heute laufen, lässt sich getrost als Hinweis darauf werten, dass wir doch nicht die guten Demokraten sind, für die wir uns gehalten haben. Wir befassen uns nicht mit den Argumenten der Gegenseite. Wir bekämpfen sie – und das nicht nur im Hinblick auf die Umwelt: Killerphrasen schlagen jeden Diskussionsbeitrag.

Dennoch: Es gibt einen Grundkonsens in unserer Gesellschaft, der auch in Sachen grüne Debatten Gültigkeit behält. Jetzt, da es um wirklich zukunftsweisende Entscheidungen geht, sollten wir uns an ein paar Grundsätze oder Werte wieder erinnern. Es sind nur fünf:

1) Wir wollen unseren Wohlstand erhalten sehen und alle Ressourcen mit dem kleinsten möglichen Effekt auf unsere Umwelt nutzen.

2) Wir wollen unsere persönliche Freiheit und unsere Mobilität gewahrt und respektiert sehen.

3) Wir wollen keine Kernenergie mehr. In Abwägung der Vor- und Nachteile für die Umwelt sind die technischen Risiken zu groß und das Endlagerproblem ungelöst.

4) Wir wollen die Energiespeicher Kohle und Erdöl nicht mehr einfach nur verbrennen. Die Abfallprodukte sind für uns schädlich und fördern den Treibhauseffekt.

5) Wir wollen eine Energieversorgung ohne Konfliktpotenzial. Weder wollen wir Potentaten stützen, noch Staaten oder Unternehmen finanzieren, die Menschenrechte nicht beachten oder auf Kosten der Umwelt wirtschaften.

Natürlich wollen wir auch gute Nachbarn sein. Wobei viele aber hin- und hergerissen sind. Auf der einen Seite sehen wir uns gerade beim Umweltthemen gern in der Position des Vorbilds. Auf der anderen Seite hat uns die Geschichte gelehrt, dass wir uns unseren Nachbarn gegenüber nicht zu dominant verhalten sollten.

Wir bauen zwar die besten Autos, aber gut finden wir das nicht. Das schlechte Gewissen sitzt so tief, dass wir uns sogar immer wieder unwidersprochen sagen lassen, die deutsche Automobilindustrie hinke technologisch hinterher. Wir haben es sogar zugelassen, dass der Staat gleich zwei Mal unsere Autos teilenteignete – erst bei der Feinstaubplakette, dann bei den Fahrverboten.

Von Peter Schwerdtmann – ampnet/Sm

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