Die „neue Normalität“ am Amtsgericht Rosenheim
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Die „neue Normalität“ am Amtsgericht Rosenheim

Mühlen der Justiz mahlen weiter – auch in Zeiten von Corona.

Trotz Corona arbeitet die Justiz weiter. Zwar herrscht auch am Amtsgericht Rosenheim Notbetrieb – aber wichtige Verhandlungen finden dennoch statt. „Bei solchen Terminen sind geladene Beteiligte dann auch zum Erscheinen verpflichtet“ betont der Direktor des Amtsgerichts Peter. „Selbstverständlich sind wir dabei bestrebt, unseren Beitrag zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu leisten.“

Um das Ansteckungsrisiko für Verfahrensbeteiligte, Mitarbeiter und Richter zu minimieren, arbeiten alle Angehörigen des Gerichts seit Wochen im Schichtbetrieb. Vieles geht auch von zu Hause aus im Homeoffice. Zudem wurde der Sitzungsbetrieb stark eingeschränkt, sodass im April wesentlich weniger Sitzungen stattfanden.

Dies geht auf die dringende Bitte der Justizverwaltung zurück, den Sitzungsbetrieb bis auf das Kerngeschäft herunterzufahren. Wegen der richterlichen Unabhängigkeit ist es dabei aber Aufgabe jedes einzelnen Richters, in seinen Fällen zu entscheiden, ob und wann ggf. mit welchen Beteiligten eine Verhandlung stattfindet. Ein Weisungsrecht der Verwaltung oder des Ministeriums gibt es nicht.

Positives Zwischenfazit
„Auch wenn derzeit eine vollständige Rückkehr zum Normalbetrieb noch nicht absehbar ist, möchte ich im Rahmen einer kurzen Zwischenbilanz allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gerichts herzlich für die bislang während der Corona-Pandemie geleistete Arbeit danken. Im Allgemeinen steht die Tätigkeit der Justiz ja nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Justiz sucht die Öffentlichkeit nicht, braucht sie aber auch nicht zu scheuen. Das gilt gerade dann, wenn ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in Krisenzeiten erhöhten gesundheitlichen Risiken aussetzen, um zu gewährleisten, dass das öffentliche Leben auch in der Krise in geordneten rechtsstaatlichen Bahnen fortgeführt werden kann“, erklärt Peter.

„Um das sicherzustellen, müssen Straftäter weiterhin dingfest gemacht und gegebenenfalls durch richterliche Entscheidung inhaftiert werden. In Scheidungsverfahren muss das Gericht in dringenden Fällen auch während der Krise Eilentscheidungen erlassen, die das Wohl von Kindern betreffen. Betreuungsrichterinnen und -richter müssen Betroffene anhören, wenn es um notwendige Freiheitsentziehungen geht. Auch in Zivilsachen stehen oft dringliche, unaufschiebbare Entscheidungen an. Bei den dafür gesetzlich vorgeschriebenen Verhandlungen im Gericht und bei den Anhörungen in Kliniken und Alten- und Pflegeheimen setzen sich die beteiligten Justizangehörigen einem erhöhten Infektionsrisiko aus.“ so Peter weiter.

Hygienekonzept eingeführt
Weil also nicht alle Termine abgesetzt oder verschoben werden können, wurde mittlerweile ein Hygienekonzept umgesetzt. Danach sind alle Gerichtsangehörigen und Verfahrensbeteiligten verpflichtet, in den öffentlich zugänglichen Bereichen des Gerichts einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) zu tragen und den Mindestabstand von 1,50 Meter einzuhalten. Im Sitzungssaal entscheidet dann der zuständige Richter, ob die MNS-Maske abgenommen werden kann. Weiter werden Tische, Stühle und Türklinken der Sitzungssäle täglich nach Dienstschluss desinfiziert. Zusätzliches Desinfektionsmittel steht bei Bedarf zur Verfügung.

Schriftliches Verfahren ausgeweitet
Wo irgend möglich prüfen die zuständigen Richter zudem, ob ein Verfahren auch ohne Termin zum Abschluss gebracht werden kann. „Ein solches Vorgehen kommt vor allem im Zivilrecht, teilweise auch im Familienrecht in Betracht. Es setzt aber in der Regel die Zustimmung der Beteiligten voraus“ so Richter Bühl, Pressesprecher des Gerichts.
Kaum mündliche Verhandlungen fanden dementsprechend in letzter Zeit in Zivilverfahren statt. „Oft kann hier ins schriftliche Verfahren übergegangen werden oder dem zuständigen Richter gelingt es, auf eine Beendigung des Verfahrens durch Vergleich hinzuwirken“ erklärt Richter Teubner, Leiter der Zivilabteilung.

Schwieriger ist der Verzicht auf eine Verhandlung im Strafverfahren umzusetzen. Zwar kommt eine Beendigung des Verfahrens unter Umständen auch durch einen Strafbefehl in Betracht. Aber wenn strittig ist, ob eine Straftat überhaupt begangen wurde, wenn die Verhängung einer Freiheitsstrafe im Raum steht, oder wenn sich ein Angeklagter in Haft befindet, bleibt die Durchführung einer Hauptverhandlung unerlässlich. „Die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit haben in solchen Fällen ein berechtigtes Interesse daran, dass Taten schnell, transparent und öffentlich verhandelt werden. Und das tun wir selbstverständlich auch in Zeiten von Corona“, so Richter Kuchenbaur, stellvertretender Direktor des Gerichts und Leiter der Strafabteilung. Solche Verhandlungen können dann natürlich auch nicht einfach bis auf weiteres verschoben werden.

Ähnlich verhält es sich im Familienrecht jedenfalls dann, wenn eine Kindeswohlgefährdung im Raum steht oder – Stichwort häusliche Gewalt – über Eilmaßnahmen im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens zu entscheiden ist. Zwar sieht das Verfahrensrecht hier die Möglichkeit einer zunächst schriftlichen Entscheidung des Gerichts ohne Verhandlung vor. Wird diese Entscheidung aber – weil sie z. B. zur Trennung von Eltern und Kindern oder zum Verlust der Wohnung führt – von einem Beteiligten nicht akzeptiert, so kann dieser die Durchführung einer Verhandlung beantragen.

„In aller Regel ist dann eine zeitnahe Anhörung der Beteiligten unerlässlich, besonders wenn es um den Schutz der Kinder oder um den Schutz vor häuslicher Gewalt geht“ unterstreicht Richter Magiera, Leiter der Familienabteilung.

Ebenfalls schwer umsetzbar ist ein Verzicht auf Anhörungen im Betreuungsrecht. Zwar finden hier nur selten Termine mit mehreren Beteiligten bei Gericht statt. Dafür besuchen die zuständigen Richter Betroffene in der Regel in deren Wohnung – also z. B. Demenzpatienten in der Pflegeeinrichtung oder psychisch kranke Betroffene in ihren Wohngruppen.
Gerade solche Besuche können aktuell aber aus Gesundheitsschutzgründen häufig nicht ohne Weiteres stattfinden – z. B. weil ein Betroffener oder ein Mitbewohner der Station an CoVid – 19 erkrankt ist und daher entsprechende Betretungsverbote und Quarantänemaßnahmen gelten.
In solchen Fällen ist dann Kreativität gefragt, um den Betroffenen einerseits rechtliches Gehör zu gewähren, das Verfahren aber andererseits auch zügig voranzutreiben. Denn über die Zulässigkeit einer geschlossenen Unterbringung oder einer Fixierung ist schnellstmöglich zu entscheiden.

Rechtsantragsstelle weiter geöffnet
Keine Einschränkungen gibt es bei den Öffnungszeiten der Rechtsantragsstelle. Wenn möglich, sollten Anträge und Erklärungen zwar schriftlich gestellt werden. Ist dies aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich, dann besteht unverändert täglich zwischen 8 Uhr und 12 Uhr die Möglichkeit, entsprechende Anträge auf der Rechtsantragsstelle des Gerichts protokollieren zu lassen.

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