Coronavirus-Epidemie hat regionale Folgen – Huml: „Ausbreitung verlangsamen“
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Coronavirus-Epidemie hat regionale Folgen – Huml: „Ausbreitung verlangsamen“

Rosenheim/Mühldorf am Inn – „Wir sind am Anfang einer Epidemie“, verdeutlicht der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. Das RKI registriert für alle Bundesländer 1.567 COVID-19-Infizierte, darunter drei Todesfälle in Nordrhein-Westfalen. „Die Coronakrise ist voll in Bayern angekommen“, konstatiert auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU). In Bayern sind 366 Infizierte bekannt, in Stadt und Landkreis Rosenheim neun, im Landkreis Mühldorf am Inn derzeit niemand. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) ruft jetzt die Bürger zur Kooperation bei der Eindämmung des neuartigen Coronavirus auf: „Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, dafür zu sorgen, dass sich die Ausbreitung des Virus möglichst verlangsamt“. Indes ergreifen Behörden und Politik außergewöhnliche Maßnahmen. Selbst in Südostoberbayern sind die Konsequenzen weitreichend.

„Das Virus ist in Europa angelangt, es ist da, das müssen wir alle verstehen“, erklärt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Zentrale Aufgabe sei nun, die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 einzudämmen, denn noch gebe es keine Therapie, keinen Impfstoff. Bleibe dies so, könnten Angaben von Experten zufolge 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung infiziert werden, so Merkel. Nach der Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), deshalb Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abzusagen, zeigen sich die Wirkungen bis tief in die Region.

Beispiel Hochschulen. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) hat alle größeren Veranstaltungen bis Ende April abgesagt, Dienstreisen eingeschränkt oder durch digitale Formate ersetzt. Im Fokus der Maßnahmen stehe der Schutz der Stipendiaten, beteiligten Partnern und Beschäftigten sowie der Fortgang des Fördergeschäfts. Das bayerische Kabinett hat den Start des Sommersemesters 2020 an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften und an den Kunst- sowie Musikhochschulen auf den 20. April verschoben. Dadurch wird der Beginn an den Start des Sommersemesters an den Universitäten im Freistaat angeglichen. Lehrveranstaltungen, die von der Verschiebung des Vorlesungsbeginns betroffen sind, sollen nachgeholt werden, damit alle Studierenden die im Sommersemester 2020 vorgesehenen Studienleistungen erbringen können. In der Region hat die Technische Hochschule Rosenheim zudem den Infoabend am Campus Burghausen am 11. März genauso abgesagt wie den Kunststofftechnologietag am 13. März, den Astro-Vortrag „Lichtverschmutzung“ am 19. März und den „Schnuppertag“ für Studieninteressierte am 7. April. Der „Klimafrühling 2020“ ist verschoben auf den 16./17. Oktober.

Beispiel Schulen. Schulen mit bestätigter Infektion werden zumeist vorübergehend dichtgemacht. So bleibt das Karolinen-Gymnasium in Rosenheim bis zum 20. März geschlossen. Laut Staatliches Gesundheitsamt Rosenheim wurden zwei Schüler positiv getestet: Die beiden sind Geschwister und im Landkreis beheimatet. Der Abitur-Jahrgang aus einem anderen Gebäude darf indes auf freiwilliger Basis weiterhin in den Unterricht gehen und die Vorbereitungen auf die Abiturprüfungen fortsetzen. Mittlerweile zählt Rosenheim neun infizierte Personen, bis auf einen Gast aus Nordrhein-Westfalen waren die meisten zuvor in Südtirol. Der Landkreis hat ein Bürgertelefon eingerichtet unter der Rufnummer 08031/3925555, erreichbar montags bis freitags von 8 Uhr bis 16 Uhr, samstags von 8 Uhr bis 12 Uhr.

Beispiel Sport. Den Geisterspielen der Fußball-Bundesliga ist inzwischen der Saisonabbruch durch die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) und die Deutsche Eishockey-Liga (DEL2) gefolgt. Einen Meister wird es hier erstmals nicht geben. Die Oberliga zog nach. Der Starbulls Rosenheim e.V. hatte den Vorverkauf für das Playoff-Achtelfinalspiel 2 in Rosenheim am 15. März bereits gestoppt. „Die Absage der Playoffs und das damit einhergehende sofortige Saisonende ist für die gesamte Liga und auch für unseren Verein ein großer Schock“, sagt Erster Vorstand Marcus Thaller. „Geisterspiele waren von Anfang an für keinen Klub eine Alternative, aber auch Spiele vor weniger als 1.000 Zuschauern wären eine extrem schmerzhafte Situation für Verein, Fans und Sponsoren gewesen.“ Durch die entfallenden Einnahmen bei den Heimspielen der Playoffs sowie den ebenfalls abgesagten Nachwuchsturnieren würden die Starbulls allerdings „massive finanzielle Verluste erleiden“. Der Verein bittet daher Fans und Sponsoren um Verständnis und hofft, sie stehen ihm „gerade jetzt in dieser schwierigen Lage weiterhin alle treu zur Seite steht“, so Thaller.

Kulturveranstaltungen werden abgesagt

Das bayerische Kabinett hat beschlossen, dass staatliche Theater, Konzertsäle und Opernhäuser im Freistaat bis zum Ende der Osterferien geschlossen bleiben. Mit dieser Maßnahme könnte nach den Worten des Staatsministers für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler (CSU), wertvolle Zeit gewonnen werden: „Wir wollen das Gesundheitssystem entlasten und die Bevölkerung schützen. Selbstverständlich beobachten wir die Entwicklung sehr genau und steuern nach, wenn dies notwendig sein sollte.“

In der kreisfreien Stadt Rosenheim hat die Auerbräu GmbH das Rosenheimer Starkbierfest abgesagt. Die Stadt begrüßt die Entscheidung, denn die Brauerei trage damit der verschärften Risikobewertung des Gesundheitsamtes Rechnung. In Raubling entfällt das dortige Starkbierfest. „Ein Starkbierfest ist hier ein großer Risikofaktor“, erklärt der Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes, Dr. Wolfgang Hierl, die Maßnahme. Grund: Erkrankungen, die mit geringer Symptomatik verliefen, blieben unerkannt, doch die betroffenen Personen könnten das Virus weiter verbreiten. Die Untersagung diene dem Schutz der Bevölkerung. Mit gleichem Grund ist in Bruckmühl der Josefi-Markt mit verkaufsoffenem Sonntag am 15. März abgesagt worden. Weitere Veranstaltungen wie beispielsweise das Meisterkonzert im Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum mit Olga Scheps oder die beiden Konzerte von Pianistin Johanna Bufler im Kurhaus-Konzertsaal in Bad Aibling fallen ebenfalls aus, das Kleine Theater Haar etwa ist bis zum 19. April geschlossen. Kulturinteressierte sind gut beraten, sich zu erkundigen, ob eine Veranstaltung stattfindet.

Die Kreisstadt Mühldorf am Inn hat mit Verweis auf die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus‘ alle Veranstaltungen im Haberkasten, Stadtsaal und in der Stadtbücherei abgesagt, auch der Mittefastenmarkt am 24. März und der verkaufsoffene Sonntag am 29. März finden nicht statt. Begründung: Die Kreisstadt sei als Untere Sicherheitsbehörde gemeinsam mit dem Landratsamt Mühldorf am Inn als Kreisverwaltungsbehörde gefordert, für Veranstaltungen Risikobewertungen vorzunehmen. Und auf Empfehlung des Gesundheitsamtes würden auch Veranstaltungen mit weniger als 500 Teilnehmern abgesagt.

In der Stadt Waldkraiburg ist das Streetfoodfestival am 14./15. März auf dem Sartrouvilleplatz auf Empfehlung des Gesundheitsamtes vom Veranstalter abgesagt worden. Auch der für den 15. März in Waldkraiburg geplante Josefimarkt ist abgesagt. Da laut Stadtverwaltung hiermit die Voraussetzungen des verkaufsoffenen Sonntags nach der Verordnung vom 13. Dezember 2019 über das Offenhalten von Verkaufsstellen nicht mehr vorliegen, kann auch dieser nicht stattfinden. Andere Veranstaltungen an diesem Wochenende fänden statt. Rama Dama am 28. März entfällt hingegen. Überdies sind alle Veranstaltungen im „Haus der Kultur“ und im „Haus des Buches“ bis einschließlich 19. April abgesagt. „Wir bedauern diese Entscheidung sehr, aber die Gesundheit unserer Besucher steht für uns an erster Stelle“, betont der Erste Bürgermeister Robert Pötzsch (UWG). Für den „Saftladen“ gibt es vom Veranstalter keine Ersatztermine. Für alle weiteren Veranstaltungen ist das Team des „Haus der Kultur“ bemüht, Ersatztermine zu finden. Gekaufte Tickets werden zurückerstattet.

Wirtschaft klagt über Einbußen

Veranstaltungsabsagen treffen die heimische Wirtschaft. „Hotellerie und Gastronomie, Handel und Freizeiteinrichtungen in München bekommen das Virus bereits mit zum Teil gravierenden Umsatzeinbußen zu spüren“, erklärt Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK). Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammern unter knapp 1.000 bayerischen Unternehmen erwarten über 80 Prozent der Betriebe in den kommenden Wochen geschäftliche Auswirkungen der Epidemie. Die Hälfte der Firmen rechnet mit teilweise empfindlichen Umsatzeinbußen für das Geschäftsjahr 2020. Pessimistischer fallen die Rückmeldungen der Firmen in Oberbayern aus – wegen der Nähe zu Italien und der besonders durch Exporte und das Messegeschäft geprägten Wirtschaft: Hier erwarten sogar 53 Prozent der Betriebe Umsatzrückgänge, mehr als ein Viertel sogar erhebliche Umsatzeinbußen von mehr als zehn Prozent. Gößl appelliert: „Das öffentliche Leben und das Wirtschaftsleben darf nicht zum Stillstand gebracht werden.“ Als Hilfe für die Wirtschaft fordert Gößl von der Politik die sofortige Reaktivierung der Kurzarbeiterregelung wie der Kreditabsicherung zu Zeiten der Finanzkrise sowie die zinsfreie Stundung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen.

Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern e. V. (DEHOGA Bayern) hält die Auswirkungen der Coronakrise nach Aussage von Landesgeschäftsführer Dr. Thomas Geppert sogar für „existenzbedrohend“: „Was viele noch nicht begriffen haben, ist: Heute sind es die Restaurants und Hotels, die schließen müssen, morgen alle vom Gastgewerbe und Tourismus abhängigen Zulieferer und Dienstleister“, präzisiert Geppert. Das Gastgewerbe sei einer der wichtigsten regionalen Wirtschaftsmotoren und Grundvoraussetzung für den Tourismus. „Brechen hier die Betriebe weg, wird es alle darauf aufbauenden Unternehmen nicht mehr geben.“

Der „BVIK – Industrie-Verband für Kommunikation und Marketing“ warnt ebenfalls vor „immensen, noch unabsehbaren, aber vielfach existenzbedrohenden Folgen der Absagen und Verschiebungen von Großveranstaltungen“. Die rund 220 Firmenmitglieder des Verbandes stünden teils vor schwer lösbaren Herausforderungen: Allein für den Bereich Messebau habe das „Research Institute for Exhibition and Live-Communication (R.I.F.E.L.)“ den Schaden auf 670 Millionen Euro, den Gesamtschaden der Messewirtschaft sogar auf über 1,6 Milliarden Euro beziffert. Dabei liegt das jährliche Umsatzvolumen der Messeveranstalter in Deutschland bei rund vier Milliarden Euro. Selbst die knapp 21.000 Taxiunternehmer in Deutschland verzeichnen bereits einen Nachfragerückgang und Umsatzeinbußen. Der Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi und Mietwagen, Michael Oppermann, warnt daher, für kleine Unternehmen könne die Corona-Epidemie existenzbedrohend werden.

Kommunalwahlkampf eingeschränkt

In der Krise stockt auch der Kommunalwahlkampf. Die CSU Rosenheim-Stadt hat alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt: „Die Gesundheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger steht im Vordergrund“, erklärt CSU-Kreisvorsitzender Herbert Borrmann den Schritt. In Rimsting hat die CSU die Josefifeier abgesagt. Die FDP hat sämtliche öffentliche Veranstaltungen des Landesverbandes bis auf weiteres gestoppt. Davon betroffen sind auch die „Townhall-Meetings“ mit dem Bundesvorsitzenden Christian Lindner in Augsburg, Ingolstadt, Nürnberg und Erlangen sowie der Landesparteitag am 21./22. März in Hirschaid. Die Rosenheimer Sozialdemokraten verzichten komplett auf ihren Straßenwahlkampf. „Für uns als Rosenheimer SPD gilt: Die Sicherheit geht vor“, erklärt Oberbürgermeisterkandidat Robert Metzger. Die Vorsitzende des SPD-Unterbezirks, Elisabeth Jordan, appelliert: „Jeder ist nun dazu aufgerufen, sich selbst und seine Nächsten vor einer Ansteckung zu schützen. Händeschütteln am Infostand oder an den Haustüren, eben all’ das, was für uns zu einem bürgernahen Wahlkampf dazugehört, widerspricht diesem Gebot der Stunde.“

Die Bündnisgrünen im Landkreis Mühldorf am Inn haben „in enger Rücksprache mit der Landes- und Bundesebene“ beschlossen, den Wahlkampf „stark zu reduzieren“. Laut Landratskandidatin und Kreisrätin Cathrin Henke sind der Haustürwahlkampf, alle für drinnen und draußen geplanten Aktionen sowie die öffentliche Wahlparty am 15. März abgesagt. „Damit wollen wir unseren Beitrag dazu leisten, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen und ältere und schwächere Menschen zu schützen. An unseren Infoständen haben interessierte Bürgerinnen und Bürger weiterhin die Möglichkeit, sich über unsere Inhalte zu informieren und Fragen zur Kommunalwahl zu klären“, erläutert Henke. Die Bündnisgrünen aus Stadt- und Landkreis Rosenheim verzichten ebenfalls auf den Haustürwahlkampf und haben ihre Kreisversammlung mit Delegiertenwahlen auf Anfang April verschoben. Laut der Kreisvorsitzenden Steffi König sind die Bündnisgrünen in der Wahlkampfendphase „besonders im Internet sichtbar und ansprechbar“. Und die Umweltaktivisten der Bewegung „Fridays for Future“ haben ihre Demonstrationen vorerst eingestellt. Stattdessen rufen sie dazu auf, an möglichst vielen Orten selbstgemalte Demo-Schilder aufzustellen, zu fotografieren und über die sozialen Medien zu teilen.

Vorbeugungsmaßnahmen und Hygieneregeln

Das humane Coronavirus (SARS-CoV) verursachte 2003 das „Schwere Akute Respiratorische Syndrom (SARS)“. Aktuell ist das neuartige mit SARS verwandte Coronavirus (SARS-CoV-2) weltweit aktiv und für bestimmte Risikogruppen lebensbedrohlich. Kliniker in Wuhan, wo die ersten Krankheitsfälle Anfang Dezember 2019 auftraten, warnen, dass die Ansteckung nicht nur über Atmung und Tröpfcheninfektion, sondern auch über fäkale Routen erfolgen kann. Darüber hinaus wären orale Proben nicht ausreichend, um infektiöse Patienten zu erkennen, weshalb serologische Tests ergänzt werden sollten.

Derweil bleiben Vorbeugungsmaßnahmen wichtig wie der Verzicht auf Handschlag und Umarmung. Einfache Hygieneregeln, insbesondere häufiges, intensives Händewaschen, helfen, eine Infektion zu vermeiden. Beim Husten und Niesen werden über Speichel und Nasensekret Krankheitserreger versprüht. Sie werden durch Tröpfcheninfektion auf andere Personen übertragen. Daher ist beim Husten und Niesen ein Mindestabstand von 1,5 Metern zur nächsten Person zu wahren, sich dabei umzudrehen und in die Armbeuge zu niesen/husten. Bei Verdacht auf eine Erkrankung ist ärztlicher Rat einzuholen. Zur Stärkung des Immunsystems empfehlen Allgemeinmediziner gerade den besonders gefährdeten Älteren Vitamin-D-Präparate, Obst und Gemüse, ausreichend Schlaf, körperliche Bewegung an der frischen Luft und gegebenenfalls Rachenspülungen.

Erleichterung für Arbeitnehmer: Patienten mit leichten Atemwegserkrankungen können sich nach telefonischer Rücksprache mit ihrem Arzt bis zu sieben Tage krankschreiben lassen. Der Besuch einer Arztpraxis ist nicht mehr erforderlich. Darauf haben sich die „Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)“ und der „Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband)“ verständigt. Die Regelung gilt für Patienten, die keine schwere Symptomatik aufweisen oder offizielle Kriterien für einen Verdacht auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus erfüllen. Diese Vereinbarung gilt zunächst für vier Wochen.

Der Blickpunkt informiert Sie aktuell auf seiner Facebook-Seite über die weitere Entwicklung.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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