Corona-Krise beeinträchtigt Freizeitbranche: Fitnessclubs und Tanzschulen bangen um Existenz
Leer wegen der Kontaktbeschränkungen während der Corona-Krise: ein Fitnessstudio von Inhaber Thomas Viola. Foto: X-Fit
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Corona-Krise beeinträchtigt Freizeitbranche: Fitnessclubs und Tanzschulen bangen um Existenz

Rosenheim/Mühldorf am Inn – „Die Fitness- und Gesundheitsbranche muss sich endlich Gehör verschaffen, sonst wird es sie in den nächsten Jahren nicht mehr geben“, warnt Thomas Viola, Inhaber der „X-Fit“- und „X-Pack“-Fitnessclubs. Der Unternehmer betreibt Studios in Rosenheim Stadt, Prien, Miesbach, Trostberg, Altötting und Wörgl in Tirol. Er hat sich an die Bürgermeister dieser Kommunen mit einem Appell zur weiteren Lockerung der Beschränkungen gewandt. Die Corona-bedingten Schließungen und Kontaktbeschränkungen setzen die Freizeitbranche generell massiv unter Druck – insbesondere Fitnessclubs und Tanzschulen warten auf Erleichterungen. Deren Betreiber haben Existenzsorgen, werden nervös, konstatiert Dr. Christoph Franke, Fachanwalt für Arbeits- und Verwaltungsrecht. Er betont dabei ihren Beitrag zur „erfolgreichen Bekämpfung der Corona-Pandemie“.

„Katastrophal“ ist die Stimmung unter den deutschen Unternehmen, erklärt das „ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.“. Der Lockdown hat laut der Münchner Forschungseinrichtung zu einer massiven Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage geführt: Der monatlich ermittelte ifo-Geschäftsklimaindex sank im April, dem Monat des kompletten Lockdowns, von 85,9 Punkten im Vormonat auf nun 74,3 Punkte. Die Unternehmen blickten noch nie so pessimistisch auf die kommenden Monate. Und rund ein Fünftel der Unternehmen hat beschlossen, Jobs abzubauen. Fazit: Die Corona-Krise trifft die Wirtschaft „mit voller Wucht“.

Bund und Länder versuchen gegenzusteuern, haben am 6. Mai teilweise die wegen der Corona-Pandemie auferlegten Beschränkungen gelockert. Unter Wahrung der Hygiene-Vorschriften und vorbehaltlich weiter sinkender Infektionen sind danach beispielsweise erlaubt: Schulbetrieb einschließlich „Lernen zuhause“, Friseurbesuche ausschließlich „gesichtsnahe Dienstleistungen“ wie Augenbrauen- und Wimpernfärben sowie Bartpflege, Museumsbesichtigungen und Gottesdienste unter Einhaltung der Abstandsregelungen, „Geisterspiele“ der Fußball-Bundeliga. In drei Stufen werden ab 18. Mai die Außengastronomie, ab 25. Mai Speiselokale und ab 30. Mai Beherbergungsbetriebe unter speziellen Auflagen öffnen dürfen. Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht bleiben indessen in Kraft.

Grundlage der Einschränkungen im Freistaat ist die „Vierte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (4. BayIfSMV)“ vom 5. Mai, die bis zum 29. Mai in Kraft ist. Ihr zufolge ist weiterhin jeder angehalten, physische Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands „auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren“. Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 Metern einzuhalten und eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen (Maskenpflicht). Außerdem: „Vereinsräume, Tagungs- und Veranstaltungsräume, Clubs, Diskotheken, Badeanstalten, Thermen, Wellnesszentren, Saunas, Jugendhäuser, Freizeitparks, Stadtführungen, Fitnessstudios, Tanzschulen, Vergnügungsstätten, Bordellbetriebe und vergleichbare Freizeiteinrichtungen sind geschlossen“ zu halten (§ 11 4. BayIfSMV). Für Unmut sorgt indes die bundesweit uneinheitliche Handhabung der Restriktionen.

Franke: „Fitnessclubs sind systemrelevant“

Anders als in Bayern sind in Nordrhein-Westfalen Fitnessclubs seit Anfang der Woche wieder geöffnet. Dabei müssen nach der „Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO)“ strenge Auflagen beachtet werden.

Eckpunkte: Kunden und Beschäftigte mit Symptomen einer Atemwegsinfektion dürfen keinen Zutritt zum Fitnessstudio erhalten. Nach Betreten sind die Hände zu waschen oder zu desinfizieren. Auf nicht kontaktfreie Begrüßungsrituale ist zu verzichten. Beschäftigte müssen eine Mund-Nase-Bedeckung tragen, soweit dem keine medizinischen Gründe entgegenstehen, Kursleiter können unter Wahrung der Abstandsregeln darauf verzichten. Kundenkontaktdaten und Anwesenheitszeiten sind nach Einholen des Einverständnisses zum Zweck der „Kontaktpersonenverfolgung“ zu dokumentieren, sonst ist im Rahmen des Hausrechtes der Zutritt zu verwehren. Umkleiden werden nur zum Verwahren privater Gegenstände geöffnet.

Überdies dürfen in das Studio nicht mehr Kunden gelangen als Plätze in den Kursräumen und Geräte vorhanden sind. Zwischen den Geräten muss mindestens drei Meter Abstand sein: Mindestabstand 1,5 Meter zuzüglich Bewegungsraum und Trainingsgerät. Die Kontaktflächen aller Sportgeräte sind nach jedem Gebrauch mit einem fettlösenden Mittel oder mit einem zumindest „begrenzt viruziden“ Desinfektionsmittel zu reinigen. Sanitärräume sind mindestens zweimal täglich zu reinigen. Dort sind Händedesinfektionsmittel, Flüssigseife und Einmalhandtücher bereit zu stellen. Das Nutzen von Duschen, Schwimmbecken, Saunen und Solarien ist untersagt, Massagen sind zulässig. Gastronomisches Angebot ist eingeschränkt zulässig, Getränkespender bleiben unzulässig. Sportarten mit unvermeidbarem Körperkontakt und hochintensive Ausdauertrainings sind untersagt. Kunden sind durch Hinweisschilder über die einzuhaltenden Regeln zu informieren.

Mit Verweis auf bundesweit zwölf Millionen Kunden in Fitnessclubs hat sich Thomas Viola, Inhaber der „X-Fit“- und „X-Pack“-Fitnessclubs, nun an die Bürgermeister der sechs Standorte seiner Filialen gewendet: Rosenheim Stadt, Prien, Miesbach, Trostberg, Altötting und Wörgl. Anfang April hätte mit Burgkirchen an der Alz die siebte Filiale öffnen sollen. Den Gemeindevertretern schildert der Unternehmer seine 15 Jahre währende Aufbauarbeit. „Ich investiere für jeden neuen Standort rund 500.000 Euro. Die Regierung hat uns seit der Schließung so gut wie keine Beachtung geschenkt, obwohl auch der Gesamtumsatz der Branche mit über fünf Milliarden Euro im Jahr 2019 sicherlich nicht zu verachten ist.“ Hinzu kämen die Umsätze der Zulieferer wie Gerätelieferanten, Nahrungsergänzungsmittelhersteller.

„Bis vor kurzem hatten wir noch 35 Mitarbeiter, wovon wir aktuell nur noch drei beschäftigen können, 32 sind auf 100 Prozent Kurzarbeitergeld angewiesen“, erklärt Viola. Pro Standort fiele ein hoher fünfstelliger Betrag an Fixkosten an, welcher trotz der Schließung bedient werden müsse. „Dies wäre ohne die Solidarität unserer zahlreichen, treuen Mitglieder unmöglich, wobei die Beitragszahlungen während der Schließung als Zeitguthaben an das Ende der Laufzeit angehängt werden.“ Viola warnt: „Wenn dieser Irrsinn noch weitere Monate anhält, wird kaum ein Fitnessclub ab Wiedereröffnung kostendeckend sein.“ Sein Appell: „Die gesamte Fitnessindustrie braucht endlich ein Zeichen, ein Datum oder ähnliches, ab wann es weitergehen kann!“ Viola verweist dabei auf die Kanzlei Dr. Geisler, Dr. Franke Rechtsanwälte Partnerschaft mbB. Dieser zufolge sind Fitness- und Gesundheitsstudios „systemrelevant“, denn durch das gezielte Training würden Risikogruppen im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie reduziert.

Gasser: „Tanzschulen erfüllen Bildungsauftrag“

Fachanwalt Dr. Christoph Franke unterstreicht zudem, dass auch Tanzschulen einen relevanten Beitrag zur Stärkung des menschlichen Immunsystems leisteten und Tanzen der Gesundheit diene. „In der logischen Folge trägt Tanzen somit dazu bei, Risikogruppen im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie zu reduzieren“, so Franke. In den Tanzschulen des Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverbandes e. V. (ADTV) ist der Betrieb jedoch größtenteils zum Erliegen gekommen: Die behördlich verordneten Kontaktbeschränkungen verunmöglichen das Abhalten von Tanzkursen.

Allerdings gehen die Bundesländer auch hier uneinheitlich vor. Nordrhein-Westfalen untersagt mit der „Coronaschutzverordnung“ zwar den nicht-kontaktfreien Sport-, Trainings- und Wettkampfbetrieb – Ausnahme: Sportunterricht an Schulen und das Training von Berufssportlern. Doch der Betrieb von Tanzschulen ist seit Wochenbeginn „zulässig, soweit sich die nicht-kontaktfreie Ausübung auf einen festen Tanzpartner beschränkt und im Übrigen ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Personen gewährleistet ist“ (§ 9 Abs. 3 CoronaSchVO). Sachsen hat wiederum die zur Eindämmung der Corona-Pandemie erlassenen Beschränkungen und Verbote am 12. Mai weiter gelockert und eine neue „Sächsische Corona-Schutz-Verordnung (SächsCoronaSchVO)“ beschlossen. Danach können unter anderem Tanzschulen, Fitness- und Sportstudios wieder öffnen und besucht werden (§ 6 Abs. 1 S. 1), sofern sie ein eigenes Hygienekonzept erstellt haben und dies umsetzen. In Rheinland-Pfalz sind ebenfalls Tanzschulen, Fitnessclubs und Vereinssport in Hallen ab 27. Mai unter Auflagen möglich – dafür wurde die „Sechste Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz (6. CoBeLVO)“ vom 8. Mai am 13. Mai aktualisiert. In Bayern hingegen müssen die Tanzschulen weiter geschlossen bleiben, aktuell bis zum 29. Mai.

Die Betriebe überbrücken die Zwangspause derweil mit Online-Tanzkursen zu den Standardtänzen Langsamer Walzer, Wiener Walzer, Tango, Slowfox und Quickstep, den lateinamerikanischen Tänzen Cha Cha Cha, Samba, Rumba, Paso Doble und Jive sowie Modetänzen wie Discofox, Stomp, Snoopy, Chicago City, Memphis, Kiss oder Supersonic. So hält beispielsweise „Hermanns Tanzpalast“ in Rosenheim den Kontakt zu den Kursteilnehmern aufrecht über eine geschlossene WhatsApp-Gruppe, in der im Wochentakt neue Schulungsvideos gepostet werden. Die rund 500 Kursteilnehmer goutierten das Angebot mit hohen Zugriffszahlen.

Geschäftsführer Hermann Gasser hat die Verbandstanzschule am 16. März Corona-bedingt schließen müssen. Fünf Tanzlehrer sind in Kurzarbeit, die Einnahmen gering. Doch der Profi mit über 40-jähriger Tanzschulerfahrung bleibt optimistisch und bereitet die Wiedereröffnung vor: Hygieneschulungen sind absolviert, Desinfektionsstellen und Spritzschutzwände eingerichtet, Mund-Nase-Masken vorhanden und die Tanzlehrer können Schutzvisiere verwenden. Gasser betont, die Tanzschulen erfüllten einen Bildungsauftrag und Bewegung halte fit, beuge Herz-Kreislauferkrankungen, Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck vor und wirke sich positiv auf die physische und psychische Gesundheit aus.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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