Bernau am Chiemsee — Der Ausbau der Autobahn A 8 steht in der Kritik. Die Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig fordert einen besseren Lärmschutz für den Bernauer Ortsteil Hötzing, der rund 20 Meter von der A 8 entfernt zwischen Achenmühle und dem Bernauer Berg liegt. In einem Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verweist Ludwig auf die massive Belastung der Bürger. Weiter geht indes die „Bürger-Initiative gegen A8“ mit der ePetition „Stoppt das A8-Monster! Keine Zerstörung des Chiemgaus!“: Sie fordert gleich den Stopp des 6+2-streifigen A 8-Ausbaus. Vielmehr sollte „die dringend notwendige Mobilitätswende“ finanziert werden. Ähnlich argumentieren zwei Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/DIE GRÜNEN.
Die Lärmbelastung in Hötzing ist massiv, urteilt Daniela Ludwig. Deshalb hätte die Autobahndirektion Süd im Vorentwurf für die Planungen an dieser Stelle eine Galerie vorgeschlagen. Doch der Vorentwurf wäre „nach sehr langer Liegedauer“ ungenehmigt zurückgegeben worden, bemängelt die CSU-Politikerin. Für Hötzing sei lediglich ein lärmmindernder Belag vorgesehen – als Einzelmaßnahme zwar zu begrüßen, doch angesichts Hötzings exponierter Lage „nicht zufriedenstellend“. Ludwig hatte sich mehrmals vor Ort über die Situation kundig gemacht und fordert: „Wir benötigen ein Gesamtkonzept, um den Lärmschutz langfristig und umfassend zu realisieren und den Bürgerinnen und Bürgern ein erträgliches Lärmmaß zuzumuten. Ich erwarte hier eine gemeinschaftliche Kraftanstrengung, um zu einer vernünftigen und konsensfähigen Lösung zu kommen.“
Bürgermeisterin Irene Biebl-Daiber (CSU) hat sich ebenfalls mit einem Brief an den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur gewandt, denn in Hötzing würden die Dezibel-Werte an fünf Immissionsstellen überschritten. Für sie als Bürgermeisterin sei es schwer zu erklären, dass in Hötzing nur ein Volllärmschutz der Variante „kein Lärmschutz“ gegenübergestellt worden wäre, während ein paar Kilometer davor in einem Weiler ein für alle Höfe geeigneter Lärmschutz errichtet würde. „Nur zusammen können wir unsere Bürgerinnen und Bürger vor Krankheiten und Stress, der durch den Lärm verursacht wird, bewahren und für Hötzing eine gute Lösung finden“, appelliert Biebl-Daiber.
Bürgerinitiative gegen A 8-Ausbau
Indessen fordert eine „Bürger-Initiative gegen A8“ von der Regierung von Oberbayern und der Bundesregierung den Stopp des Projektes. Ihr Mittel der Wahl: die ePetition „Stoppt das A8-Monster! Keine Zerstörung des Chiemgaus!“ auf der Petitionsplattform von Campact. Ihr Appell: Das Geld solle „für die dringend notwendige Mobilitätswende“ verwendet werden, denn laut Bundesrechnungshof wäre der A 8-Ausbau zu teuer und wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen. Der A 8-Ausbau widerspreche auch dem Pariser Klimaschutzabkommen, der „Klimaschutz-Offensive“ der Bayerischen Staatsregierung und dem Artenschutz. Zusammen mit dem Bau des Brenner-Nordzulaufs bedeutete er sogar den „Verkehrskollaps in Oberbayern“: „Dies ist unsere Heimat und unsere Zukunft und hierfür stehen wir gemeinsam und sagen: Nicht mit uns. Wir fordern: Lärmschutz ja, Ausbau nein!“
Die Initiative führt überdies Wirtschafts-, Verkehrs-, Gesundheits- und Umweltschutz-Gründe an, weshalb der A 8-Ausbau abzulehnen sei. Und laut Weltklimarat (IPCC) „haben wir nur noch 10 Jahre Zeit, um unsere Emissionen bedeutend zu reduzieren, um ein Überleben auf unserem Planeten Erde zu gewährleisten: Größere Autobahnen sind dabei genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Wir benötigen das Geld, um unsere Wirtschaft und den Verkehr klimaneutral neu zu strukturieren.“ Die ePetition hat knapp 2.500 Unterstützer und ist ebenfalls auf der Website vom „BUND Naturschutz Bayern e. V. (BN)“, Kreisgruppe Rosenheim, dokumentiert.
Einwendungen von Bündnisgrünen
Zwei bayerische Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/DIE GRÜNEN – der verkehrspolitische Sprecher Dr. Markus Büchler und die „Betreuungsabgeordnete“ für den Stimmkreis Rosenheim, Claudia Köhler – haben ihre Einwendungen im Planfeststellungsverfahren zum A 8-Ausbau Rosenheim-Bernauer Berg bereits der Regierung von Oberbayern übermittelt. Auch ihnen zufolge steht das Vorhaben „in keiner Weise im Einklang mit den Klimaschutz-Beschlüssen von Paris, Bayern und dem Bund“. Vielmehr solle „endlich“ der ÖPNV ausgebaut werden. „Der geplante Lärmschutz ist eine Mogelpackung für die Menschen der Region“, bekräftigt Büchler. Fiktive Verkehrsmodelle mit einer Geschwindigkeit von nur 130 km/h zugrunde zu legen, hätte schon bei der A 94 nicht funktioniert, denn „Anwohner*innen können eine deutlich stärkere Lärmbelästigung erfahren als bisher, da aufgrund der höheren Geschwindigkeiten und des zusätzlich angezogenen Verkehrs viel intensiverer Lärm oben aus den Lärmschutzbauwerken entweichen kann. Ein Tempolimit ist nicht vorgesehen.“
Weitere Kritik: In den Verkehrsprognosen blieben andere Projekte unberücksichtigt, etwa die entlastenden Auswirkungen der neuen A 94, die des geplanten Ausbaus der Bahnlinie München-Mühldorf-Freilassing (ABS 38) sowie der geplante A 3-Ausbau von Regensburg bis zur Landesgrenze. Die Planung zeigte sogar eine Steigerung des Verkehrsaufkommens allein durch den Ausbau mit mehr Fahrspuren: „Mehr Straßen erzeugen immer mehr Verkehr“, meint Köhler. Schließlich spreche das schlechte Kosten-Nutzen-Verhältnis „eindeutig“ gegen den Ausbau.
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