Wasserburg/Babensham — Kein Einvernehmen zwischen der Bürgerinitiative „Wasserburger Land“ einerseits, Bürgermeister und Gemeinderat andererseits: Der Bürgerentscheid „Ja für ein Babensham ohne Deponie!“ am 27. Februar muss klären, ob die Gemeinde Babensham alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten zu nutzen hat, um die von der Zosseder GmbH in der ehemaligen Kiesgrube von Odelsham geplante Deponie zu verhindern. Dazu sollen explizit ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss und eine spätere Enteignung gehören. Der Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) und Gemeinderat Dr. Roger Diller sieht die Bürger am Zug, auf dem Gelände entweder einen „klimafreundlichen und ökologisch sinnvollen Mischwald“ zu ermöglichen oder über Jahrzehnte „Mülltransporte ins Wasserburger Land“ zu akzeptieren. Babenshams Erster Bürgermeister Josef Huber und 13 der 16 Gemeinderäte sind hingegen trotz eines als „einvernehmliche Lösung“ angesehenen Gemeinderatsbeschlusses „enttäuscht von der verweigerten Rücknahme des Bürgerentscheids“ durch die BI. Huber betont, die Gemeinde sei nicht „Herrin“ des Verfahrens: Prüfung und Entscheidung würden der Regierung von Oberbayern als Genehmigungsbehörde obliegen.
In der Gemeinde Babensham nordöstlich von Wasserburg a.Inn findet am 27. Februar von 8 Uhr bis 18 Uhr ein Bürgerentscheid statt – nach Juli 2012 und Dezember 2016 der dritte gegen die geplante Deponie in Odelsham. Die Zosseder GmbH, ein seit 1967 in der Bau-, Transport- und Entsorgungswirtschaft tätiges Unternehmen mit Sitz in Wasserburg a.Inn, plant auf dem Gemeindegebiet eine 5,7 Hektar/56.660 Quadratmeter große oberirdische Deponie für nicht gefährliche und gefährliche Abfälle (Deponieklasse I): Abgelagert werden sollen mineralische Bauabfälle von Baustellen aus der Region, darunter festgebundener Asbest oder Beton mit schwarzem Dichtanstrich aus dem Kellerbereich von Häusern.
Die Fragestellung des neuen Bürgerentscheids „Ja für ein Babensham ohne Deponie!“ lautet: „Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Babensham alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten nutzt, um die geplante Deponie auf dem Gebiet der Gemeinde Babensham zu verhindern, insbesondere einen rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss und eine spätere Enteignung zugunsten der Deponie?“ Hintergrund: Laut Rechtsanwaltskanzlei Döring-Spieß kann die Gemeinde gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern als erlassende Behörde eine Anfechtungsklage anstrengen mit Anträgen auf Nachbesserung oder Aufhebung. Für die Durchführung des Klageverfahrens ist kein vorgestuftes Zulassungsverfahren vorgesehen. Nach Einreichen der Klage überprüfe das Gericht diese hinsichtlich der Zulässigkeit und der Begründetheit. Werden beide bejaht, sei die Klage erfolgreich.
Mahnung vor „Folgekosten der Deponie“
Der Abstimmungsbekanntmachung des Wahlamtes vom 29. Dezember war zeitlich eine Gemeinderatssitzung am 16. Dezember vorangegangen. In dieser stimmten die Gemeinderäte einen Beschlussvorschlag der Verwaltung ab, mit dem die Initiatoren des Bürgerentscheids zur Rücknahme ihres Antrags bewegt werden sollten. Die Gemeinderäte votierten zwar mit 14 Ja- und drei Nein-Stimmen dafür, im Falle eines positiven Planfeststellungsbeschlusses der Regierung von Oberbayern Anfechtungsklage zu erheben und für das Verfahren insgesamt 100.000 Euro bereitzustellen. Doch für die „Bürgerinitiative zur Erhaltung von Umwelt und Lebensqualität im Wasserburger Land“ war der Beschluss unzureichend: „Wir bitten die Bürger, sich von den unrealistischen Kostenschätzungen des Bürgermeisters nicht verunsichern zu lassen“, erklärte BI-Vorsitzender und Gemeinderat Dr. Roger Diller (Bürger für Babensham, BfB). Er mahnte: „Die Folgekosten der Deponie, die dann die Öffentlichkeit auf Dauer zu tragen hat, sind weitaus höher und werden viele Generationen belasten.“
Diller beklagte zudem, dass der Kompromissvorschlag der Initiatoren im Gemeinderat keine Mehrheit gefunden habe. Dieser sah eine Begrenzung der Klagekosten und den Verkauf des Gemeindegrundstücks an die BI vor. Mit ihr an der Seite habe die Gemeinde in einem Klageverfahren überdies eine stärkere Rechtsposition.
Ende Oktober hatte der Gemeinderat bereits einen von Diller vorgeschlagenen Arbeitskreis zur Verhinderung der geplanten Deponie abgelehnt. Der Arbeitskreis sollte der Verwaltung und dem Gemeinderat zuarbeiten, Akten sichten und bewerten. Diller forderte mit Verweis auf den Bürgerentscheid von 2016 eine Reaktion auf die von der Zosseder GmbH geplante Rodung an der B304, um den Parkplatz vor der Innbrücke zu verlegen und Platz für eine eigene Zufahrt zur späteren Deponie zu schaffen.
Mischwald „ein wichtiger klimafreundlicher Beitrag“
Die BI bezweckt mit dem Erwerb des für die Deponie vorgesehenen Gemeindegrundstücks, einen öffentlichen Natur-/Waldlehrpfad anzulegen, zumal ein Mischwald eine der Voraussetzungen zur Genehmigung des Kiesabbaus durch die Zosseder GmbH im landschaftlichen Vorbehaltsgebiet gewesen sei. Der Wald würde im Jahr etwa 57 Tonnen CO2 binden und wäre dadurch „ein wichtiger klimafreundlicher Beitrag“. Falls der Bürgerentscheid keine Mehrheit finde, spekuliert die BI, dass die Gemeinde der Zosseder GmbH das Gelände überlässt und so eine wichtige Klagemöglichkeit gegen die Deponie beseitigt wäre. Zwar würde im Gegenzug auf die Einlagerung von Asbest verzichtet werden. Doch auf dem kleinen Dienstweg könnten jederzeit weitere Stoffe für die Einlagerung zugelassen werden. Neben Asbest seien bereits weitere zwölf gefährliche Abfallarten (Sonderabfälle) beantragt. Die vorgesehene jährliche Gesamtmenge belaufe sich auf 70.000 Tonnen (40.000 Kubikmeter), was ungefähr der doppelten Einlagerungsmenge von Oberbayern entspreche. Zeitgleich solle die bestehende, aber bisher unbenutzte größte Deponie Bayerns bei München wegen fehlenden Bedarfs geschlossen werden.
Babenshams Erster Bürgermeister Josef Huber (Wählergemeinschaft Babensham) entgegnete, die Gemeinde könne „nicht so einfach ein nicht mehr benötigtes Grundstück frei verkaufen“. Dieses müsse öffentlich ausgeschrieben werden und derjenige erhalte den Zuschlag, der am meisten biete. Ein zweckgebundener Verkauf, etwa zur Errichtung eines Naturlehrpfades, wäre zwar denkbar, „aber auf einem zwei Meter breiten Grundstücksstreifen nicht realisierbar“, sonst wäre ein Scheingeschäft anzunehmen, was einen Vertrag nichtig machte. So müsste die BI bereits mit der Klage zufrieden sein – mehr rechtliche Möglichkeiten sehe Huber nicht: „Es ist also durchaus nicht so, dass sich die Gemeinderäte und ich nicht gegen die Deponie aussprechen, aber wenn wir alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, dann müssen diese auch mit geltendem Recht vereinbar sein. Und auch noch so engagierte Bürger können nicht erwarten, dass die Gesetzgebung sich ihren Wünschen beugt beziehungsweise nur das Recht anerkannt wird, das sie gerne hätten.“
Briefwahl oder persönliche Abstimmung
Laut Wahlamt der Gemeinde Babensham erhalten die Stimmberechtigten ihren Abstimmungsschein samt Unterlagen für die Briefwahlabstimmung bis spätestens 6. Februar. Wer einen Abstimmungsschein besitzt, kann das Stimmrecht durch Briefwahl oder persönliche Abstimmung ausüben. Der Abstimmungsraum für die Urnenwahl ist in der Gemeindeverwaltung Babensham. Mehr Information ist online abrufbar unter babensham.de, zosseder.de und buergerinitiative-wasserburger-land.de.
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