Auf einem kleinen mit Holzstöcken geformten Scheiterhaufen brennen Schriften. Um welche Schriften oder Bücher es sich handelt, ist nicht zu erkennen. Die Bücherverbrennung findet vor dem Rathaus Wasserburg am Marienplatz statt.
Am linken Bildrand sind die Frauenkirche, mittig die Frauengasse mit Rathaus und historischem Rathaus zu sehen. Im Vordergrund der auf dem Foto zu sehenden Personengruppe stehen jugendliche Buben und junge Männer. Einige betrachten das Feuer, mehrheitlich richten sie aber den Blick zur rechten Bildseite. Wahrscheinlich wenden sie sich einem Redner zu, der auf dem Foto jedoch nicht auszumachen ist.
Nicht nur in Wasserburg, auch „in München, Würzburg, Erlangen, Nürnberg, Regensburg und vielen kleineren Städten kam es zu solchen Aktionen. Berühmt wurde der solidarische Aufruf ‚Verbrennt mich!‘ des bayerischen Schriftstellers Oskar Maria Graf (1894-1967), der sich mit einigen seiner Werke auf der ‚Weißen Liste‘ der vom NS-Regime empfohlenen Bücher wiedergefunden hatte.
Daneben baute Joseph Goebbels (1897-1945) zielstrebig die Reichsschrifttumskammer zur totalen Zensurbehörde aus. Das ‚Reichskulturkammergesetz‘ vom 22. September 1933 ermöglichte die Kontrolle des gesamten kulturellen Lebens. Zusammen mit dem antisemitischen ‚Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre‘ vom 15. September 1935 war schließlich die Grundlage für alle Maßnahmen zur ‚Säuberung‘, Überwachung und Lenkung des gesamten Buchmarktes gelegt. Das nationalsozialistische Deutschland konnte bezeichnenderweise bereits am 10. April 1935 auf das Schmutz- und Schund-Gesetz der Weimarer Republik verzichten; in der von Goebbels und Adolf Hitler (1889-1945) unterzeichneten Begründung hieß es: ‚Der nationalsozialistische Staat besitzt im Kampf gegen schädliche Schriften jeder Art, nicht allein um die Jugend, sondern um das gesamte Volk vor diesen zu schützen, im Reichskulturkammergesetz und in den auf ihm beruhenden Einrichtungen der Reichsschrifttumskammer ein weit wirksameres Mittel, als es der liberale Staat in seinen Prüfstellen hatte. „Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten versuchte die (mit ihren Vorläuferverbänden bereits seit 1922 existierende) Hitlerjugend (HJ) ihren Monopolanspruch auf dem Gebiet der Jugendarbeit zu realisieren. Bis Mitte 1933 wurden alle anderen Jugendverbände bis auf die katholischen Organisationen (erst 1938 endgültig verboten) aufgelöst oder in die HJ eingliedert. Auch die Betätigungsfelder der HJJ wurden bis 1939 auf nahezu alle Lebensbereiche ausgedehnt. Ihr Bestreben, sich als Erziehungsinstanz durchzusetzen, fand im ‚Gesetz über die Hitlerjugend‘ vom 1. Dezember 1936 seinen Abschluss. Demnach war sie für die gesamte (‚körperliche, geistige und sittliche‘) Erziehung der Jugend außerhalb von Schule und Elternhaus allein zuständig, was das bestehende Spannungsverhältnis zu diesen weiter vertiefte.
Auf späteren Ansichten des Stadtarchivs wandelt sich die Uniformierung der Wasserburger Hitlerjugend von einheitlicher Kleidung zur richtiggehenden Uniform. Die angenommene Verbreitung der in Wasserburg durchgeführten Bücherverbrennung in Form einer Postkarte diente dem Zweck, den Kampf der Nationalsozialisten gegen ‚schädliche Schriften jeder Art‘ möglichst wirksam zu führen: Es wird Geschlossenheit gezeigt, kritische Betrachter der Szene, die vor Ort gewesen sein könnten als auch diejenigen, welche die Postkarten-Ansicht betrachten, werden eingeschüchtert.
Während andernorts (vor allem in größeren Städten) Studentenschaften die Bücherverbrennung durchführten ist es in Wasserburg (mangels Studentenschaft) die Jugend, die stellvertretend für diesen Akt herangezogen wird.