Rosenheim — „Wir brauchen nicht die billigste Trasse, sondern die verträglichste Trasse“, betont Rosenheims Landrat Otto Lederer mit Blick auf den Brenner-Nordzulauf zwischen Tuntenhausen und Kiefersfelden. Daher habe das Landratsamt Rosenheim in Abstimmung mit den unmittelbar betroffenen Kommunen „Kernforderungen“ zu den Variantenentscheiden der Deutschen Bahn vom 25. Oktober 2023 aufgestellt. Diese gedenkt Lederer an die Deutsche Bahn, die Bayerische Staatsregierung und den Deutschen Bundestag zu richten. Obschon der Kreisausschuss zunächst weitere Forderungen diskutierte, verabschiedete er doch mehrheitlich die Vorlage des Landrates. Sie enthält drei „Kategorien“: erstens generelle Forderungen wie jene nach dem grundsätzlichen Nachweis für den Bedarf einer Neubaustrecke, zweitens Kernforderungen wie Tunnellösungen und drittens Hinweise zum Planfeststellungsverfahren. Der vierseitige Forderungskatalog geht nochmals an die Kommunen und soll vom Kreistag als maßgebliches politisches Entscheidungsgremium des Landkreises Rosenheim unterstützt werden.
„Jeder kann sich hinter die Forderungen stellen“, unterstreicht Stefan Lederwascher (CSU) in der Diskussion des Kreisausschusses zum Brenner-Nordzulauf im Abschnitt zwischen Tuntenhausen und Kiefersfelden. Und selbst wenn Josef Fortner (ÖDP) den Bestandsausbau vorrangig sieht und Sepp Hofer (Freie Wähler) die Forderungen als „zu schwammig“ deklariert, so stellt sich der Ausschuss nach eingehender Diskussion doch mehrheitlich hinter den von Landrat Otto Lederer (CSU) vorgelegten Forderungskatalog. Dieser knüpft an die Variantenentscheide der Deutschen Bahn als Vorhabensträgerin vom 25. Oktober 2023 an. Die Forderungen der betroffenen Kommunen seien im Konsens zusammengefasst worden und sollen gegenüber der Vorhabensträgerin geltend gemacht werden. Dazu wurden die Forderungen in drei Kategorien unterteilt: erstens in generelle Forderungen an die Bahn, die aber nicht die konkrete Trassenführung betreffen, zweitens in Kernforderungen, die sich auf die vorliegende Trassenplanung beziehen, und drittens in Forderungen, die auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben im späteren Planfeststellungsverfahren zu beachten seien.
Forderungen des Landkreises Rosenheim
Der Landkreis Rosenheim fordert einen Nachweis für die Notwendigkeit einer Neubaustrecke für den Brenner-Nordzulauf, andernfalls soll das Projekt aufgegeben werden. Davon unabhängig sind sofortige Lärmschutzmaßnahmen an der Bestandsstrecke und der Ausbau mit ETCS durchzuführen. Zudem sollen der Halbstundentakt im Schienenpersonennahverkehr nach München, Salzburg und Kufstein eingeführt und das Angebot im Schienenpersonenfernverkehr erweitert werden. Weitere Forderungen sind der barrierefreie Ausbau aller Bahnhöfe im Landkreis und die Fertigstellung der ABS 38. Wird die Neubaustrecke umgesetzt, soll der Flächenverbrauch minimiert und staatliche Fläche prioritär genutzt werden. Aufgelassene Streckenabschnitte müssen vollständig zurückgebaut werden. Die Bundesregierung soll vor Baubeginn eine Lösung für Probleme der Blockabfertigung im Inntal finden, um Schäden zu vermeiden.
Die Kernforderungen umfassen vier Punkte. Erstens eine Innunterquerung nördlich von Rosenheim und eine maximale Tunnellösung nördlich von Rosenheim, einschließlich der Prüfung weiterer Trassenalternativen wie der Trassenvorschlag „Orange“. Begründung: Die oberirdische Trasse führe zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Landschaft und Naherholungsgebiete. Alternativen sollen die Innunterquerung nördlich von Rosenheim ermöglichen. Zusätzliche Maßnahmen umfassten die Verschiebung der Verknüpfungsstelle Ostermünchen nach Norden, den Erhalt der bestehenden Bahnstrecke und des Bahnhofs Ostermünchen sowie Einhausung/Untertunnelung in bestimmten Bereichen von Tuntenhausen und Großkarolinenfeld. Zweitens ein durchgehender Tunnel von Kirnstein bis zur Innleiten, um Beeinträchtigungen für den Lebensraum von Mensch und Natur zu minimieren. Alternativ sei der Innleitentunnel mit maximaler Länge und reduziertem Überholbahnhof zu realisieren. Drittens die Verlegung der Verknüpfungsstelle Kirnstein in den Wildbarren in bergmännischer Ausführung, um schädliche Auswirkungen auf die Umgebung zu vermeiden. Bei Ablehnung dieser Forderung sollen Bestandsgleise im Westen und Neubaugleise im Osten nebeneinander angeordnet werden, um den Flächenbedarf zu reduzieren. Viertens der Schutz der Landwirtschaft durch minimale Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Flächen im Landkreis Rosenheim. Der Flächenbedarf der Neubaustrecke und begleitende Maßnahmen müssten aufgrund der begrenzten Flächen und kleinstrukturierten Landwirtschaft minimiert werden. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sollen vorrangig finanziell abgegolten oder über Ökokonten realisiert werden.
Schließlich betont der Landkreis Rosenheim mit Blick auf eine mögliche Baumaßnahme sieben Aspekte für das spätere Planfeststellungsverfahren: Erstens ist während der Bauphase für die betroffene Bevölkerung ein maximaler Schutz vor Lärm, Staub und Erschütterungen sicherzustellen. Zweitens muss die Trinkwassergewinnung im Einflussbereich der Baumaßnahme umfassend geschützt werden. Drittens dürfen Planung und Durchführung der Baumaßnahme keine schädlichen Auswirkungen auf die umgebende Landschaft, Baugrundverhältnisse, angrenzende Gebäude und Denkmäler haben. Viertens sind der Umfang der Baustelleneinrichtungsflächen zu minimieren und die temporäre Inanspruchnahme ordnungsgemäß zu entschädigen. Fünftens ist während der Bauphase die Freihaltung von Rettungszufahrtswegen sicherzustellen. Sechstens sind für die Benutzung öffentlicher Straßen im Baubetrieb die Straßenbaulastträger von den baulichen und betrieblichen Folgelasten freizustellen. Und siebtens muss der Aushubtransport vorrangig über Förderbänder, die Schiene und die Autobahn erfolgen.
Ergebnis ist „fundiert“
Die unterschiedlichen Forderungen der betroffenen Kommunen an eine Neubaustrecke in ein Papier zu gießen, sei für das Landratsamt „nicht ganz einfach“ gewesen, erläutert Landrat Lederer. Doch das Ergebnis sei „fundiert“, ein „gelungenes Werk“ und „ein klares Signal Richtung Berlin, was wir hier wollen: Wir brauchen nicht die billigste Trasse, sondern die verträglichste Trasse“. Die Bürger, die über Generationen mit der Trasse leben müssten, sollten „wirklich geschützt“ sein. Dass der Katalog an die Vorhabensträgerin gehe, sei ein „bewährtes Verfahren“. Zuvor werden die Kommunen nochmals eingebunden, bevor der vierseitige Forderungskatalog vom Kreistag als dem maßgeblichen politischen Entscheidungsgremium des Landkreises Rosenheim beschlossen werden soll.
Ihre Meinung ist uns wichtig! Leserbriefe bitte an redaktion@blick-punkt.com oder über unser Kontaktformular.
Leserinnen und Leser dieses Beitrags interessierten sich auch für diese blick-Artikel:
• Herbstfest Rosenheim 2023: Mia seng uns auf da Wiesn! (22.08.2023).
• Gesunder Lifestyle durch Wearables und Fitness-Apps? – Digitale Gadgets sollen Sportmuffel fit machen (10.06.2023).
• Nach Schicksalsschlag: Eltern dankbar für Hilfsbereitschaft – Sandro findet Zugang zu neuem Leben (20.04.2022).
• Mehr Cybergefahren – mäßige Klimabilanz – kein Rechtsanspruch: Homeoffice wird bedingt „neue Normalität“ (08.02.2022).
• Bürgerinnen-Vereinigung „Rückenwind Gesundheitspersonal“ demonstriert gegen „Schwurbelei“ – Riedel: „Impfpflicht leider unumgänglich“ (18.01.2022).
• Corona-Krise: Gedruckte kostenlose Wochenzeitungen begehrt – Schaeffer: „Unverzichtbare Informationsquelle im Lokalen“ (15.02.2021).
• Corona-Krise: Öffnungsperspektive gegen Verzweiflung – Sasse: „Die Lage ist bitterernst“ (10.02.2021).
• Mobile Raumluftreiniger sollen Virenlast in Schulen verringern: „AHA“-Regel wird zur „AHA-L“-Maßgabe (06.10.2020).
• „Corona-Warn-App“: Freiwilligkeit vs. Nutzungspflicht – Infizierte Arbeitnehmer haben Informationspflicht (17.06.2020).