Rosenheim — Die Unterquerung des Inns nördlich von Rosenheim ist hochkomplex, risikobehaftet und teuer, aber technisch machbar: Einer Untersuchung der Deutschen Bahn zufolge entstünden durch aufwendige Bauwerke bei Ostermünchen Mehrkosten von rund drei Milliarden Euro. Dennoch bleiben Rosenheims Landrat Otto Lederer, Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März und Rosenheims Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (alle CSU) bei ihrer Forderung nach einer Inn-Unterquerung. Für Ludwig ist eine oberirdische Trassenführung schlicht „nicht akzeptabel“, März vermisst die Prüfung der Verlagerung der Verknüpfungsstelle und Lederer sieht zahlreiche Bürger des Landkreises, sensible Naturräume und landwirtschaftliche Existenzen betroffen. Die „Bürgerinitiative Bürgerinteressen Rohrdorf“ demonstriert indes für den Ausbau der Bestandsstrecke.
„Aufgrund des durch den Gesetzgeber bestimmten Rahmens besteht für die DB keine Möglichkeit, die Inn-Unterquerung weiter zu planen“, verdeutlicht Gesamtprojektleiter Matthias Neumaier bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse der Deutschen Bahn auf der 15. Sitzung des Regionalen Projektbeirats Brenner-Nordzulauf. Da die oberirdische Querung des Inns im Vergleich zur Untertunnelung eine „wirtschaftlichere Variante mit weniger Risiken“ sei, soll diese Variante in der laufenden Vorplanung optimiert werden. Nach Abschluss der Vorplanung erfolge die parlamentarische Befassung, in welcher der Deutsche Bundestag neben der Vorzugstrasse auch Kernforderungen der Region befassen würde. „In diesem Rahmen haben die Kommunen und Landkreise die Möglichkeit, die Inn-Unterquerung als eine Kernforderung in den Deutschen Bundestag einzubringen“, legt Neumaier dar. Über das weitere Vorgehen und eine mögliche Finanzierung entschieden dann die Mitglieder des Deutschen Bundestags.
Neumaier zufolge hat das Planungsteam bei der Prüfung der Inn-Unterquerung verschiedene kleinräumige Varianten modelliert. Da das Gelände nach Norden ansteige, sei die besondere bauliche Herausforderung, die Strecke nach der Inn-Unterquerung wieder auftauchen zu lassen, wofür rund 14 Kilometer zusätzlicher Tunnel erforderlich wären. „Kombiniert mit der von der DB ohnehin vorgesehenen Tunnelführung im Bereich Stephanskirchen ergäbe sich ein durchgängiger Tunnel mit einer Länge zwischen 19,4 und 34,3 Kilometer“, kalkuliert Neumaier. Überdies müsste die bestehende Strecke nahe Ostermünchen auf 1,5 Kilometern Länge in einen Tunnel verlegt und der Bahnhof Ostermünchen in zirka 16 Metern Tiefe neu errichtet werden, da ein Beibehalt des Bahnhofs an seiner heutigen Position mit einer Unterquerung des Inns nicht möglich sei. Damit verlängerte sich die Bauzeit um bis zu drei Jahre und der Bau verursachte Mehrkosten in Höhe von rund drei Milliarden Euro. Zu den Risiken zählten geologische, finanzielle und behördliche. Nichtsdestoweniger scheine die technische Machbarkeit nach aktuellem Stand gegeben.
Untertunnelung bleibt Kernforderung
Rosenheims Landrat Otto Lederer (CSU) zeigt sich ob dieser Ergebnisse „sehr enttäuscht“: „Die Kosten allein sollten allerdings nicht der ausschlaggebende Punkt sein, da von einer oberirdischen Trasse zahlreiche Bürger des Landkreises, sensible Naturräume und landwirtschaftliche Existenzen massiv betroffen wären.“ Lederer sieht wichtige Punkte unberücksichtigt: Obschon der Brenner-Nordzulauf als Ganzes geprüft werden sollte, ende die Betrachtung der Unterquerung an der Landkreisgrenze. Ebenso sei eine Verlegung der Verknüpfungsstelle bei Ostermünchen in Richtung Nordwesten zu untersuchen. „Diese Untersuchung fordere ich seit Jahren und ist Bestandteil der Resolution des Rosenheimer Kreistages sowie der betroffenen Kommunen.“ Da der Landkreis Rosenheim aufgrund seiner Topografie, Siedlungsdichte, Natur, Landwirtschaft, des Tourismus und der vorhandenen Infrastruktur besonders anspruchsvoll und empfindlich sei, sieht Lederer „keinen Spielraum für eine verträgliche oberirdische Neubautrasse“. Im Vergleich zum Tunnelanteil auf Tiroler Seite müsse die DB auf deutscher Seite „zwingend nachbessern und eine Optimierung der Querung vornehmen, damit dies technisch und finanziell machbar ist.“
Den Aspekt der technischen Machbarkeit einer Untertunnelung betont auch Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März (CSU). Mit einer Verknüpfungsstelle weiter nördlich von Ostermünchen seien die von der DB eingebrachten Tunnellösungen und Schienenvertiefungen obsolet. Entgegen der Resolution des Stadtrates vom 30. Juni 2021 sei die Verlagerung der Verknüpfungsstelle als Voraussetzung für eine einfachere Trassenführung samt Untertunnelung des Inns nicht geprüft worden. Daher werde die Untertunnelung bei den Beratungen im Bundestag 2025 Kernforderung sein.
Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig (CSU) konstatiert, die Ergebnisse seien „keine guten Nachrichten für unsere Region und für mich auch in dieser Form nicht akzeptabel. Wir bleiben dabei: Der Brenner-Nordzulauf muss soweit wie möglich unterirdisch verlaufen.“ Der Schutz von Mensch und Natur müsse oberste Priorität haben, „gründliche Nacharbeiten und Verbesserungen“ seien angesagt. So könne Ludwig weder die Höhe der Mehrkosten für eine Inn-Unterquerung, noch die Verlegung des Bahnhofs Ostermünchen nachvollziehen. Wie Lederer betont Ludwig: „Beim Brenner-Nordzulauf im Tiroler Unterinntal wird der Inn dreimal gequert – davon zweimal unterirdisch. Was in Tirol möglich ist, muss auch bei uns möglich sein.“
„Wachrüttel-Demo“ in Lauterbach
Die „Bürgerinitiative Bürgerinteressen Rohrdorf (BIB Rohrdorf)“ veranstaltet am Tag der Deutschen Einheit, 3. Oktober, von 10 Uhr bis 11.30 Uhr in Lauterbach, Rosenheimer Landkreisgemeinde Rohrdorf, eine „Wachrüttel-Demo“, zu der sie Bürger und Politiker aus den Landkreisen Rosenheim und Ebersberg einlädt. Die BIB Rohrdorf wird unter anderem vom „Brennerdialog Rosenheimer Land e. V.“ und vom „Bürgerforum Inntal e. V.“ unterstützt. Demonstriert wird für den sofortigen Ausbau der Bestandsstrecke mit Lärmschutz nach Neubaustandards und gegen den Neubau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke. Geplant sind zwei fachliche Kurzvorträge zu den gesellschaftlichen, finanziellen und ökologischen Auswirkungen der Neubaustrecke. Referenten sind der Verkehrsexperte Prof. Dr. Roland Feindor, langjähriger Dekan der Fakultät für Informatik der Hochschule Rosenheim sowie Mitinitiator und langjähriges Vorstandsmitglied der „Rosenheimer Initiative zur Förderung der Informations- und Kommunikationstechnik (ROSIK) e. V.“, sowie Rainer Auer, 1. Vorsitzender der Rosenheimer Kreisgruppe des „BUND Naturschutz in Bayern e. V. (BN)“ und ehemaliger Bürgermeister von Stephanskirchen. Mehr Information ist online abrufbar unter www.b-i-b-rohrdorf.de.
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