PappenStil: Bettina Maier ist verliebt in die Buchbinderei! -Werbung –
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PappenStil: Bettina Maier ist verliebt in die Buchbinderei! -Werbung –

Möchte man Bettina Maier mal eben zu einem Interview abgreifen, so sucht man sie im Homeoffice vergeblich. Das berufliche Zuhause der charmanten Handwerkerin ist die Werkstatt – genauer beschrieben, die Buchbinderei PappenStil in Rosenheim. Zwischen großen Maschinen und riesigen Leinenrollen arbeitet sie am Papier – einem, wie sie es so berührend formuliert, „zutiefst menschlichem Medium“.

Nina Bufalino ist herrlich eingebunden im Gespräch mit Bettina Maier.

Frau Maier, hat es Sie schon als Kind angespornt, in die Jahre gekommenen Büchern ein neues Leben einzuhauchen oder wie kamen Sie dazu, diesen sehr alten Handwerksberuf zu erlernen?

Ich war und bin eine Leseratte und komme aus einer Familie der Bücherliebhaber, bin aber erst während der Berufsfindung auf dieses Handwerk gestoßen, als ich merkte, dass mich ein rein theoretisches Studium wohl auf Dauer nicht glücklich machen würde. Anfangs sah ich die Ausbildung als Vorstufe für die Weiterbildung zur Restauratorin, aber ich habe mich auf den ersten Blick in den Handwerksberuf „verliebt“ und bin nach wie vor glücklich mit meinem Beruf!

Wenn ein junger Mensch heutzutage ein Handwerk erlernen möchte, welche Fragen sollte er sich vor der Entscheidung stellen?

Ich rate da immer als erstes dazu, sich zu fragen, welches Material man gerne jeden Tag in Händen halten möchte: warmes, kaltes, stabiles oder flexibles? Ob man kreativ sein möchte, oder an großen Gemeinschafts-Projekten, wie einer Baustelle, mitarbeiten möchte. Ist man eher Einzelkämpfer oder Teamplayer? Hat man gerne viel mit Menschen zu tun, ist man lieber drinnen oder draußen? Das sind entscheidende Fragen. In jedem Fall ist eine Handwerksausbildung ist eine großartige Basis fürs Arbeitsleben und ein Handwerk zu erlernen ist nie verlorene Zeit.

Und wie darf ich mir den Ort Ihres Schaffens vorstellen…eine kuschelige kleine Werkstatt mit einem Holzofen aus dem es wohlig knistert?

Oh je, nein: Funkenflug aus dem Ofen und der Russ und die Asche ist der Alptraum jedes Buchbinders! Auch ergibt der Papierstaub, genauso wie Holzstaub, in Verbindung mit Sauerstoff ein ziemlich explosives Gemisch. Klein und kuschelig ist hier wenig. Buchbinderei im professionellen Bereich ist ein Handwerk, das durchaus viel Platz benötigt: Nur als Beispiel, die Buchbinder-Leinen kommen in Rollen von einem Meter Länge mit bis zu 50 Metern Lauflänge und auch hiervon brauchen wir eine Auswahl. Entsprechend mächtig sind auch die Maschinen. Von den Bleischriften, mit denen die Titel auf die Bücher geprägt werden, will ich gar nicht anfangen.

Hat die aktuelle Lage in der Pandemie Ihre Auftragslage verändert?

Die Kunden sind zwar vorsichtiger, aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass durchs Daheim-Bleiben die Menschen ihre Dinge ordnen. Für mich bedeutet das, dass ich einerseits mehr Buchpatienten bekomme, die zuhause „ausgegraben“ wurden. Zum anderen habe ich viel mehr Erinnerungen zu binden bekommen – von den Feldpostbriefen des Vaters/Großvaters, die bisher in einer Schachtel gelegen sind und nun einen schönen Einband bekommen haben, bis hin zu regelrecht kunstvoll ausgearbeiteten Familienchroniken.

Was lieben Sie an Ihrer Arbeit am meisten?

Am liebsten habe ich es, wenn mir Menschen Bücher zur Reparatur anvertrauen, an denen sie hängen. Kinder-  und Kochbücher sind das sehr oft. Einmal kam eine alte Dame und hat die Liebesbriefe ihres verstorbenen Mannes binden lassen: der erste begann mit „Wertes Fräulein“, der letzte mit „Liebes Frauchen“. Sowas berührt. Ich bin überzeugt davon, dass Papier ein zutiefst menschliches Medium ist; es begleitet uns schon so viele Jahrtausende. Und wir Buchbinder haben die Ehre, dieses Papier wieder benutzbar und „aufbewahrenswert“ zu machen.

Woran meinen Sie, liegt es, dass man so wenig über die Buchbinderei weiß?

Tja, das hat viele Gründe. Die meisten Buchbinder sind, wie ganz viele Büchermenschen überhaupt, eher von ruhiger, zurückhaltender Art. Auch deren Kunden – Privatmenschen, Bibliotheken oder Archive – bewegen sich nicht im Scheinwerferlicht. Buchbinder haben ihre Werkstätten eher in Hinterhöfen oder in Vororten, meist ohne Schaufenster. Und da die großen Kunden der Buchbinder, vor allem im 20. Jahrhundert, eher gewerbliche Kunden waren, haben viele Buchbinder die Einzelkunden vergessen: die brauchen viel Beratungszeit und bringen nicht viel Geld. Und so ist im Gegensatz zur Schuhmacherei, Schreinerei oder Schneiderei dieses Handwerk so langsam aus dem Gedächtnis der Gesellschaft verschwunden.

Konnten Sie die Leidenschaft für das Handwerk an Ihre Kinder weitergeben?

Die Leidenschaft für die Arbeit mit den Händen ja!  Mein großer Sohn kann zwar nichts mit dem „empfindlichen“ Werkstoff Papier anfangen, aber er ist Mechaniker geworden und kümmert sich jetzt um meine historischen Maschinen. Die Kinder haben immer eine Handwerksausbildung als Berufsmöglichkeit im Hinterkopf gehabt. Diese Alternative zu einem Studium lebe ich vor.

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