Die Meldung, jeder vierte Auszubildende in Deutschland breche seine Ausbildung ab, hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Andreas Bensegger, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Rosenheim, präzisiert: Nicht jede Vertragsauflösung ist gleichzusetzen mit einem vollständigen Abbruch der Berufsausbildung. So registrierten die bayerischen Industrie- und Handelskammern nur bei acht Prozent aller Azubis das endgültige Ausscheiden aus dem System der beruflichen Bildung ohne Abschluss. Damit selbst dieser Wert sinke, biete die „IHKjobfit! – Ausbildungsmesse für Schülerinnen und Schüler“ die erforderliche Berufsorientierung.
Auszubildende wechseln ihren Lehrberuf oder den Ausbildungsbetrieb mittlerweile häufiger als noch vor einer Dekade, setzen zumeist jedoch ihre Lehre fort, erläutert Bensegger. „Der Grund für den Wechsel ist im Normalfall keineswegs Frust mit der Ausbildung, sondern die immer größere Auswahl an Lehrstellen und der zunehmende Wettbewerb um die Azubis.“ Allein in Stadt und Landkreis Rosenheim blieben im vergangenen Jahr rund 200 Lehrstellen in allen Berufsbereichen unbesetzt, im Landkreis Traunstein waren es 215, in Mühldorf fast 100 und in Altötting 110. So falle den Bewerbern der Wechsel leicht: Immer häufiger betrachteten sie ihre Probezeit tatsächlich als Zeit des Ausprobierens, weshalb die Auflösungsquote alleine wenig aussagekräftig sei.
Defizite bei der Berufsorientierung spielten ebenfalls eine Rolle – etwa wenn die durch TV-Shows gespeisten Vorstellungen der Azubis nicht mit der Realität übereinstimmten. „Hier müssen wir ansetzen und Schülern die modernen Berufsbilder und Karrierewege schon in der Schule viel näher bringen“, empfiehlt der Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses.
Südostoberbayern fehlen 12.000 Fachkräfte
Die IHK zählte Ende Dezember 2017 in den vier Landkreisen Rosenheim, Traunstein, Mühldorf und Altötting über 7.400 Azubis aus Handel, Industrie und Dienstleistung in mehr als 1.700 IHK-Ausbildungsbetrieben. „Wir Unternehmen sind froh um jeden einzelnen dieser Azubis“, sagt Bensegger. IHK-Geschäftsstellen-Leiter Wolfgang Janhsen erklärt, bei „nahezu flächendeckender Vollbeschäftigung ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften ein Problem, das immer mehr Betriebe in ihrer Personalpolitik zu spüren bekommen.“ Berechnungen der IHK zufolge fehlten der Wirtschaft in Südostoberbayern Ende vergangenes Jahr rund 12.000 Fachkräfte. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) würden deshalb intensiv um jeden Schulabgänger werben und investierten so viel wie noch nie in die Ausbildung. In diesem Zusammenhang sei die Ausbildungsmesse „IHKjobfit!“ am 12. Mai von 9.30 Uhr bis 15.30 Uhr im Rosenheimer Ku’Ko von herausragender Bedeutung, biete sie neben fundierter Berufsorientierung auch Style-Beratung und Berufs-Coaching.
Bei neuen Ausbildungsverträgen verzeichneten die Unternehmen 2017 bayernweit ein leichtes Plus von 0,6 Prozent. Ohne Flüchtlinge wäre diese Bilanz deutlich negativ gewesen, konstatiert Bensegger: Der Anteil der Auszubildenden mit Migrationshintergrund lag bei neuen Ausbildungsverträgen in Stadt und Landkreis Rosenheim bei 5,8 Prozent (bei 1.240 Verträgen insgesamt), im Landkreis Traunstein bei 4,8 Prozent (677), im Landkreis Mühldorf bei 4,2 Prozent (425) und im Landkreis Altötting bei 3,5 Prozent (510). Das IHK-Integrationsteam bietet daher auf der „IHKjobfit!“ ein spezielles Bewerbungstraining für Geflüchtete an.
„IHKjobfit!“ gibt Berufsorientierung
„Die berufliche Bildung ist und bleibt unsere Herzensangelegenheit und mit Blick auf die Fachkräftesicherung der bayerischen Wirtschaft eine der zentralen Aufgaben der IHK“, unterstreicht Bensegger. Die große Nachfrage der KMU nach dem „erfolgreichen Format“ der „IHKjobfit!“ war für die IHK ausschlaggebend, die Ausbildungsmesse nun jedes Jahr auszurichten. Am Grundkonzept ändere sich nichts: In ungezwungener und lockere Atmosphäre können sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei den ausstellenden Betrieben über Ausbildungsplätze austauschen, offene Fragen mit den IHK-Bildungsberatern klären und wichtige Tipps zum Bewerbungsverfahren erhalten – alles kostenfrei. Erziehungsberechtigte sind ebenso willkommen, denn sie haben nach wie vor entscheidenden Einfluss auf die Bildungswege und die Berufswahl ihrer Zöglinge. So ist die „IHKjobfit!“ laut Bensegger „die perfekte Gelegenheit, um die Vorteile einer beruflichen Ausbildung in einem der vielen regionalen Lehrbetriebe kennenzulernen. Unsere Argumente für die Ausbildung können sich sehen lassen – daran haben auch die jüngsten ‚Schreckensmeldungen‘ nichts geändert.“ Das Programm ist online abrufbar unter https://www.ihkjobfit.de/rosenheim/program.
Olaf Konstantin Krueger
Leserinnen und Leser dieses Beitrags interessierten sich auch für diese blick-Artikel:
Landkreis Mühldorf startet Online-Wohnraumbörse: „Wichtiger Schlüssel zur Integration“ (14.03.2018)
Streit über Messerattacke eines Afrikaners: „Werte vermitteln – Integration verstärken“ (14.03.2018)
Waldkraiburg auf dem Weg zur „Fairtrade-Town“: „Die Welt besser machen“ (29.03.2017)
Herausforderung Arbeitsmarktintegration: Wenn Flüchtlinge Arbeitskollegen werden sollen (13.10.2016)
Landkreis Mühldorf: Fast alle Asylbewerber haben eigenes Konto (20.07.2016)
Zuwanderung von Asylsuchenden: Situation und Strategien in den Kommunen (07.06.2016)
Ladensterben in der Region? Jede vierte bayerische Kommune ohne Lebensmittelmarkt (28.05.2016)
Entwicklungskonzept für Waldkraiburg: „Die Bürger begeistern“ (29.03.2016)
„Das transparenteste Handelsabkommen“: Kommt TTIP noch 2016? (11.02.2016)
Streit um Freihandel: Schafft TTIP mehr Arbeitsplätze? (09.04.2015)
Streit um Freihandelsabkommen TTIP: „Standards nicht verhandelbar“ (03.04.2015)
„Ohne den Mittelstand ist die Region ärmer“: Kleine und mittelständische Betriebe sehen sich unter Druck (19.03.2015)