Bachabkehr und fischbiologische Erhebung in Bruckmühl und Feldkirchen: Borloni: „Die Vermüllung unserer Gewässer ist enorm“
Elektrofischen verlangt Kraft und Teamwork. Ein Sechs- oder Sieben-Mann-Elektrofischer-Team vom Kreisfischereiverein Bad Aibling besteht aus dem führenden Elektrofischer mit Metallkescher (Pluspol), dahinter ein Sicherheitsmann und Geräteträger (zieht einen zehn Meter langen Minuspol nach sich), links und rechts Fänger, welche die Fische einsammeln, und am Schluss Wannenträger, die die Fische für die Transportbehälter abgeben. Foto: Marko Borloni
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Bachabkehr und fischbiologische Erhebung in Bruckmühl und Feldkirchen: Borloni: „Die Vermüllung unserer Gewässer ist enorm“

Über 500 Forellen, 200 Hechte und 20 Äschen hat der Kreisfischereiverein Bad Aibling vom durchwatbaren Triftbach-Kanal im Bereich der Marktgemeinde Bruckmühl in die Mangfall umgesetzt. Für das arbeitsaufwendige Abfischen des zehn Kilometer langen Streckenabschnitts zwischen Bruckmühl und Feldkirchen-Westerham benötigten die drei Teams mit insgesamt 70 erfahrenen Vereinsmitgliedern rund neun Stunden. Monatelange Vorbereiten waren der etwa 15.000 Euro teuren Großaktion vorangegangen. Die Abfischung ist notwendig wegen der Bachabkehr alle vier Jahre, bei der das Wasser abgelassen wird, um die Bachläufe zu reinigen und die Ufer instand zu setzen. Der Kreisfischereiverein führt die Fischrettung mittels Elektrofischerei durch und ermittelt im Fliessgewässer zugleich die Fischdichte, welche dem Landratsamt Rosenheim gemeldet wird. Marco Borloni, Vorsitzender des Kreisfischereivereins Bad Aibling, ist über die aktuellen Ergebnisse erstaunt. Zugleich appelliert er an das Umweltbewusstsein jener, die die Gewässer nutzen.

Die 58 Kilometer lange Mangfall, Abfluss des Tegernsees, mündet in Rosenheim in den Inn. Im Mittelalter begann die Verbauung des Flusses, damit Mühlen die Wasserkraft nutzen konnten. Die baulichen Maßnahmen wurden im 19. Jahrhundert zur Unterstützung der Holztrift fortgesetzt, damit in der Rosenheimer Saline genügend Holz zur Verfügung stand, um die aus den Salzbergwerken im Raum Reichenhall kommende Salzsole zu sieden und Speisesalz zu gewinnen. So entstanden zwischen dem Tegernsee und Rosenheim zahlreiche Ausleitungen: Die Kanäle dienten der Energiegewinnung und erleichterten den Fabriken die Holztrift. Ein Teil des Wassers wurde beispielsweise kurz vor Bruckmühl in den Triftbach-Kanal geleitet, welcher nach zehn Kilometern bei Bad Aibling wieder in die Mangfall mündet. In den letzten Jahren wurden begradigte Ufer der Mangfall durch umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen naturnah modelliert, sodass im strömungsarmen Uferbereich wieder natürliche Lebensräume für Fischbrut und Edelkrebse entstanden. Heute sind die Mangfallkanäle für die Bestandserhaltung genauso wichtig wie Besatzmaßnahmen der örtlichen Fischereivereine.

Der knapp zehn Kilometer lange, bis zu 20 Meter breite Abschnitt zwischen Bruckmühl und Feldkirchen-Westerham wird vom Kreisfischereiverein Bad Aibling bewirtschaftet. Dort leben neben Bachforelle und Regenbogenforelle auch Döbel (Aitel), Aal, Äsche und Hecht. Fischbiologische Erhebungen des Fischereivereins dokumentieren Artenvielfalt und Zustand der Fischpopulationen. Die Erhebungen sind unabdingbare Voraussetzung für richtiges Management und Schutz der gefährdeten Arten. „Unsere ureigene Aufgabe ist, den Fischbestand zu hegen und zu pflegen“, erklärt Vorsitzender Marco Borloni. Sorgen hat den Fischern heuer das Fischsterben im Frühjahr und die lang anhaltende Hitze im Sommer bereitet: Je wärmer das Wasser, desto weniger Sauerstoff kann es binden. Die Forelle als Kaltwasserfisch etwa musste im Triftbach Temperaturen überleben, die bis zu zehn Grad über ihrer Idealtemperatur von etwa 15 Grad lagen. „Das ist für die Forelle eine absolute Todeszone“, erläutert Borloni. Wie stark solche Ereignisse auf die Biodiversität einwirken, ergründen die Fachleute in kleinen und mittelgrossen Fliessgewässern bei der Bachabkehr einmal alle vier Jahre durch Elektrofischen. Die hierbei erhobene Statistik übermittelt der Gewässerwart an das Landratsamt Rosenheim.

Doppelte Abfischung: elektrisch und manuell

Elektrofischerei – auch Pulsfischerei, E-Fischen oder E-Befischung genannt – ist eine genehmigungspflichtige Methode zum Fang von Fischen. Dabei wird mit Hilfe eines fachgerecht angewandten Elektrofanggerätes ein Gleich- oder Impulsstrom durch das Wasser geleitet, um Fische an die Wasseroberfläche zu befördern. Die im Stromkreis befindlichen Fische schwimmen zum Pluspol, wo große Fische zügig eingesammelt werden. Fischbestände lassen sich damit schonend erfassen, untersuchen und umsetzen. Die von geprüften Fachkräften mit Elektrofischereischein angewandte Methode eignet sich besonders für Gewässer, die mit anderen Fangmethoden nicht zufriedenstellend befischbar sind.

Idealer Zeitpunkt für das elektrische Fischen ist zwischen Ende August und Anfang Oktober. Spätsommer und Frühherbst bieten für fischbiologische Erhebungen die besten Bedingungen: niedrige Fliessgeschwindigkeiten, ruhige Wasseroberflächen und gute Sichttiefen. Gefischt wird nach Möglichkeit flußaufwärts, um die Sicht frei zu halten von aufgewirbeltem Schlamm. Der Kreisfischereiverein Bad Aibling setzte heuer sechs Transportfahrzeuge mit jeweils eintausend Liter fassenden Fischbehältern inklusive Sauerstoffversorgung ein, zudem TÜV-geprüfte Elektrofanggeräte sowie einen Sanitätsdienst. 500 Meter hinter den Elektrofischer-Teams befanden sich Jungfischer, die durchgeflutschte Fische manuell mit Keschern, Netzen mit Rahmen und Griff, einfingen.

Schutz des Tierbestandes

Neben den heimischen Flußfischen Forelle und Äsche waren die Kreisfischer erstaunt, viele Hechte vorzufinden, der Größte über einen Meter lang: In Ökosystemen, in denen die Forelle heimisch ist, gilt der Hecht als „Schadfisch“ und muss entnommen werden. Während die heimischen Fische in die Mangfall umgesetzt wurden, fanden die Hechte in den Baggerseen Höglinger Weiher und Lauser Weiher eine neue Bleibe. Ungewöhnlich ist laut Borloni auch, im Kanal Zander zu entdecken. Hecht wie Zander entstammen vermutlich dem Stausee Vagen. Bei einem Notaus der Kraftwerksturbinen schießt Wasser in die Mangfall samt Fischen. Der Kreisfischereiverein hat mit den Betreibern zudem ein Abkommen, dass der Triftbach stets Restwasser führt, sodass Kleinstfische und Fischnährtiere überleben können. Grund: Fiele der Kanal trocken, dauerte es Monate, ehe wieder Fische ausgesetzt werden könnten. Würden wiederum in einem trocken fallenden Kanal keine Fische entnommen, gliche das Tierquälerei.

„Wir schützen den Tierbestand nach Kräften“, betont Borloni. Die natürliche Reproduktion alleine würde den Bestand allerdings nicht sichern. Beispielsweise laiche die stark bedrohte Äsche nur in jenem Gebiet, in dem sie aufgewachsen sei. Sie ist folglich nicht beliebig umsetzbar. „Nur dank unserer Besatzmaßnahmen ist der Fischbestand in Ordnung“, konstatiert der Experte. Dennoch bekümmern die Kreisfischer nicht nur Klima und natürliche Räuber wie Kormorane.

Zweimal im Jahr säubern sie ihre Gewässer „kubikmeterweise“ von Müll. Besonders betroffen: die Mangfall und der Höglinger Weiher. „Egal wohin man schaut, überall liegt Plastikmüll am und im Gewässer“, ärgert sich Borloni. Picknicker, Badegäste und Anwohner verhielten sich achtlos. Und in Bruckmühl und Feldkirchen würden immer wieder Grüngutabfälle in der Mangfall entsorgt, was sogar strafbar sei. Denn jeglicher Pflanzeneintrag in ein Gewässer fördere Algenwachstum und Verschlammung, reduziere den Sauerstoffgehalt, vernichte Laichplätze und Kleinstlebewesen. Steige dann noch die Wassertemperatur, verendeten die Fische massenweise. Borloni wünscht sich daher, dass der Grundsatz der Kreisfischer auch für jeden andern gelten sollte: „Wir verlassen den Platz sauberer als wir ihn vorfinden.“

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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