In Bayern ist das Armutsrisiko im Bundesländervergleich am niedrigsten: Neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge betrug die „Armutsgefährdungsquote“ im Jahr 2015 im Freistaat 11,6 Prozent. Schlusslichter waren Berlin mit 22,4 Prozent und Bremen mit 24,8 Prozent. Dennoch sind in Bayern 18- bis unter 25-Jährige und über 65-Jährige besonders armutsgefährdet. Überdurchschnittliche Armutsgefährdungsquoten weisen zudem Alleinerziehende und deren Kinder sowie Erwerbslose auf. Der Sozialverband VdK warnt vor „Einkommensarmut“, „Rentensinkflug“ und „Altersarmut“.
Die Armutsgefährdungsquote bezeichnet den Anteil derjenigen Personen, die mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens – dem Median der betrachteten Bevölkerung – auskommen müssen. Die Quoten werden entweder am Bundesmedian, am Landesmedian oder an einem regionalen Median gemessen. Dementsprechend liegt den Angaben für Bund und Ländervergleiche eine bundeseinheitliche Armutsgefährdungsschwelle zugrunde, während Berechnungen in den Bundesländern und in regionalen Einheiten dem jeweiligen Einkommensniveau besser Rechnung tragen.
Gemeinsame Grundlage aber ist der jährlich durchgeführte Mikrozensus bei rund einem Prozent aller Personen in Privathaushalten und Gemeinschaftsunterkünften. Diese „kleine Volkszählung“ ist die größte Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik und für die Befragten verpflichtend. Sie schließt die Datenlücke zwischen zwei Volkszählungen und dient als Hochrechungsrahmen und Kontrollinstrument für zahlreiche Erhebungen auf nationaler und internationaler Ebene.
Armutsgefährdung in Bayern
Den Ergebnissen des letzten Mikrozensus’ zufolge verzeichnete Bayern 2015 im Bundesländervergleich den niedrigsten Bevölkerungsanteil mit Armutsgefährdung: Bundesweit lag der Schwellenwert bei 942 Euro monatlich, die Armutsgefährdungsquote bei 15,7 Prozent – landesweit bei 1025 Euro monatlich und 11,6 Prozent. Differenziert nach Geschlecht waren im Freisaat von den Männern 10,3 Prozent und von den Frauen 12,9 Prozent von relativer Einkommensarmut betroffen. Eine erhöhte Armutsgefährdung wurde gemessen für junge Erwachsene im Alter von 18 bis unter 25 Jahren (16,8 Prozent) und für Personen ab 65 Jahren (16,7 Prozent).
Eine besonders hohe Armutsgefährdung wiesen Alleinerziehende und deren Kinder auf (36,7 Prozent). Dabei waren Haushalte mit Kindern unter 18 Jahren nicht generell von erhöhtem Armutsrisiko betroffen: Familien mit zwei Erwachsenen und einem oder zwei Kindern waren mit Quoten von 5,6 und 6,7 Prozent unterdurchschnittlich armutsgefährdet im Vergleich zu Haushalten mit zwei Erwachsenen ohne Kinder (neun Prozent) oder zu Einpersonenhaushalten (22 Prozent). Bei Familien mit zwei Erwachsenen und drei oder mehr Kindern wurde eine Armutsgefährdungsquote von 15,4 Prozent ermittelt.
Soziodemografie der Armut
Zwischen Erwerbsstatus und Einkommenssituation der Privathaushalte zeigt sich ein enger Zusammenhang: So waren von den bayerischen Erwerbstätigen insgesamt 5,4 Prozent von Armut bedroht, während die Quote bei den Erwerbslosen bei 43,8 Prozent lag. Personen ohne deutschen Pass waren mit 23,2 Prozent wesentlich häufiger armutsgefährdet als deutsche Staatsbürger (10,2 Prozent). Knapp jeder Fünfte mit Migrationshintergrund war von relativer Einkommensarmut betroffen (19,1 Prozent), Personen ohne Migrationshintergrund deutlich weniger (9,5 Prozent). Im Ergebnis wird die gängige Soziodemografie der Armut fortgeschrieben: Überproportional armutsgefährdet sind Alleinerziehende, Familien mit drei und mehr Kindern, Erwerbslose, Personen mit niedrigem Qualifikationsniveau sowie mit Migrationshintergrund.
Politische Maßnahmen
Der Sozialverband VdK leitet aus dem Ergebnis ab, Maßnahmen in verschiedenen Politikfeldern einzufordern, um Armut nachhaltig zu bekämpfen und vorzubeugen: „Erst durch das Zusammenwirken von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, von Bildungs-, Familien-, Gesundheits- und Wohnungspolitik kann Armut in unserem Land nachhaltig bekämpft werden“, betont Ulrike Mascher, Landesvorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern.
Armutsbekämpfung muss aus Sicht des VdK bereits im Kindesalter beginnen. Dazu gehöre ein „bedarfsgerechter Hartz IV-Regelsatz“, der Armut verhindere, Teilhabemöglichkeiten biete und vor Ausgrenzung schütze. Ebenso wichtig seien Maßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik, denn Einkommensarmut sei die wesentliche Ursache für Altersarmut. „Mit einem deutlich höheren gesetzlichen Mindestlohn und einem Zurückdrängen des Niedriglohnsektors muss dafür gesorgt werden, dass Menschen wieder von ihrer Arbeit leben und eine angemessene Alterssicherung über Grundsicherungsniveau aufbauen können“, betont Mascher.
Schließlich müsse in der Rentenpolitik nachgebessert werden, denn der Trend zur Altersarmut halte an: „Um der Zunahme von Altersarmut entgegenzuwirken, sind darüber hinaus eine Stabilisierung des Rentenniveaus, die Einführung eines Freibetrags von 100 Euro für Grundsicherungsbezieher sowie die Abschaffung der Abschläge für Erwerbsminderungsrentner erforderlich“, erklärt die bayerische VdK-Vorsitzende.
Alle Statistiken sind online abrufbar unter amtliche-sozialberichterstattung.de.
Olaf Konstantin Krueger
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