Badesaison – Warnungen vor Sorglosigkeit: Retter appellieren zu Vorsicht und Rücksicht
Start der Badesaison 2023 - Rettungsdienste mahnen zur Vorsicht. Foto: Olaf Konstantin Krueger
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Badesaison – Warnungen vor Sorglosigkeit: Retter appellieren zu Vorsicht und Rücksicht

München/Mühldorf a.Inn/Rosenheim — Der dies­jäh­ri­ge Start in die Badesaison wird flan­kiert vom Ro­man­tik-Fantasy-Musical-Film „Arielle, die Meer­jung­frau“. In deut­li­cher Ab­wand­lung des Kunst­mär­chens des dä­ni­schen Schrift­stel­lers Hans Christian Andersen von 1837, in wel­chem sich die Meer­jung­frau am Ende in Schaum auf­löst und in ei­nen Luft­geist ver­wan­delt, zeigt schon der Zei­chen­trick­film der Walt-Disney-Studios von 1989 ei­nen Ent­schei­dungs­kampf und ein klas­si­sches Happy End, in dem die Meer­jung­frau und der Prinz zu­sam­men­kom­men. Durch die woke Real­ver­fil­mung er­hält das kräf­te­rau­ben­de „Mermaiding“, bei dem man im Wasser mit einer „Meer­jung­frauen­flosse“ wie „Arielle“ in wel­len­för­mi­gen Be­we­gun­gen schwimmt, einen Auf­merk­sam­keits­schub und ent­spre­chen­de Schwimm­kurse be­kom­men Zu­lauf. Zu­lauf er­hal­ten bei stei­gen­den Tem­pe­ra­tu­ren und Son­nen­schein auch Frei­bäder und Bade­seen. Da­bei sehen Ret­tungs­diens­te die teils naive Leicht­fer­tig­keit der Aus­flüg­ler mit Sorge. Bei aller Fan­ta­sie und Un­be­schwert­heit mah­nen die Deutsche Lebens-Rettungs-Ge­sell­schaft und die Wasser­wacht des Baye­ri­schen Roten Kreuzes uni­so­no zu Vor­sicht und Rück­sicht. Grund ist die stei­gen­de Zahl an Ret­tungs­ein­sät­zen und Badetoten.

Die Zahl der Bade­un­fäl­le steigt wie­der. Einige Bei­spie­le aus den letz­ten vier Wochen:

28. April, Hallenbad von Haibach, Land­kreis Aschaffenburg. Ein Fünf­jäh­ri­ger ge­rät bei einem Schwimm­kurs mit dem Kopf unter Wasser. Au­gen­zeu­gen ret­ten das Kind aus dem Becken, alar­mie­ren den Not­arzt. Nach der Erst­be­hand­lung wird der Bub ins Kran­ken­haus ge­bracht. Dort ver­stirbt er. Die Polizei er­mit­telt, ob Auf­sichts­pflich­ten ver­letzt wor­den sind.

17. Mai, Frei- und Hallenbad Kleinfeldchen, Wiesbaden. Ein 14-Jäh­ri­ger ver­un­fallt beim Schwimm­un­ter­richt. Der Siebt­kläss­ler wird so­fort von Lehr­kräf­ten re­ani­miert und ins Kran­ken­haus ge­bracht. Dort liegt er tage­lang im Koma, be­vor er ver­stirbt. Der Junge war Mit­glied in ei­nem Schwimm­verein, galt als guter Schwimmer, soll je­doch unter einer schweren Krank­heit ge­lit­ten ha­ben. Die Polizei er­mit­telt, ob die be­glei­ten­den Lehr­kräfte ihre Auf­sichts­pflicht ver­letzt haben.

27. Mai, Freizeitsee Bebra-Breitenbach, Land­kreis Hersfeld-Rotenburg. Mehrere Ju­gend­li­che sind am Nach­mit­tag auf dem Breitenbacher See mit einem Boot un­ter­wegs. Ein 13-Jäh­ri­ger und ei­ne 15-Jäh­ri­ge ge­hen ins Wasser, dann unter. Die an­de­ren Ju­gend­li­chen ver­su­chen er­folg­los, sie zu ret­ten, holen dann Hilfe. Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und Feuerwehr suchen stun­den­lang nach den beiden. Ein Polizei­hub­schrau­ber wird ein­ge­setzt. Als sie ge­fun­den wer­den, kön­nen die Helfer trotz direkt ein­ge­lei­te­ter me­di­zi­ni­scher Maß­nah­men nur noch deren Tod fest­stel­len. „Es war ein Bade­un­fall, da sind wir uns ganz sicher“, er­klärt ein Polizei­spre­cher am Pfingst­sonn­tag. Die bei­den konn­ten schwim­men. Dass sie in Not ge­rie­ten, „dürfte auch an den nie­dri­gen Wasser­tem­pe­ra­tu­ren ge­le­gen haben“.

29. Mai, Unterschleißheim, Landkreis München. Ein 23-Jäh­ri­ger geht in einem See circa 25 Meter vom Ufer ent­fernt unter. Sofort be­nach­rich­tigt, neh­men Ein­satz­kräfte der DLRG, der Wasserwacht, der Feuerwehr und des Ret­tungs­diens­tes die Suche in- und außer­halb des Wassers auf. Wieder ist ein Hub­schrau­ber im Ein­satz. Die DLRG lo­ka­li­siert den Ver­miss­ten mit dem Hand-Sonar-Gerät „Aqua-Eye“ unter Wasser. Nach er­folg­lo­ser Re­ani­ma­tion stellt der Not­arzt den Tod des Mannes fest.

Zunahme der Todesfälle durch Ertrinken

Rettungsdienste mahnen zu Beginn der Badesaison 2023 ein­dring­lich zu Vor­sicht und Rück­sicht. Einer der Gründe: Die DLRG hat für 2022 eine Zu­nah­me der Todes­fälle durch Er­trin­ken fest­ge­stellt. Ihrer Sta­tis­tik zu­fol­ge sind im ver­gan­ge­nen Jahr in Deutschland min­des­tens 355 Men­schen er­trun­ken, 56 mehr als im Jahr 2021, ein Plus von 19 Pro­zent. DLRG-Prä­si­den­tin Ute Vogt (SPD) er­klärt den An­stieg mit der Auf­he­bung der be­hörd­lich an­ge­ord­ne­ten re­strik­ti­ven Corona-Maßnahmen: „Wäh­rend des lan­gen war­men Sommers ohne nen­nens­wer­te Corona-be­ding­te Ein­schrän­kun­gen sind die Men­schen wie­der mehr in zu­meist un­be­wach­ten Seen und Flüs­sen schwim­men ge­gan­gen. Da­mit stieg auch das Risiko für Un­fälle“, kon­sta­tiert Vogt.

Insgesamt 308 der erfassten tödlichen Unglücke (rund 87 Pro­zent) er­eig­ne­ten sich 2022 in Bin­nen­ge­wäs­sern: Allein 147 Per­so­nen (2021: 120) er­tran­ken in Seen, 105 (95) in Flüs­sen, 15 (acht) in Bächen, 22 (elf) in Teichen und 19 (16) in Kanälen. Selbst in Schwimm­bädern stieg die Zahl der töd­li­chen Un­glücks­fälle (von sie­ben auf 13). Knapp zwei Drit­tel der To­des­fäl­le im Wasser (65 Pro­zent) ver­zeich­ne­te die DLRG al­lein in der Bade­saison von Mai bis Ende August: Letz­tes Jahr er­tran­ken im Ver­gleich mit dem Vorjahr deut­lich mehr Menschen im Mai (+19) und Au­gust (+33). Darum ap­pel­liert Vogt, in dieser Bade­saison weder in un­be­wach­ten Ge­wäs­sern zu baden noch leicht­fer­tig zu handeln.

Die Wasserwacht des Bayerischen Rotes Kreuzes ruft zu­dem zum Respekt vor dem Ele­ment Wasser auf, das nie zu un­ter­schät­zen sei – ob am See, im Frei­bad oder an Flüs­sen: „Wir war­nen er­neut und mit Nach­druck da­vor, mit zu viel Sorg­lo­sig­keit ins Wasser zu ge­hen“, ap­pel­liert der Lan­des­vor­sit­zen­de der Wasser­wacht Bayern, Thomas Huber, MdL (CSU), aus Grafing bei München. „Jeder Bade­un­fall ist einer zu viel und muss un­be­dingt ver­mie­den wer­den.“ Ge­fah­ren am und im Wasser wür­den nach wie vor zu oft un­ter­schätzt – die Fol­gen seien oft tra­gisch. Die Wasser­wacht hat digitale Schau­bil­der, Flyer und Bro­schü­ren mit Ver­hal­tens­re­geln er­stellt, die on­line ab­ge­ru­fen wer­den kön­nen unter wasserwacht.bayern/baderegeln.

Rücksicht auf Ökosysteme

Besondere Verhaltensregeln gelten in­des­sen beim Baden in Na­tur­schutz­ge­bie­ten. Eis­zeit­seen wie Langbürgnersee, Hartsee und Pellhamer See im Land­kreis Rosenheim sind Le­bens­raum für zahl­rei­che sel­te­ne und ge­schütz­te Pflan­zen und Tiere. Sie dür­fen nur in frei­ge­ge­be­nen Be­rei­chen wie den of­fi­ziel­len Bade­plät­zen be­tre­ten wer­den. Die übri­gen Ufer­be­rei­che sind wegen ihrer hohen na­tur­schutz­fach­li­chen Be­deu­tung zu mei­den, er­klärt Patrick Guderitz, Ge­biets­be­treuer der Eggstätt Hemhofer Seenplatte und Seeoner Seen. „Die Ve­ge­ta­tion dort bie­tet vielen Tieren Brut­ha­bi­ta­te, Nah­rung und gute Ver­steck­mög­lich­kei­ten. Zu­dem sind viele Arten ge­schützt“, ver­an­schau­licht Guderitz und zählt da­zu Wasser­vögel, Klein­säu­ger, alle Ar­ten von In­sek­ten so­wie sel­te­ne Pflan­zen. „Manche von ihnen kommen in Bayern fast nur noch hier vor, wie zum Bei­spiel die Zier­li­che Moos­jung­fer, ei­ne vom Aus­ster­ben be­droh­te Libellen­art.“ Guderitz ap­pel­liert, laute Musik oder Ge­räu­sche zu ver­mei­den, Hunde an­zu­lei­nen sowie beim Schwimmen vor­sich­tig und um­sich­tig zu sein, um keine Wasser­pflan­zen zu schädigen.

Geht es wiederum um das Baden in Inn und Isen, er­klärt das Land­rats­amt Mühldorf a.Inn, bei den letzten Be­pro­bun­gen zwar keine Leit- und Grenz­wert­über­schrei­tun­gen fest­ge­stellt zu ha­ben, rät je­doch „ge­ne­rell vom Baden in diesen Flüs­sen ab“. Der Kreis­ver­band Mühldorf e. V. der DLRG in­for­miert on­line unter muehldorf.dlrg.de über wich­ti­ge Baderegeln.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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