Wasserburg a.Inn / Babensham — Disput zwischen der Bürgerinitiative „Wasserburger Land“ und Babenshams Erstem Bürgermeister: Nach Ansicht des BI-Vertreters Ambros Huber hat Bürgermeister Josef Huber gegen das gesetzlich vorgegebene Sachlichkeitsgebot verstoßen. Dieser habe den kommenden Bürgerentscheid „Ja für ein Babensham ohne Deponie!“ in der Februar-Ausgabe des Gemeindeblattes in seiner Eigenschaft als Bürgermeister abgelehnt. Das Landratsamt Rosenheim wertet den beanstandeten Artikel als Rechtsaufsichtsbehörde für die kreisangehörigen Rosenheimer Kommunen dagegen als private Meinungsäußerung: Ein Bürgermeister dürfe dem Gesetz nach seine Amtsbezeichnung auch außerhalb des Amtes führen und unterliege als Privatperson nicht dem Sachlichkeitsgebot.
Die Anspannung vor dem Bürgerentscheid „Ja für ein Babensham ohne Deponie!“ am 27. Februar steigt. Die Initiatoren des Bürgerentscheides wollen die Gemeinde dazu verpflichten, konsequent gegen die im Ortsteil Odelsham geplante oberirdische Deponie für nicht gefährliche und gefährliche Abfälle (Deponieklasse I) vorzugehen. Die Gegner des Bürgerentscheides betonen wiederum, diese Deponie ebenfalls abzulehnen, jedoch das rechtsstaatliche Verfahren abwarten zu wollen, um dann bei einer positiven Entscheidung der Regierung von Oberbayern dagegen zu klagen und dafür bis zu 100.000 Euro aus dem Babenshamer Haushalt einzusetzen. Ihnen zufolge verhindert eine Zustimmung zum Bürgerentscheid nicht die Deponie, wohl aber, dass die Gemeinde alle Rechtsmittel gegen sie ausschöpfe.
Für weiteren Disput zwischen den Kontrahenten sorgt ein Artikel in der Februar-Ausgabe des Mitteilungsblattes der Gemeinde Babensham. In der 28-seitigen Ausgabe des Gemeindeblattes, einer Postwurfsendung an sämtliche Haushalte und online abrufbar unter babensham.de, sind die ersten zehn Seiten nur dem bevorstehenden Bürgerentscheid gewidmet. Die Titelseite weist knapp auf Formalia hin. Auf der zweiten Seite bitten 14 der 16 Gemeinderäte mit Bildnis und auf der dritten Seite Bürgermeister und Gemeinderäte der Wählergemeinschaften Babensham und Kling um die Ablehnung des Bürgerentscheides. Auf den Seiten 4 und 5 erläutert Gemeinderat Stephan Wimmer das Planfeststellungsverfahren im Detail. Und auf den Seiten 6 bis 10 erklärt Ambros Huber als Vertreter des Bürgerbegehrens die Sichtweise der „Bürgerinitiative zur Erhaltung von Umwelt und Lebensqualität im Wasserburger Land e. V.“. Die verbleibenden Seiten sind gefüllt mit Meldungen aus Verwaltung, Bücherei, Kita, Schulen, Vereinen sowie mit Werbung.
Landratsamt Rosenheim verwirft Eingabe
Nach Erscheinen der Ausgabe tadelt Ambros Huber Babenshams Ersten Bürgermeister Josef Huber, mit dessen Abstimmungsempfehlung gegen den Bürgerentscheid „unzulässige Wahlbeeinflussung“ betrieben zu haben. Zudem würden „falsche Behauptungen aufgestellt: nämlich, dass mit einer Ja-Stimme zum Bürgerentscheid der Gemeinderat keine Entscheidungsgewalt mehr über Umfang und Dauer einer Klage hätte, der Gemeinderat somit handlungsunfähig wäre und die Gemeinde ohne Obergrenze zahlen müsse“. Eine Eingabe beim Landratsamt Rosenheim bleibt allerdings folgenlos.
Das Landratsamt erklärt, die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) binde nur die Gemeinde sowie die in amtlicher Eigenschaft handelnden Organe und vertretungsberechtigten Personen der Gemeinde bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit zum Bürgerentscheid (Art. 18a Abs. 15 GO). Dagegen fielen private Meinungsäußerungen des ersten Bürgermeisters, von Mitgliedern des Gemeinderates und von im Gemeinderat vertretenen Parteien nicht darunter.
In der Februar-Ausgabe des Mitteilungsblattes sei lediglich die erste Seite der Gemeinde zuzurechnen. Hier werde auf Termin und Ablauf des Bürgerentscheides hingewiesen. Beim Aufruf des Bürgermeisters und der Gemeinderäte der Wählergemeinschaften Babensham und Kling sei Josef Huber „nicht in amtlicher Eigenschaft, sondern als Privatperson aufgetreten“. Dem Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (Kommunal-Wahlbeamten-Gesetz – KWBG) folgend könnten Beamte auf Zeit ihre Amtsbezeichnungen auch außerhalb des Dienstes führen (Art. 29 Abs. 1 Satz 2 KWBG). Als Privatperson unterliege der Bürgermeister aber nicht dem Sachlichkeitsgebot. Die Gemeinderatsfraktionen seien kein Organ der Gemeinde oder des Gemeinderates und unterlägen ebenfalls nicht dem Sachlichkeitsgebot. Ergo: Der im Gemeindeblatt veröffentlichte Aufruf und die Ausführungen verstoßen nicht gegen das von der Gemeinde zu beachtende Sachlichkeitsgebot.
BI warnt vor „Falschinformationen“
Der BI-Vorsitzende und Gemeinderat Dr. Roger Diller insistiert hingegen, die Bürger hätten „ein Recht auf sachlich korrekte Informationen“. Josef Huber hätte sich im Namen von „Bürgermeister und Gemeinderäte/-innen der Wählergemeinschaften“ an die Bevölkerung gewandt, weshalb nicht erkennbar sei, dass er dies als Privatperson getan hätte. „Diese Falschinformationen und die unzulässige Abstimmungsempfehlung im offiziellen Gemeindeblatt dürfen nicht Entscheidungsgrundlage für den Bürgerentscheid sein“. Die Bürger sollten sich „nicht in die Irre führen zu lassen“, so Diller.
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