„Sei doch nicht so neugierig!“ Mit diesen Worten nimmt man der kindlichen Entdeckerfreude knallhart den Wind aus den Segeln. Was ist denn so schlimm am Fragen? Ohne diese jeden Tag zum Fest machende Neugierde blieben uns wertvolle Begegnungen verborgen und das Leben würde unspektakulär und sinnbefreit an uns vorbeiziehen. Meine heutige Begegnung ist zum Glück nicht unspektakulär. Ich freue mich auf Lukas Deliano, die Personifikation ungebremster Neugierde.
In seinem speziellen Fall wird die Neugierde und der unbedingte Anspruch, es einfach etwas genauer wissen zu wollen, von einem winzigen Wermutstropfen begleitet: Der Wasserburger Röstmeister wird vermutlich niemals auf eine Tasse Kaffee in privatem Ambiente eingeladen. Das konnte er nicht ahnen, als er vor acht Jahren seiner bayerischen Heimat den Rücken kehrte, um am Hamburger Hafen, dem Hot Spot des internationalen Rohkaffeehandels, seinem Interesse an der Kaffeebohne Raum zu verschaffen. Inzwischen röstet Lukas Deliano in der ehemaligen Backstube seiner Großeltern mit ungebremster Leidenschaft erlesenste Bohnen aus aller Welt.
Nina Bufalino im schnörkellos ungefilterten Gespräch mit Lukas Deliano.
Oh, Bob der Baumeister… ich dachte, wir reden gemütlich in der Rösterei. Brauche ich einen Helm?
Nein, die Bauphase ist längst vorbei, wir sind so gut wie fertig mit dem Umbau! Meine kleine Rösterei kam langsam an ihre Grenzen. Rösten, verkosten, beraten und verkaufen, das hat natürlich Charme, aber es war an der Zeit, die Kaffeeliebhaber mit einem neuen Ladenkonzept zu überraschen. Momentan befinden wir uns in der Hofstatt, dem Eingang zur ehemaligen Backstube meiner Großeltern. Die neuen Verkaufsräume sind dann vorne in der Ledererzeile, wo früher Backwaren verkauft wurden.
Back to the roots, nur mal eben Mehl gegen Kaffee ausgetauscht! War Bäcker- werden denn keine Option für Dich?
Weder Bäcker noch Röstmeister. Ich bin gelernter Kunstschmied. Nach der Lehre habe ich auf der Akademie für Gestaltung noch die fachspezifische Weiterbildung zum „Gestalter im Handwerk“ absolviert.
Oh, sorry! Jetzt hab‘ ich Schubladendenken für Anfänger zelebriert. Großeltern mit Bäckerei, Mama Christine ist gegenüber mit der Deliano Backstube – da hab‘ ich den Sohn gleich mal mit reingepackt! Wie kamst Du nun zum Rösten?
Das Handwerk hat mir schon gefallen und ich zehre immer noch davon. Die Einrichtung der Rösterei und auch der Verkaufsräume habe ich mit meinem Freund und damaligen Lehrmeister Peter Reich gestaltet. Als ich die Lehre begann, war ich 15 und als Kunstschmied ist man sehr für sich. Ich musste irgendwann unter die Leute. Da kam der Zivildienst gerade recht. Danach musste ich zum Überbrücken erstmal Geld verdienen und stand in der Deliano Backstube hinter der Kaffeemaschine. Das war so der Beginn dieser Barista-Ära und den Schaumherzen auf dem Cappuccino. Der Kunstschmied malte Milchbilder – das nennt sich Latte-Art! Mit den Milchfiguren zaubern konnte ich mich zunächst kreativ bei Laune halten, aber irgendwann war es mir zu wenig. Ich fragte mich, wie der Geschmack des Kaffees zustande kam. Dann kribbelte es im Kopf – ich besuchte Röstereien und bewegte mich step-by-step Richtung Spezialitätenbereich. An dieser Stelle muss ich mich bei einem Röster aus der Region bedanken, den ich nach der Zusammensetzung eines Blends, fragte. „Das werden Sie nie herausschmecken!“, sagte er.
Das hat Dich angespornt?
Natürlich! Ich wollte ein anderes Level erreichen und da kam eben nur Hamburg in Frage. Ich gab mir genau ein Jahr, um so viel wie möglich über den Rohstoff zu erfahren. Meine Existenz sichern sollte für diese Zeit ein Job in der Gastronomie der renommierten Speicherstadt Kaffeerösterei. Ich gab Vollgas, habe Businesspläne erstellt und versucht, die Abläufe dort so effektiv wie möglich zu gestalten. Nach meinen Schichten ging es mit der „Kaffeeforschung“ weiter. Ich nahm bei den Verkostungen teil, schaute die Bohnen an und fragte mich: Wer bist Du, welcher Kaffee ist das wohl?
Ist der Tatendrang des wissbegierigen Bayers aufgefallen?
Thimo Drews und Andreas Wessel-Ellermann, das sind die Gründer der „Speicherstadt Kaffeerösterei“, hat mein Antrieb und das Interesse wohl schon imponiert. Nach drei Monaten durfte ich die erste Schulung vor 30 Leuten geben und ab da ging es zügig voran!
Und die Bohne hatte endlich ein Gesicht und einen Namen! Was nun?
Einen Wunsch hatte ich noch: Ich wollte den Rohstoffhandel kennenlernen. Nur dort lernst Du die ganze Bandbreite des Kaffees kennen, siehst die Qualität der Bohnen und Du erfährst, was wer kauft! Das öffnet einem schon die Augen.
Hast Du nie daran gedacht, in Hamburg zu bleiben?
Natürlich habe ich mit dem Gedanken gespielt. Aber die Idee, heimzukommen und selbst zu rösten hat gesiegt!
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