Corona-Krise: Volksbegehren zur Abberufung des Bayerischen Landtags – Herrmann: „Ganz eindeutig aus der Querdenker-Szene“
Das Maximilianeum in München, Sitz des Bayerischen Landtags. Foto: Pixabay
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Corona-Krise: Volksbegehren zur Abberufung des Bayerischen Landtags – Herrmann: „Ganz eindeutig aus der Querdenker-Szene“

München — In Bayern können die Wahlberechtigten Mitte Oktober per Volksbegehren über die Abberufung des Landtags entscheiden. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hat die Prüfung des vom „Bündnis Landtag abberufen“ eingereichten Antrags abgeschlossen und dem Zulassungsantrag stattgegeben. Die dafür notwendige Zahl von mindestens 25.000 stimmberechtigten Unterzeichnern war erreicht. Innenminister Joachim Herrmann sieht das Volksbegehren gleichwohl kritisch, denn die Betreiber kämen „ganz eindeutig aus der Querdenkerszene“ und bezeichneten die repräsentative Demokratie als untauglich. Das „Bündnis“ erklärt wiederum auf seiner Initiativ-Website, das Volksbegehren solle die politischen Aktivitäten der bayerischen Bürger „stimulieren“: „Feindbilder haben wir nicht.“

Der Bayerischen Verfassung (BV) zufolge ist das Volk Träger der Staatsgewalt (Art. 2 I 2 BV), das seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen kundtut (Art. 2 II 1 BV). Die Staatsgewalt wird ausgeübt durch die stimmberechtigten Staatsbürger, durch die von ihnen gewählte Volksvertretung und durch die mittel- oder unmittelbar von ihr bestellten Vollzugsbehörden und Richter (Art. 4 BV). Daneben kann das Volk unmittelbar gesetzgebend tätig werden, indem Gesetzesvorlagen durch Volksbegehren (VB) in den Landtag eingebracht und bei Ablehnung durch diesen über Volksentscheid herbeigeführt werden (vgl. Art. 74 BV). Des Weiteren muss dem Volk jeder Landtagsbeschluss auf Verfassungsänderung zur Entscheidung vorgelegt werden (Art. 75 II 2 BV). Auf Antrag von einer Million wahlberechtigter Staatsbürger kann der Landtag zudem durch Volksentscheid abberufen werden (Art. 18 III BV). Folge: Im Freistaat wurden seit 1946 insgesamt 21 Volksbegehren und 19 Volksentscheide durchgeführt, elf Volksbegehren und 16 Volksentscheide betrafen Verfassungsänderungen.

Volksbegehren zur Abberufung des Landtags

Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (BStMI) hat am 27. Juni dem Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens zur Abberufung des Landtags stattgegeben. Das „Bündnis Landtag abberufen“ hat in der Corona-Krise die dafür notwendige Zahl von mindestens 25.000 stimmberechtigten Unterzeichnern vorgelegt. Weiterer Gang: Die zweiwöchige „Eintragungsfrist“ beginnt am Donnerstag, 14. Oktober, und endet am Mittwoch, 27. Oktober. In diesem Zeitraum müssen alle bayerischen Kommunen entsprechende Listen zum Eintrag der Unterzeichnungserklärungen auflegen. Die Stimmabgabe ist alternativ per „Eintragungsschein“ möglich. Dieser kann frühestens am 41. Tag vor Beginn der Eintragungsfrist (Freitag, 3. September) bis zu ihrem Ende bei der jeweiligen Kommune beantragt werden.

Joachim Herrmann (CSU), Zweiter Stellvertreter des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder (CSU) sowie Innenminister und Mitglied des Landtags, erklärte allerdings gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (BR): „Was mich etwas besorgt macht ist, dass die Betreiber dieses Volksbegehrens ganz eindeutig aus der Querdenker-Szene kommen und unser ganzes demokratisches System – praktisch alle Parteien, die im Landtag vertreten sind – als völlig untauglich bezeichnen.“

„Querdenkertypische Inhalte“

Das Informationsportal „Endstation Rechts. Bayern“ – ein Projekt der BayernSPD und der Jungsozialisten Bayern „über Neonazis und Rechtsextremismus in Bayern“, dessen Schirmherrin die SPD-Landtagsabgeordnete Natascha Kohnen ist – konstatiert ebenfalls, hinter dem Bündnis stünden maßgeblich Aktivisten der bayerischen Querdenker-Szene, die „querdenkertypische Inhalte“ verbreiteten. Mit Verweis auf das BStMI seien neben der WirPartei auch Querdenken 089 München und Querdenken 8041 Bad Tölz beteiligt. Namentlich erwähnt werden Aktivisten wie der ehemalige Münchner Polizeihauptkommissar Karl Hilz.

Die SPD hatte bereits im März die von Herrmann im Innenausschuss bestätigte Beobachtung einiger Personen der bayerischen Querdenker begrüßt: „Bei den Querdenkern tummeln sich gefährliche Verschwörungstheoretiker mit teils rechtsextremen und demokratiefeindlichen Ansichten, die durchaus gewaltbereit sind“, erklärte der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter. Und die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Katharina Schulze, warnte vor „Corona-Leugnern“: Diese seien zum Teil „echte Demokratiefeinde, antisemitisch und rechtsextrem“.

Landtag steht weniger in der Öffentlichkeit

Das „Bündnis Landtag abberufen“ begründet sein Ansinnen auf der Initiativ-Website unter anderem damit, der Bayerische Landtag habe sich selbst „abgeschafft“: In Deutschland werde über Ermächtigungen und Verordnungen „durchregiert“, der Landtag sei „aktuell überflüssig“ und ohne Gesetzgebungskompetenz: „Im Grunde stellt sich die Frage, ob nicht darüber abgestimmt werden sollte, den Landtag ganz abzuschaffen. Dann könnte der Ministerpräsident einfach durch einen Beamten ersetzt werden, den die Zentralregierung in Berlin bestimmt.“

Dieser Lesart begegnet Dr. Walther Michl, LL.M., Akademischer Rat an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), im BR: Der Bund habe zwar mit dem Infektionsschutzgesetz und den Verordnungsermächtigungen sehr viel Macht an sich gezogen, was aber nicht heiße, dass der Bayerische Landtag überflüssig wäre. Seine Arbeit stünde bloß weniger in der Öffentlichkeit.

Fände das VB die notwendige eine Million Unterstützer, so könnten sich laut der Initiatoren bei vorgezogenen Neuwahlen neben den vorhandenen Parteien neue bewerben. Ziel wäre „die Integration der direkten Demokratie, also die direkte Mitsprache der Bürger“. Dem dienten weitere Volksentscheide, etwa zur Ergänzung der Wahlmöglichkeiten mittels digitaler Stimmabgabe und zur Neuordnung der Rundfunkgebühren: „Und das wichtigste Signal ist, dass wir gemeinsam den Landtag jederzeit wieder abberufen können…!“

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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