Kennen Sie das Gefühl, wenn einem ganz warm ums Herz wird? Das ist nicht nur so eine Redewendung! Ich habe es selbst erfahren dürfen. Wenn Sie mir nicht glauben, dann haben Sie Ilhan Gültekinoglu noch nicht kennengelernt. Mit erstaunlicher Offenheit und viel Feingefühl erzählte er mir aus seinem Leben zwischen zwei Kulturen, von seiner Passion für Diamanten und der, bis heute, tiefen Verbundenheit zu seiner verstorbenen Frau Anette.
Nina Bufalino im Gespräch mit dem wunderbaren Ilhan Gültekinoglu.
Herr Gültekinoglu, unter dem Namen Aria Gold betreiben Sie zusammen mit Ihrem Sohn Armin an zwei Standorten ein Geschäft zum Ankauf von Edelmetallen. Dachten Sie sich schon als kleiner Bub: „Wenn ich mal groß bin, dann möchte ich Gold ankaufen!“, oder für was schlug damals Ihr Herz?
Astronomie war meine Leidenschaft, Ich hatte sämtliche Bücher, die ich mir von meinem Taschengeld kaufen konnte. Jörg, mein bester Schulfreund war auch so begeistert und dann raste auch noch der Komet Kohoutek 1973 auf die Erde zu. Wir hatten kein anderes Thema auf dem Schulweg und waren auch einmal ohne unsere Eltern am Abend in der Sternwarte um Kohoutek zu sehen. Man muss sich das mal vorstellen, wir waren ja erst 10 Jahre alt!
Wie kam es dann, dass Sie sich dazu entschlossen, in der Schmuckbranche Fuss zu fassen?
Ich ging in die siebte Klasse in Berlin, als meine Eltern sich entschlossen haben, zurück in die Türkei zu gehen. Ein Anschluss an die Schule erwies sich als schwer, da mein Türkisch ziemlich dürftig war und ich zwei Klassen zurückgestuft worden wäre. Ich wollte auch nicht mehr in die Schule, mir war das dort alles viel zu fremd. Damals gab es auch keine Schulpflicht. Meine Schwester arbeitete bereits in einem großen Warenhaus für Schmuck, Teppiche und Souvenirs am Basar in Istanbul. Als perfekt Deutsch sprechender Junge – mit guten Englischkenntnissen und einem bisschen Französisch aus der siebten Klasse – war ich in der damaligen Türkei sehr gesucht.
Erinnern Sie sich noch an die Emotion, die Sie für Juwelen hatten?
Ich erinnere mich an den Moment als mir mein Chef, ein türkischer Juwelier, einen Diamantring präsentierte. Ich kannte den Preis, hatte dem Ring aber keine große Beachtung geschenkt. Erst als mein Chef mir zeigte, wie man den Diamantring voller Wertschätzung, mit den Fingerspitzen und entsprechender Aufregung und Achtung hochhält und im Licht glitzern lässt, kam bei mir der Wow-Effekt und später die Liebe zu Edelsteinen und Goldschmuck. Da war ich allerdings auch erst 14 Jahre alt.
Was lösen diese Steine bei Ihnen aus?
Nun es sind nicht nur die Diamanten auch Smaragde faszinieren mich. Alle anderen Edelsteine weniger. Ich glaube, eine Energie zu spüren und empfinde auch Ruhe und Klarheit, wenn ich einen Diamanten anschaue. Wir wissen viel zu wenig über Licht und die Kraft des Lichts. Ich bin davon überzeugt, diese Kraft des kohärenten Lichts eines Diamanten zu spüren.
Hat man in der Türkei ein anderes Verhältnis zum Schmuck als hier in Deutschland?
Definitiv ja, und zwar über alle Schichten – von den Ärmsten angefangen. Aber das hängt auch mit der sozialen Unsicherheit zusammen, die man in der Türkei hat. In Anatolien kann ein Mann nicht um die Hand einer Frau bitten, wenn er ihr zur Hochzeit keine zehn oder zwanzig 22-karätige Armreifen und Ketten umhängen kann. Jeder Türke verfolgt täglich den Goldpreis und kennt sich auch bestens damit aus. Es ist wie eine zweite Währung für die Menschen. In Deutschland ist Goldschmuck zu tragen nicht mehr sehr zeitgemäß. Er liegt eher in der Schublade.
Sie meinen, dass Schmuck ein wenig aus der Mode gekommen ist? Der Erbschmuck von der Oma zum Beispiel…
Ja, es ist tatsächlich so. Viele bringen den alten Goldschmuck zu uns rein und nehmen dann im Gegenwert Goldbarren mit oder verkaufen ihn und erfüllen sich vom Erlös einen Wunsch. Oft sind das mehrere tausend Euro, weil der Goldpreis so extrem gestiegen ist. Vom letzten Jahr bis heute sind es 70 Prozent.
Was sind denn das für Menschen, die bei Ihnen Schmuck verkaufen und welche Geschichten verbergen sich hinter dem Verkauf?
Manche kommen mit ein paar Gramm Silber, damit es der Umwelt zuliebe fachgerecht recycled wird. Andere kriegen regelmäßig von der Oma oder der Mama ein paar Schmuckstücke zum Verkaufen, um damit eine neue Küche oder die Autoreparatur zu bezahlen. Oft kommen auch ganze Familien mit ihrem Nachlass in mehreren Schmuckschatullen, wo wir alles im Beisein bewerten und ankaufen. Oder Anleger, die über ihr ganzes Leben Goldbarren und Münzen gekauft haben und mehrere Kilo auf einmal verkaufen möchten. Es sind nur sehr selten traurige Geschichten hinter einem Verkauf. Ich könnte wirklich sagen, dass die Kunden glücklicher sind, wenn Sie gehen. Es tut fast allen gut, Klarheit zu schaffen, Bilanz zu ziehen und nach vorne zu schauen. Man hat ja meist etwas Gutes vor mit dem Geld.
Hätten sie da ein amüsantes Beispiel für unsere Leser?
Ja sicher! Da kamen mal zwei Freundinnen direkt aus dem Gerichtsgebäude nach einer Scheidung und verkauften richtig fröhlich den Ehering und gingen anschließend ordentlich zum Feiern!
Ihre Frau Anette ist erst vor drei Jahren verstorben. Welche Erinnerungsstücke waren für Sie von emotionalem Wert?
Nicht die Schmuckstücke und auch nicht ihre Rolex. Wenn Sie einen Diamantring anschauen oder Gold, dann erinnert sie das nicht an den Menschen. Ich habe ihren Geldbeutel und ihre braunen Leder-Handschuhe. Da wo sie immer lagen, dort liegen sie jetzt auch. Im Gang auf dem Sideboard.
Tragen Sie selbst auch Schmuck?
Ich habe einen Diamantring am linken Ringfinger und meinen Ehering rechts, die ich beide nie abnehme. Ich hatte sie einen Tag mal nicht dran und da lief alles schief…
Ihr Sohn ist mit Ihnen im Geschäft. Konnten Sie ihre Passion für Juwelen auch an Ihre beiden Töchter weitervererben oder haben die beiden andere Berufsvorstellungen gehabt?
Meine große Tochter hat bei mir gelernt und ist auch in der Branche. Die jüngere ist Lehrerin mit Leib und Seele. Ich finde, dass das ein wundervoller Beruf ist, ich habe meine Grundschullehrerin nie vergessen!