Semmelmayr: „Qualität und Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif“.
Insgesamt acht Mal hat das „Netzwerk Tourismuswirtschaft Chiemgau“ in den beiden letzten Wochen virtuell getagt. Zum Netzwerk, das Chiemgau Tourismus e.V. (CT) aufgrund der Corona-Krise ins Leben gerufen hat, gehören unter anderem Vertreter von Hotels, Seilbahnen, von Urlaub auf dem Bauernhof und von Tourist Informationen, auch der angrenzenden Tourismusregionen.
Unter der Federführung des Tourismusverbands CT berieten die Teilnehmenden, wie es in der Region mit und nach Corona weitergehen kann. In der Abschlusssitzung am Donnerstag, 7. Mai, verständigte sich das Gremium auf drei zentrale Punkte: die Schaffung eines Info-Pools für (Tages-) Gäste, die Saisonverlängerung bis Ende November sowie ein einheitliches Statement zur Preispolitik im Gastgewerbe. Die Vorbereitungen für den Info-Pool starten sofort.
Das Ergebnis stellt CT-Geschäftsführer Stephan Semmelmayr sich so vor: „Wenn ich an Pfingsten von Deggendorf aus einen Ausflug machen möchte, schau ich zuerst in den Info-Pool. Da steht dann, dass der Parkplatz der Chiemsee-Schifffahrt erst ab 15 Uhr wieder öffnen kann. Es wird voraussichtlich bei allen Freizeitangeboten Kapazitätsbeschränkungen geben. Wenn ich für den Vormittag nach Alternativen suche, finde ich vielleicht die Gnadenkapelle in Altötting oder den Lokschuppen in Rosenheim, die noch freie Zeitfenster haben. Vorausgesetzt natürlich, dass die Informationen stunden- oder sogar minutenaktuell gepflegt sind. Wir werden in den Wochen bis Pfingsten sehr viel Hirnschmalz in dieses Projekt stecken müssen, das ist uns bewusst. Unser Ziel ist es, mit diesen zentral gebündelten Informationen Staus zu vermeiden, die Besucher sinnvoll zu lenken und unsere Gäste nicht zu enttäuschen.“
Die nächsten Wochenenden sieht Semmelmayr als Testlauf, bei dem man die Hot-Spots schon beobachten kann. Pfingsten werden die Urlaubsgäste dann „eine Schippe drauflegen“, wie der Tourismus-Experte es formuliert, denn: „Die Nachfrage für die Pfingstferien ist schon wenige Minuten nach der Verkündung der Lockerungen sprunghaft angestiegen. Darauf müssen wir uns einstellen.“
Kein langes Fackeln gab es auch beim Thema Saisonverlängerung. Alle Konferenz-Teilnehmer sprachen sich für die Empfehlung aus, Hotels, Gasthäuser, Seilbahnen und Almen nicht wie üblich Ende Oktober zu schließen. Einerseits, weil vielleicht nicht alle Reisewilligen im Augenblick auch reisen können – etwa, weil sie in Kurzarbeit sind oder gerade keine Einkünfte haben. Ein halbes Jahr später, sagt Semmelmayr, sehe die Welt vielleicht schon wieder anders aus. Zum anderen, um den Vermietern zu ermöglichen, einen Teil ihres Jahresumsatzes im November nachzuholen. Gegenwärtig gehen der Tourismuswirtschaft im Chiemgau monatlich etwa 40 bis 50 Millionen Euro Umsatz verloren, 10.000 Arbeitsplätze im Tourismus sind in Gefahr.
Der Tourismusverband wird in den kommenden Tagen und Wochen alle Themen der Konferenz abarbeiten. Viele Vorschläge gab es während der Arbeitssitzungen zum Thema Sicherheit bei Freizeitaktivitäten im Hinblick auf einen möglichen Besucheransturm. Überall da, wo sich viele Menschen auf engem Raum treffen können, sehe sich der Tourismus in der Pflicht, über Sicherheit nachzudenken, sagt Semmelmayr. Dazu zähle auch der Begegnungsverkehr auf dem Chiemsee-Radweg, aber weniger in Sorge vor einer Ansteckung als vor Unfällen. Eine Empfehlung, den Radweg nur in einer Richtung zu fahren, wäre nach Angaben des 52-Jährigen ein Lösungsansatz. Hier stimmt sich CT noch mit den Gemeinden ab.
Die verordneten Sicherheitsmaßnahmen bescheren den Gastgebern im Chiemgau derzeit nicht nur Kopfzerbrechen, sondern auch hohe Kosten. Plexiglas-Scheiben an der Rezeption, Mundschutz, Desinfektionsmittel und erhöhter Reinigungsaufwand schmälern den Gewinn der Betriebe – oder vergrößern die aktuellen Verluste. „Niemand kann erwarten, dass die Gastgeber zu einer stark verkürzten Saison auch noch die Hygienekonzepte alleine stemmen sollen“, erklärt Semmelmayr. Deshalb hat sich die Konferenz einhellig zu einer zweiten Empfehlung bekannt: Qualität und Sicherheit kann es nicht zum Nulltarif geben. Deshalb, so das Netzwerk Tourismuswirtschaft Chiemgau, müsse an der Preisschraube gedreht werden. „Billigurlaub darf es geben“, hat die Konferenz formuliert, „aber nicht bei uns“.
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