Corona-Krise beeinträchtigt Regelbetrieb: Spenden sichern Tafeln
Das Tafel-Prinzip lautet: Je mehr Lebensmittel von den Geschäften gespendet werden, desto mehr können die Tafeln an Bedürftige weitergeben – wenn wenig Ware da ist, entsprechend wenig. Foto: Olaf Konstantin Krueger
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Corona-Krise beeinträchtigt Regelbetrieb: Spenden sichern Tafeln

Rosenheim – Infektionsrisiko, Ausgangsbeschränkung, Warenknappheit: Die Coronavirus-Pandemie und die damit verbundenen staatlichen Vorgaben bedeuten für die Tafeln einen Einschnitt. Jede zweite der rund 950 bundesdeutschen Tafeln und der rund 169 bayerischen Tafeln hat den Betrieb eingestellt. Peter Zilles, Vorsitzender des Tafel Bayern e. V., sieht den Grund vor allem im meist hohen Alter der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Gäste: Ältere Menschen gehören zu den durch das Coronavirus besonders gefährdeten Personen. In großen Städten wie München, Erlangen, Nürnberg, Regensburg und Augsburg wird der Betrieb mit adäquaten Anpassungen aufrechterhalten. Auch die regionalen Tafeln reagieren mit besonderen Besuchsregeln und ausgedehntem Lieferservice. In der Krise sind die meisten mehr als üblich auf Spenden angewiesen.

In Stadt und Landkreis Rosenheim versorgt ein Netzwerk aus insgesamt sieben Tafeln in sechs Kommunen bedürftige Menschen mit Lebensmitteln, die den gemeinnützigen Hilfsorganisationen von ortsansässigen Geschäften gespendet werden. Zielgruppe der Tafeln sind Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) I und II, sogenannte „Aufstocker“ und Menschen mit geringem Einkommen. Das Prinzip lautet: Je mehr Lebensmittel von den Geschäften gespendet werden, desto mehr können die Tafeln an Bedürftige weitergeben – wenn wenig Ware da ist, entsprechend wenig. Geldspenden zum Zwecke des Warenkaufs können laut Dagmar Badura von der Diakonie Rosenheim/Soziale Dienste „in begrenztem Umfang“ einen Ausgleich bringen. Nach den Richtlinien des Bundesverbandes Tafel Deutschland e. V. sei zwar ein Zukauf von Waren untersagt und könne zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen. Doch in der Corona-Krise werde von dieser strikten Regelung abgewichen, um Zukäufe für die Aufrechterhaltung des Tafelbetriebes zu ermöglichen und die Versorgung der Bedürftigen sicherzustellen.

Das Corona-Infektionsrisiko verändert den Regelbetrieb der Tafeln signifikant. Bis Mitternacht des 24. März wurden dem Staatlichen Gesundheitsamt Rosenheim 437 COVID-19-Infizierte gemeldet. Eine Person aus dem Landkreis Rosenheim ist an der Infektion verstorben. Der am 24. März beobachtete Anstieg der Fallzahlen um 131 war der bislang höchste im Landkreis.

Die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20. März mit der Schließung sämtlicher gastronomischer Betriebe betrifft die Tafeln zwar nicht, da sie wie Lebensmittelgeschäfte behandelt werden, doch seit der damit verbundenen vorläufigen Ausgangsbeschränkung ist jeder angehalten, physische und soziale Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren. Wo immer möglich ist ein Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen zwei Personen einzuhalten. Die regionalen Tafeln haben sich hierauf eingestellt.

Tafelbetrieb angepasst

Tafel Kiefersfelden. Die Tafel liegt in unmittelbarer Grenznähe zu Österreich. Die Grenze an der Bundesstraße in Kufstein-Kiefersfelden ist seit dem 16. März geschlossen. Grenz- und Gaststättenschließung verknappten zwar das Lebensmittelangebot der Tafel, doch „großzügige Geldspenden“ ermöglichen einen Zukauf, erklärt Hans Hanusch, Erster Vorsitzender der AWO Kiefersfelden-Oberaudorf, dem Trägerverein dieser Tafel. So unterstütze die Tafel nun ihrerseits jene einheimischen Geschäfte, die sonst großzügig Waren spendeten, sagt Hanusch. „Wie die Zukunft allerdings ausschaut, ist vollkommen offen: Gibt es weiterhin Waren, bleiben die Helfer gesund, kommen die Kunden weiterhin?“ Der Betrieb wurde jedenfalls an die Krisensituation angepasst: „Wir haben die Hygienemaßnahmen nochmal verstärkt, um Kunden und Helfer zu schützen.“ Die Kunden werden nun einzeln bedient, bekommen jeweils neue Einkaufstaschen aus Spenden. Gefährdete und kranke Kunden werden durch einen Lieferservice versorgt, der sich auf örtliche Angebote von Vereinen und Hilfsangebote von Privatpersonen stützt. „Gefährdete Mitarbeiter bleiben zu Hause. Jüngere und derzeit beruflich Freigestellte helfen mit. Die Ausgabe dauert halt etwas länger, findet aber noch statt“, legt Hanusch dar.

Tafel Raubling. Der Tafelbetrieb ist umgestellt. Die Ausgabe erfolgt nun vor den Räumlichkeiten und ausschließlich durch Hauptamtliche. Die Zahl der Helfer ist von 25 auf etwa zehn gesenkt, erklärt Gitti Baumann, Bereichsleiterin Freiwilligenarbeit vom Kreisverband Rosenheim des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). Versorgt werden so weiterhin bis zu 70 Haushalte mit zirka 120 Personen, über den Lieferservice zudem 30 Senioren.

Tafel Rosenheim. „Trotz widriger Umstände machen wir weiter“, betont Tafelleiterin Elisabeth Bartl: „Wir haben reichlich Ware.“ Die Ausgabe erfolgt mit Gesichtsmasken, Einmalhandschuhen, Schlangestehen mit Abstand, Einlass für „höchstens“ zwei Bedürftige. Die Zahl derjenigen, die vorbeikommen, habe sich fast halbiert auf zuletzt 60. Daher in Vorbereitung: ein Lieferservice.

Tafelbetrieb eingeschränkt

Tafel Kolbermoor. Nach den Worten der Leiterin Dagmar Badura stand die Tafel wegen der eingetretenen Warenknappheit kurz vor der Schließung. Infolge eines medialen Appells hätten sich allerdings „sehr viele“ Bürger bereit erklärt, Lebensmittel und Geld zu spenden sowie Zeit in Form von ehrenamtlicher Tätigkeit zu investieren. Der Kundenkontakt sei nun reduziert: Die Tafel bedient die Bedürftigen einzeln, sorgt am Eingang für genügend Abstand zwischen ihnen. Um die Anzahl der Personen, die zum Tafelladen kommen, zu verringern, wurde ein Fahrdienst mit Ehrenamtlichen organisiert. Dieser beliefert die Kunden zu Hause mit Lebensmitteln in Tüten oder Kartons. Hierfür verzichtet die Tafel derzeit auf den Obolus, den die Kunden üblicherweise entrichten – 0,50 Euro pro Erwachsenem, Kinder sind kostenfrei.

Bad Aiblinger Tafel. Der Betrieb läuft für die rund 350 Bedürftigen eingeschränkt weiter, vermeldet Tafelleiter Dr. Stefan Stöckel. Das Sortiment war zuletzt zwar „deutlich“ kleiner, doch die Situation scheine sich zu entspannen: Die Supermärkte erhalten wieder mehr Ware und die Tafel wird von Gasthäusern unterstützt, die ihren Betrieb wegen der ministeriellen Allgemeinverfügung einstellen mussten und ihre Restware abgeben. Daher würden bislang keine Lebensmittel eingekauft. In der Tafel werde der empfohlene Mindestabstand eingehalten und die Kunden erhielten die Lebensmittelpakete durch ein Fenster gereicht. Ausgeliefert würden 50 Kartons in Bad Aibling sowie nach Großkarolinenfeld, Tuntenhausen und Ostermünchen. Zwei der insgesamt 60 Mitarbeiter befänden sich in häuslicher Quarantäne, da sie Kontakt zu einer auswärtigen infizierten Person gehabt hätten.

„Infektionskette unterbrechen“

Burghauser Tafel. Die Ausgabe ist vorerst bis zum 19. April geschlossen. Vorsitzender Alfred Danninger begründet dies mit dem Schutz der meist über 70-jährigen ehrenamtlichen Helfer, der Kundinnen und Kunden sowie der Gesellschaft: „Auch wir haben die Verantwortung, Infektionsketten zu unterbrechen und nicht zu schließen“, so Danninger. Eine Abgabe außer Haus oder Lieferung an die Haushalte der Kunden sei aus logistischen Gründen nicht möglich.

Wasserburger Tafel. Die Tafel ist für die kommenden zwei Wochen geschlossen, teilt Tafelleiterin Renate Steinbichler mit. Die Versorgung mit Lebensmitteln war zunächst „normal“ geblieben. Allerdings hatte die Tafel, deren Träger die Diakonie Rosenheim ist, bereits einen Schichtbetrieb eingeführt und die Zahl der zeitgleich dort tätigen Mitarbeiter gesenkt: Vier besonders gefährdete ältere Helfer blieben daheim, sodass zehn Ehrenamtler abwechselnd für Warenausgabe und -aufbereitung zuständig waren. Kundenkontakt besteht zu 85 Personen, die Waren für insgesamt 140 Bedürftige abholen. Für Gehbehinderte gibt es einen Lieferservice mit über zehn Fahrern, die getrennt voneinander fahren. „Wir passen sehr, sehr auf, damit wir weitermachen dürfen“, beschreibt Steinbichler die Vorsichtsmaßnahmen, damit das Infektionsrisiko minimiert werde.

Allen gemein ist das Ansinnen, die Tafeln für die Bedürftigen auch während der Corona-Krise so lange wie möglich verantwortbar aufrechtzuerhalten.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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