Rosenheim – Kreisausschuss und Kreistag haben in gemeinsamer Sitzung den Nahverkehrsplan (NVP) für Stadt und Landkreis Rosenheim beschlossen. Er soll die Auswirkungen der demographischen Entwicklung, des Mobilitätsverhaltens und des Klimaschutzes in ein längerfristiges Konzept übersetzen. Dabei berücksichtigt das 280-seitige Mobilitätskonzept für Rosenheim alle vorhandenen Verkehrsträger und den Radverkehr sowie die Verbindungsachsen zu den Landkreisen Mühldorf am Inn, Traunstein und Ebersberg. Der verabschiedete NVP enthält zum Ausbau der Mobilitätsangebote insgesamt 70 Maßnahmen und Prüfaufträge. Werden sie umgesetzt, bedeutet der Mehraufwand von 806.500 Kilometern jährliche Zusatzkosten von rund 2,1 Millionen Euro. Hinzu kommen Investitionen in die Infrastruktur, für Verwaltung, Personal und Marketing sowie Kosten für eine mögliche Verbunderweiterung.
Zwei Jahre nach Projektstart wähnt Rosenheims stellvertretender Landrat Josef Huber (CSU) mit der Fortschreibung des NVP „ein neues Zeitalter im öffentlichen Personennahverkehr eingeläutet“. Dem Beschluss sollen nun die avisierten Maßnahmen folgen. Im Haushaltsplan 2020 des Landkreises Rosenheim sind für den ÖPNV bereits zwei Millionen Euro zusätzlich eingeplant. Denn der NVP sieht für einige Achsen einen Stundentakt vor, eine Verdichtung des Angebots, eine Ausweitung des Bedienungszeitraumes, mehr Angebote am Wochenende und abseits der großen Achsen sowie die Stärkung der Zubringerfunktion zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Neben der Ausweitung der Freizeitlinien soll der ÖPNV beschleunigt werden durch eigene Busspuren, die Beeinflussung der Lichtsignalanlagen (LSA), alternative Linienwege, die Freigabe von Wegen für den Busverkehr oder Halteverbote.
Nach der Vorstellung des Entwurfs im Juli hatten Kommunen, Verkehrsunternehmen, Fahrgastverbände, Nachbarlandkreise und Mitglieder des Kreisausschusses Gelegenheit, Änderungen des Mobilitätskonzeptes anzuzeigen. Eingang fanden so ein Bürgerbus zur Unterstützung des öffentlichen Personennahverkehrs in der Gemeinde Samerberg, die Verdichtung des Angebotes der Linie 9414 Wasserburg/Halfing/Bad Endorf sowie zwei zusätzliche Haltestellen in Stephanskirchen im Bereich Riederinger Straße/Etzinger Straße und in Kolbermoor nahe des Franziskusheims. Überprüft werden sollen die durchgängige Taktung der Linien der Haupt- und Nebenkorridore auch an Sonn- und Feiertagen im Süden des Landkreises – in den Kommunen des Voralpenlandes hat der Tourismus eine besonders große Bedeutung –, eine neue Verbindung von Prien über Frasdorf und Samerberg nach Brannenburg, die Einrichtung von On-Demand-Verkehr sowie zusätzliche saisonale Angebote wie Wander-, Ski- und Rodelbusse.
Bürger wünschen mehr Fahrangebote
Derzeit verfügt etwa die Hälfte des Landkreises über einen dichten SPNV. Die Züge verkehren mindestens im Stundentakt. Beim Busverkehr sind rund 60 Linien mehrheitlich in Eigenregie unterwegs. Das Netz konzentriert sich auf das Oberzentrum Rosenheim sowie die Mittelzentren Wasserburg und Prien am Chiemsee und ist vor allem auf den Schulverkehr ausgerichtet. Die Öffentlichkeitsbeteiligung ergab, dass sich die Bürger die Ausweitung des Fahrangebotes wünschen – vor allem am Abend, in der Nacht, am Wochenende, in der Ferienzeit, beim Ticketangebot, bei den Linienwegen und der Fahrgastinformation. Handlungsbedarf bestehe auch hinsichtlich einer landkreisweiten Anerkennung von Fahrausweisen sowohl im SPNV als auch im ÖPNV, darüber hinaus beim E-Ticketing, bei Ticketsortiment und Tarifstruktur, bei der Barrierefreiheit, beim Angebot an Fahrradstellplätzen und P+R-Stellplätzen an Bahnhöfen, an Ladesäulen für E-Fahrzeuge sowie beim Fahrradverleih und Carsharing.
Studie zur Verbunderweiterung mit dem MVV
Der Kreistag hat zudem beschlossen, sich über die „Rosenheimer Verkehrsgesellschaft m.b.H. (RoVG)“ an einer Grundlagenstudie zur Erweiterung des „Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes (MVV)“ zu beteiligen. Die Studie soll die verkehrlichen und finanziellen Auswirkungen einer Integration in den MVV-Tarifraum untersuchen, ist auf fünf Jahre angelegt und kostet den Landkreis rund 1,3 Millionen Euro. Indem die Untersuchung zu 85 Prozent vom Freistaat Bayern gefördert wird, ist der Landkreis mit 200.000 Euro beteiligt. Für den Fall, dass sich in einem frühen Stadium der Studie eine deutlich negative Beurteilung abzeichnet, gibt es eine vorzeitige Ausstiegsmöglichkeit. Alternativ blieben dem Landkreis Rosenheim dann regionale Lösungen im eigenen Nahverkehrsraum mit einheitlichem Tarif- und Fahrkartensystem oder im Verbund mit den Nachbarlandkreisen der „Region 18“.
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