Ein „Fundtier“ kann vom Finder nur dann bedenkenlos bei einem Tierheim abgeliefert werden anstatt bei der zuständigen Fundbehörde der Kommune, in welcher das Tier aufgegriffen wurde, wenn der Tierschutzverein mit der Kommune eine Vereinbarung zur Inobhutnahme und Kostenübernahme abgeschlossen hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig letztinstanzlich entschieden. Tierheime ohne Vertrag haben keinen Anspruch auf Kostenerstattung durch die Kommune, sollten deshalb Fundtiere ablehnen und den Finder an die zuständige Fundbehörde verweisen. Diese wiederum ist nur dann für Verwahrung und Versorgung eines Fundtieres zuständig, wenn es tatsächlich bei ihr abgeliefert wird.
In fast jedem zweiten bundesdeutschen Haushalt wird ein Tier gehalten. Heimtier Nummer eins ist die Katze: Insgesamt 13,7 Millionen Samtpfoten leben in 22 Prozent der Haushalte. Hunde belegen Platz zwei der Lieblingstiere: 9,2 Millionen leben in 18 Prozent der Haushalte. An dritter Position folgen 6,1 Millionen Kleintiere in sieben Prozent der Haushalte. Die Zahl der Heimtiere ist im Jahr 2017 sogar deutlich gestiegen, besagt eine aktuelle repräsentative Erhebung des Marktforschungsinstituts Skopos im Auftrag vom „Industrieverband Heimtierbedarf (IVH)“ und dem „Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF)“ unter 7.000 Befragten. Demnach werden in Deutschland 34,3 Millionen Hunde, Katzen, Kleinsäuger und Ziervögel gehalten, 2,7 Millionen mehr als noch 2016. Hinzu kommen zahlreiche Zierfische und Terrarientiere.
„Ob Familien oder Alleinlebende, Jung oder Alt: Tiere nehmen im Leben vieler Menschen eine zunehmend wichtige Rolle ein“, erklärt ZZP-Präsident Norbert Holthenrich mit Verweis auf psychologische und soziobiologische Studien, wonach das Leben mit Tieren ein über Jahrtausende gewachsenes natürliches Bedürfnis des Menschen sei. Entläuft ein Haustier, ist das Entsetzen meist groß – wird es wieder gefunden, die Freude ebenso. Wo ein Fundtier grundsätzlich abzugeben ist, hat das BVerwG Ende April entschieden: bei der zuständigen Fundbehörde.
Aufwendungen der Tierschutzvereine
Geklagt hatten der Tierschutzverein Rosenheim und der Tierschutzverein für den Landkreis Cham in Bayern, da ihnen Gemeinden die Kostenübernahme für Aufnahme und Versorgung von Fundtieren verweigert hatten. Laut Tierschutzverein Rosenheim seien die zuständigen Gemeinden in allen Fällen sofort nach Aufnahme der Fundtiere informiert und darauf hingewiesen worden, dass Kosten entstünden und die Gemeinden alternativ die Möglichkeit hätten, die Tiere selbst unterzubringen. Als keine Reaktion erfolgte, auch auf mehrmalige Zahlungsaufforderungen hin nicht, wurden die Gemeinden verklagt.
In der ersten Instanz entschied das Verwaltungsgericht München noch zugunsten der Kläger. Die betroffenen Gemeinden Bruckmühl und Oberaudorf gingen jedoch in Berufung. Im November 2015 urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in München, dass die Kosten nicht erstattet werden, da die Kläger nicht von den Gemeinden beauftragt worden waren, Fundtiere in Obhut zu nehmen. Außerdem seien die Finder verpflichtet, die Tiere direkt bei den Gemeinden abzugeben. Den letztinstanzlichen Prozess vor dem BVerwG führte dann der Deutsche Tierschutzbund für die angeschlossenen Tierschutzvereine. Mit Urteil vom 26. April bestätigte das BVerwG die Entscheidung des BayVGH: Ein Ersatzanspruch auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag bestehe nicht, da die Fundbehörden für die Verwahrung und Versorgung eines Fundtieres grundsätzlich erst zuständig würden, wenn es bei ihnen abgeliefert werde (BVerwG 3 C 5.16 vom 26.04.2018).
„Urteil gegen Finder und Tiere“
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, zeigt sich vom Urteil des BVerwG enttäuscht: „Das Urteil ist ein herber Rückschlag sowohl für den praktischen als auch für den Tierschutz insgesamt.“ Weder dem Finder noch dem Tier sei zuzumuten, „zwischen Tierheim und Rathaus zu pendeln“. Schröders Appell: „Bundestag und Bundesregierung müssen nun Farbe bekennen, ob man den praktischen Tierschutz vor Ort fallen lässt oder unterstützt.“ Ginge es um Unterstützung, bliebe „nur ein Weg: Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist klarzustellen, dass eine Kommune für Tiere als Fundsache die volle Verantwortung trägt, egal von wem wo gefunden und von wem wo auf dem Gemeindegebiet abgegeben. Wer das nicht tut, der riskiert als Folge dieses Urteils den Zusammenbruch des praktischen Tierschutzes in der Fläche.“
Für Andrea Thomas, Vorsitzende des Tierschutzvereins Rosenheim, richtet sich das Urteil sowohl gegen hilfsbereite Finder und die Fundtiere als auch gegen Tierbesitzer: Finder müßten künftig bei fehlendem Vertrag abgewiesen werden, die Suche nach dem richtigen Zuständigen für Tiere in schlechtem Gesundheitszustand werde zur Odyssee und Tierbesitzer könnten nicht mehr sicher sein, dass ihnen entlaufene oder verletzte Tiere in einem Tierheim umgehend geholfen werde.
Wohin mit Fundtieren?
Grundsätzlich sollten alle Haustiere gekennzeichnet sein – entweder durch Ohrtätowierung oder Tätowierung im Zwischenschenkelspalt, Mikrochip oder Fußring wie bei Vögeln. Kennzeichen weisen den Besitzer aus und können Angaben wie Telefonnummern enthalten. Ein Hundebesitzer kann anhand der Steuermarke bei der entsprechenden Kommune ausfindig gemacht werden. Das Fundtier sollte folglich zuerst nach diesen Kennzeichen abgesucht werden. Ist der Tierbesitzer nicht auszumachen, hat der Finder den Tierfund unverzüglich bei der zuständigen Fundbehörde anzuzeigen und ist verpflichtet, das Fundtier bei der Gemeinde oder auf Anordnung der Gemeinde bei einer von ihr bestimmten Stelle abzugeben.
Landkreis Rosenheim. Der Tierschutzverein Rosenheim hat aktuell mit 18 der 46 Kommunen im Landkreis Fundtierverträge abgeschlossen: Aschau, Babensham, Brannenburg, Breitbrunn am Chiemsee, Eggstätt, Griesstätt, Gstadt am Chiemsee, Kiefersfelden, Kolbermoor, Neubeuern, Prien am Chiemsee, Raubling, Rimsting, Samerberg, Söchtenau, Stephanskirchen, Vogtareuth und Wasserburg. Das Tierheim in Ostermünchen ist zur Aufnahme von Tieren aus zwölf Kommunen berechtigt: Albaching, Amerang, Bruckmühl, Eiselfing, Pfaffing, Rott am Inn, Soyen, Tuntenhausen sowie im Landkreis Mühldorf aus Haag, Kirchdorf, Maithenbeth und Rechtmehring. Das Tierheim in Bernau arbeitet mit der Gemeinde Bernau zusammen. Dagegen ist der Tierschutzverein Rosenheim bei 19 Kommunen nur dann berechtigt, Fundtiere aufnehmen, wenn der Finder das Tier zur betreffenden Fundbehörde gebracht und diese ihn mit der Zusage, die Kosten zu tragen, beauftragt hat – dies sind: Bad Aibling, Bad Endorf, Bad Feilnbach, Chiemsee, Edling, Feldkirchen-Westerham, Flintsbach, Frasdorf, Großkarolinenfeld, Halfing, Höslwang, Nussdorf, Oberaudorf, Prutting, Ramerberg, Riedering, Rohrdorf, Schechen und Schonstett.
Landkreis Mühldorf am Inn. Die auf der Website des Landkreises Mühldorf am Inn gelisteten Tierheime bekommen nicht alle die Kosten für aufgenommene Tiere aus den Kommunen erstattet. Auf den jeweiligen Homepages der Tierheime sind daher jene Kommunen verzeichnet, mit denen Fundtierverträge geschlossen wurden. Die beiden wichtigsten Tierheime im Landkreis Mühldorf am Inn sind das Tierheim Pürten und das Tierheim Winhöring. Im Zuständigkeitsbereich des Tierheims Pürten sind die Kommunen Aschau, Gars am Inn, Jettenbach, Kraiburg am Inn, Lohkirchen, Oberbergkirchen, Reichertsheim, Schönberg, Taufkirchen, Unterreit, Waldkraiburg, und Zangberg. Zum Zuständigkeitsbereich des Tierheims Winhöring gehören zum einen aus dem Landkreis Mühldorf: Ampfing, Buchbach, Egglkofen, Erharting, Heldenstein, Mettenheim, Mühldorf, Neumarkt-Sankt Veit, Niederbergkirchen, Niedertaufkirchen, Obertaufkirchen, Rattenkirchen und Schwindegg sowie zum anderen aus dem Landkreis Altötting: Altötting, Burgkirchen/Gendorf, Erlbach, Garching (außer Wald), Kastl, Neuötting, Perach, Pleiskirchen, Reischach, Stammham, Teising, Töging, Tüssling, Unterneukirchen und Winhöring.
Fundsachen und Fundtiere lassen sich überdies von Abenberg bis Zeven punktgenau nach Postleitzahlen oder Gemeinden online suchen via https://fundsuche02.kivbf.de.
Olaf Konstantin Krueger
Leserinnen und Leser dieses Beitrags interessierten sich auch für diese blick-Artikel:
Couponsystem für „Gelbe Säcke“ abgelehnt: Landkreis übernimmt Zusatzverteilung über Wertstoffhöfe (22.03.2018)
Landkreis Mühldorf startet Online-Wohnraumbörse: „Wichtiger Schlüssel zur Integration“ (14.03.2018)
Neue Verpackungsverwertung im Landkreis: „Gelbe Säcke“ sind nur noch gegen Coupon erhältlich (06.12.2017)
Waldkraiburg auf dem Weg zur „Fairtrade-Town“: „Die Welt besser machen“ (29.03.2017)
„Bürger schützen Bürger“: „Sicherheitswachtler“ für Waldkraiburg gesucht (09.03.2017)
Landschaftspflege im Thalhamer Moos: Waldkraiburger Praxisklasse entfernt Mähgut (22.11.2016)
Herausforderung Arbeitsmarktintegration: Wenn Flüchtlinge Arbeitskollegen werden sollen (13.10.2016)
Zuwanderung von Asylsuchenden: Situation und Strategien in den Kommunen (07.06.2016)
Ladensterben in der Region? Jede vierte bayerische Kommune ohne Lebensmittelmarkt (28.05.2016)
Entwicklungskonzept für Waldkraiburg: „Die Bürger begeistern“ (29.03.2016)