Bundesverwaltungsgericht erlaubt Fahrverbote: Drohen Wertverluste bei Dieselfahrzeugen?
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Bundesverwaltungsgericht erlaubt Fahrverbote: Drohen Wertverluste bei Dieselfahrzeugen?

Fahrverbote für Dieselfahrzeuge hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit einem wegweisenden Urteil für grundsätzlich zulässig erklärt. Danach dürfen Kommunen eigenmächtig Straßen oder Gebiete für Dieselfahrzeuge sperren, wenn diese scharfe Maßnahme zum schnellen Einhalten von Schadstoffgrenzwerten der einzige Weg zum Schutz der Gesundheit ist. Zuvor ist die Verhältnismäßigkeit anhand der jeweiligen Luftreinhaltepläne zu prüfen: Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen sollen mögliche Nachteile für Betroffene abmildern, bestimmte Anwohner und Handwerker sind auszunehmen. Einen Automatismus gibt es nicht. Mit der Entscheidung steigt sowohl der Druck auf die Automobilindustrie als auch die Unsicherheit bei Diesel-Fahrern.

Die Dieseltechnologie kommt zweieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Abgasskandals weiter in Verruf. „Dieselgate“ hat das Ansehen der Dieseltechnologie beschädigt: Im realen Straßenverkehr wurden die auf Prüfständen gemessenen Grenzwerte für Stickoxide, welche Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen oder verschlimmern können, teils deutlich überschritten. Verschiedene Autohersteller hatten zum Zwecke des Umgehens gesetzlich vorgegebener Abgasgrenzwerte eine Reihe von Manipulationen bei Dieselfahrzeugen durchgeführt. Das jetzige auf EU-Recht fußende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) könnte in der Konsequenz das Image gängiger Dieselmotoren ramponieren.

Konkret hat das BVerwG Urteile unterer Instanzen in Düsseldorf und Stuttgart bestätigt, wo die „Deutsche Umwelthilfe (DUH)“ auf Einhaltung der Grenzwerte für Stickoxide geklagt hatte. Die beiden Verwaltungsgerichte hatten Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg verpflichtet, dafür auch Fahrverbote in Betracht zu ziehen. Für Stuttgart urteilte das BVerwG, dass eine phasenweise Einführung von Fahrverboten zu prüfen sei, die zunächst nur ältere Fahrzeuge betreffe, etwa bis zur Abgasnorm Euro 4. Der Verhältnismäßigkeit halber dürften Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 nicht vor dem 1. September 2019 ausgesperrt werden.

Fahrverbote bleiben Einzelfallentscheidungen

Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, welche bundesweit mehr als 5.500 Gerichtsverfahren im Abgasskandal führt, hält Fahrverbote außer in Düsseldorf und Stuttgart auch in Darmstadt, Gießen, Frankfurt, Limburg und Wiesbaden für wahrscheinlich. Betroffen sein könnten aufgrund von Grenzwert-Überschreitung zudem Aachen, Augsburg, Backnang, Bensheim, Berlin, Bielefeld, Bochum, Bonn, Dinslaken, Dortmund, Düren, Echterdingen Pleideslheim, Essen, Esslingen, Freiburg im Breisgau, Fulda, Gelsenkirchen, Hagen, Halle, Hamburg, Hameln, Hannover, Heidenheim, Heilbronn, Herne, Herrenberg, Hildesheim, Hürth, Kassel, Kiel, Köln, Kuchen, Leinfelden, Leonberg, Leverkusen, Ludwigsburg, Ludwigshafen, Mainz, Mannheim, Marbach, Marburg, Mönchengladbach, Mühlacker, Mülheim, München, Neuss, Nürnberg, Oberhausen, Offenbach, Oldenburg, Osnabrück, Paderborn, Ravensburg, Regensburg, Reutlingen, Schwäbisch Gmünd, Siegen, Solingen, Tübingen, Wiesbaden, Witten und Wuppertal. Das BVerwG nimmt die Landesbehörden deshalb in die Pflicht, einen „Flickenteppich“ von Fahrverboten zu verhindern.

Welche Dieselfahrzeuge künftig durch Fahrverbote ausgesperrt werden, hängt von den jeweiligen Luftreinhalteplänen der Kommunen ab. Möglicherweise gehören Fahrzeuge bis zur Abgasnorm Euro 5 dazu. Inwieweit Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 6 betroffen sind, ist noch unklar und kommt darauf an, ob sich die Luft in den Innenstädten verbessert. Eine „Blaue Plakette“ erleichtert bei Einführung lediglich die behördliche Kontrolle, ein Fahrverbot verhindert sie nicht.

„Wertverluste sind hinzunehmen“

Fahrverbote dürften den Bundesrichtern zufolge nur einen Bruchteil des deutschen Streckennetzes betreffen. Bedenken, zeitlich versetzt eingeführte Fahrverbote würden den Gebrauchtwagenmarkt zusammenbrechen lassen, zerstreuen sie. Verlören Dieselfahrzeuge aber aufgrund von Fahrverboten an Wert, so gebe es nach den Worten des Senatsvorsitzenden Andreas Korbmacher keine finanzielle Ausgleichspflicht: „Gewisse Wertverluste sind hinzunehmen.“ Dieser Aussage stimmt die Kanzlei zu und verschärft sie noch: „Wenn ein Fahrzeug nicht mehr in deutschen Innenstädten bewegt werden darf, ist es quasi wertlos.“

Mit dem Grundsatzurteil wird die Frage drängender, ob Software-Updates noch ausreichen oder Dieselfahrzeuge besser technisch nachzurüsten sind. Wer eine Hardware-Nachrüstung bezahlt, die pro Fahrzeug zwischen 1500 und 2000 Euro kosten könnte, ist ungeklärt. Damit die schätzungsweise 10 Milliarden Euro nicht vom Steuerzahler aufgebracht werden müssen, sammeln Campact und der Verkehrsclub Deutschland online Unterschriften für den gemeinsamen Appell „Wer betrügt, muss zahlen!“. Ungeachtet gegenwärtiger Anstrengungen zur CO2-Regulierung ist perspektivisch offen, welche zusätzlichen disruptiven Auswirkungen Elektromobilität und vernetztes Fahren auf die Mobilität im Allgemeinen und die Automobilindustrie im Speziellen haben werden.

Olaf Konstantin Krueger

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