Tabuthema Organspende
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Tabuthema Organspende

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland beim Thema Organspende weit hinten.  Immer noch tragen zu wenige Menschen einen Spenderausweis bei sich, fällt es doch vielen schwer sich mit Krankheit und Tod zu beschäftigen. Obwohl sie die Bedeutung der Organspende nicht in Frage stellen, dominiert bei ihnen die Skepsis. Dr. Christine Kummer, Transplantationsbeauftragte der RoMed Kliniken, Klinikseelsorger Josef Klinger und Peter Kreilkamp, der eine Spenderniere erhielt, erklärten bei der gut besuchten Diskussionsveranstaltung des Kreisbildungswerks,  warum das so sei und was geändert werden müsse.

Für weit über 10.000 Schwerkranke in Deutschland bestimmt das tägliche Warten auf ein lebensrettendes Spenderorgan ihren Alltag. Für viele ist es aber auch ein langsames Warten auf den Tod, denn die Zahl der Spender ist deutlich geringer als der Bedarf (siehe Kasten). Statistisch gesehen stirbt alle acht Stunden in Deutschland ein Mensch, weil nicht rechtzeitig ein Spenderorgan zur Verfügung steht.

Die Ärzte und die Politik wissen um die Bedeutung des Themas. Und so war nicht nur das Podium, sondern auch das Publikum prominent besetzt. Neben der Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer und Anton Heindl, 2. Bürgermeister von Rosenheim war auch der Chefarzt des RoMed Klinikums Dr. med. Christoph Knothe und Gattin sowie der Vorsitzende der kassenärztlichen Vereinigung Bayern, Dr. Dolf Hufnagel anwesend.

Unter der fachkundigen Moderation von Prof. Dieter Benatzky, ehemaliger Vizepräsident der Hochschule Rosenheim und Gründervater der heutigen Fakultät für Angewandte Gesundheits- und Sozialwissenschaften, kamen neben den Diskussionsteilnehmern auch viele Betroffene zu Wort. Ungeschminkt erklärte sie ihre Leidensgeschichten, und wie die Organspenden ihr Leben verändert hat. Ein großer Informationsstand des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, sorgte für die nötigen Hintergrundinformationen.

Politik: Information fruchtet nur langsam

Mit einer Verschärfung des Transplantationsgesetzes versuchte der Gesetzgeber den Vertrauensverlust nach den Klinikskandalen von 2012 wieder auszugleichen. Parallel dazu setzen die Bundesregierung und Verbände seit Jahren auf verstärkte Aufklärung und Information um die Transparenz zu erhöhen. Prominente engagierten sich für das Thema. 

Doch statt zu steigen hat es 2016 erneut einen deutlichen Rückgang bei den Organspenden gegeben, so Experten der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Nicht nur sie betrachten diese Entwicklung mit großer Sorge. Auch CSU Landtagsabgeordneter Klaus Stöttner, der den Impuls zu dieser Auftaktveranstaltung gab und dem sensiblen Thema in 2017 zu mehr positiver Öffentlichkeit verhelfen möchte, hat als Ziel im Landkreis die Zahl an Menschen mit Organspende-Ausweisen deutlich zu erhöhen.

Er hob hervor: "Organspenden können Leben retten. Jeder kann durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit schon morgen in die Lage kommen, auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein. " Er verwies dabei auf die katastrophalen Zahlen. Derzeit kommen auf eine Million Einwohner in Deutschland gerade einmal noch 10,4 Spender. Im Vergleich dazu sind es in Spanien 43,4 Spender. Bayern liegt mit 9,4 Spendern bei den Schlusslichtern. 

Ängste nehmen

Für die Entscheidung gegen eine Organspende gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe: So haben die Gegner Sorge, der nach dem Transplantationsgesetz notwendige Hirntod könne nicht immer zweifelsfrei festgestellt werden. Auch sorgten die Skandale aus der jüngeren Vergangenheit für ein Nachlassen der ohnehin schon geringen Spendertätigkeit.

Und auch der ethische Aspekt ist für viele Menschen ein Problem. Die Vorstellung das Leben im OP zu beenden, auch wenn der Hirntod schon eingetreten ist, fällt vielen schwer.

Transparenz als Schlüsselbegriff

Auf die Schnelle sei mit einer Erhöhung nicht zu rechnen, befürchtet nicht nur Klinger. Man werde einen langen Atem brauchen, um das durch die Skandale verlorene Vertrauen wieder aufbauen zu können. Vor allem aber brauche es gute Beispiele.  Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) brachte das Thema positiv in die Öffentlichkeit, als er seiner Ehefrau eine Niere spendete. Auch die Ehefrau des langjährigen ehemaligen CSU-Landtagsabgeordnete Sepp Ranner tat es ihm gleich. Ohne großes Aufheben darum zu machen, schilderte sie in der Veranstaltung in wenigen, aber umso eindringlicheren Worten ihre Beweggründe ihrem Bruder zu helfen. 

Auch andere Betroffene – Spender und Empfänger – schilderten ohne Pathos ihre Leidensgeschichte, ihre Ängste und Zweifel, aber vor allem ihre Dankbarkeit über das gute Leben, das sie dank einer Organspende, nun  wieder führen dürfen.  Vor allem sei es die unglaubliche Freiheit, nicht mehr an die anstrengende und zeitaufwändige Dialyse zu müssen, so ein Betroffener.

Rechtzeitig sich mit dem Thema beschäftigen

„Wir haben in der heutigen Zeit den Tod aus unserem Alltag viel zu sehr verdrängt und daraus resultiert die Abneigung, diese und andere Fragen um den Tod anzusprechen“, sagt Josef Klinger. Natürlich werfe das Thema Organspende viele ethische und moralische Fragen auf. „Leider ist es immer noch ein Thema, über das meist erst dann gesprochen wird, wenn es schon fast zu spät ist“, ergänzt Stöttner. Werde mehr Bewusstsein für dieses Thema geschaffen, sei das zum Wohle aller.

Kliniken sind verpflichtet, Hirntote als Organspender zu melden. Das geschieht nicht immer. Zeitdruck, Stress und Schwierigkeiten mit den Angehörigen zu klären, wie der Hirntote zur Organspende stand, sind einige der Gründe.  
Voraussetzung, dass Organe gespendet werden können sind in Deutschland im Transplantationsgesetz festgehalten. Gespendet werden kann nur, wenn der Hirntod eingetreten ist. Nur dann dürfen Organe entnommen werden. Laut Bundesärztekammer ist Hirntod definiert "als Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Groß- und Kleinhirns und des Hirnstamms".

Nach den 2012 aufgedeckten Transplantationsskandalen wurden die Regeln des Gesetzes weiter verschärft. Inzwischen müssen zwei erfahrene Ärzte unabhängig voneinander und nach einem genau vorgegebenen Verfahren (Hirntoddiagnostik) den Hirntod feststellen, so Kummer. Einer der beiden Ärzte muss Facharzt für Neurologie oder Neurochirurgie sein, sich also mit Nerven, Gehirn und Rückenmark auskennen. Beide dürfen selbst kein Interesse an der Transplantation haben.

Für die Vermittlung von Organen ist seit 1969 die Stiftung Eurotransplant mit Sitz in Leiden (Niederlande) zuständig. Sie kooperiert mit mehr als 70 Transplantationszentren in Belgien, Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mit Sitz in Frankfurt ist die Koordinierungsstelle in Deutschland. Das Transplantationsregister in Deutschland soll zusätzlich für mehr Transparenz sorgen.

Weiterführende Informationen finden Sie hier.

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