In jeder vierten bayerischen Kommune gibt es keinen Lebensmittelmarkt mehr. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Läden von 6501 auf 5883 gesunken. Das hat das bayerische Innenministerium auf eine Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Klaus Adelt mitgeteilt. In Mühldorf am Inn haben zehn Gemeinden kein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft, weiteren vier fehlt das Lebensmittelhandwerk. In Rosenheim haben drei Gemeinden kein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft.
In Bayern müssen 510 Kommunen ohne eine wohnortnahe Versorgung mit Dingen des alltäglichen Bedarfs auskommen. 158 davon haben nicht einmal mehr einen Bäcker oder Metzger. In den letzten 15 Monaten schlossen bayernweit im Schnitt monatlich fünf Läden. Der SPD-Politiker Klaus Adelt fordert deshalb staatliche Unterstützung für die betroffenen Kommunen: „Wenn Marktmechanismen dazu führen, dass die Nahversorgung in der Fläche gefährdet ist, muss es Aufgabe der öffentlichen Hand sein, etwas dagegen zu tun.“ Als Grund für den Rückzug aus der Fläche sieht Adelt einen tiefgreifenden Strukturwandel und Konzentrationsprozess im Lebensmitteleinzelhandel. Denn während die Zahl der Lebensmittelmärkte um 9,5 Prozent abgenommen habe, sei die durchschnittliche Verkaufsfläche der verbliebenen Läden um knapp 24 Prozent gestiegen.
Immer weniger kleine Supermärkte
„Die Verlierer dieser Entwicklung sind die kleinen Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 400 Quadratmetern. Das betrifft die Ortskerne im ländlichen Raum ebenso wie einzelne Viertel in Großstädten“, erklärt Adelt und warnt vor einem Teufelskreis: „Wenn das Lebensmittelgeschäft vor Ort schließt, stirbt auch ein großes Stück an Lebensqualität. Gerade die ältere Bevölkerung ist auf eine wohnortnahe Versorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs angewiesen und junge Familien ziehen gar nicht erst in eine Gemeinde, die keinerlei Einkaufsmöglichkeiten bietet.“
Eine Schlüsselrolle bei der Sicherung der Nahversorgung sieht der SPD-Politiker in Dorf- und Stadtteilläden. Über 100 von ihnen seien in den letzten zehn Jahren bayernweit gegründet worden: „Jeder Dorfladen basiert dabei auf der Eigeninitiative vor Ort und dem Engagement der Bürgerschaft“, lobt Adelt. Rein statistisch stünden einem neuen Dorfladen aber sechs geschlossene Supermärkte gegenüber.
Maßnahmenbündel
Der SPD-Nahversorgungsexperte will deshalb ein Maßnahmenbündel auf den Weg bringen, um die Rahmenbedingungen für die Gründung von Dorf- und Stadtteilläden zu verbessern und dadurch zu erleichtern. Das Gesamtkonzept der SPD-Landtagsfraktion sieht vier Punkt vor:
- Servicestellen sollen eingerichtet werden, die bei den Bezirksregierungen angedockt sind. Bisher gebe es keine zentralen Ansprechpartner, die über Fördermöglichkeiten aufklären und bei der Konzeptionierung beratend zur Seite stehen.
- Nahversorgung müsse als kommunale Pflichtaufgabe festgeschrieben werden, um finanzschwachen Kommunen mehr Handlungsspielraum für die Unterstützung von Dorfläden zu geben.
- Eine zentrale Förderung durch den Freistaat würde die Neugründung von Dorf- und Stadtteilläden erleichtern und damit verbundene bürokratische Hürden aus dem Weg räumen.
- Mit Einzelhandelskonzepten könnten Städte und Gemeinden den Erhalt von Einkaufsmöglichkeiten strategisch begleiten. Um die Kosten für solche Konzepte zu stemmen, muss der Freistaat helfen.
Adelt warnt: „Wenn wir nichts gegen das Ladensterben tun, werden noch mehr Läden schließen. Der Markt regelt eben nicht alles.“
Situation in den Landkreisen Mühldorf und Rosenheim
Zum Landkreis Mühldorf am Inn gehören drei Städte, vier Märkte, 24 Gemeinden und ein Gemeindefreies Gebiet. Kein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft haben zehn Gemeinden: Aschau am Inn (3.203 Einwohner, Bürgermeister gestellt von der Aschauer Wählergemeinschaft), Erharting (931, Wählergruppe Isengau), Heldenstein (2.511, CSU), Jettenbach (718, Jettenbacher Wählergemeinschaft), Kirchdorf (1.332, Freie Wählergemeinschaft), Niederbergkirchen (1.209, CSU/Niederbergkirchener Bürgerliste), Niedertaufkirchen (1.351, Freie Wählergemeinschaften), Oberneukirchen (838, Freie Wähler/Wählergemeinschaft), Rattenkirchen (981, CSU/Freie Wählergemeinschaft) und Zangberg (1.084, CSU/Freie Wählergemeinschaft). Weiteren vier Gemeinden fehlt zudem das Lebensmittelhandwerk: Lohkirchen (699 Einwohner, Bürgermeister gestellt von der Unabhängigen Wählergemeinschaft), Oberbergkirchen (1.637, CSU/Freie Wähler), Schönberg (999, CSU/Freie Wähler/Wählergemeinschaft) sowie Unterreit (1.721, Freie Wählergemeinschaft Wang).
Der Landkreis Rosenheim, mit über 250.000 Einwohnern nach dem Landkreis München der zweitgrößte Kreis Bayerns, ist statistisch gesehen noch gut aufgestellt. Zum Landkreis Rosenheim gehören drei Städte, vier Märkte und 39 Gemeinden – und nur vier Gemeinden weisen kein Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft auf: Chiemsee (236 Einwohner, Bürgermeister gestellt von der Freien Wählergemeinschaft), Eiselfing (2.984, CSU) und Ramerberg (1.372, Neue Ramerberger Liste).
Olaf Konstantin Krueger