Anbieter von WLAN-Hotspots haften für ihre Nutzer: Sind Sie Störer?
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Anbieter von WLAN-Hotspots haften für ihre Nutzer: Sind Sie Störer?

In den eigenen vier Wänden ist das kabellose Surfen über ein „Wireless Local Area Network (WLAN)“ gängig. Auch öffentliches WLAN gehört für viele Nutzer mobiler Endgeräte zum Alltag: WLAN-Hotspots in Cafés und Hotels, in Bibliotheken und Universitäten, am Flughafen und im Innenstadtbereich, in Rathäusern und Museen, in Geschäftszentren und Flüchtlingsunterkünften – alle werden als Selbstverständlichkeit angesehen und befreien einen obendrein von den beschränkten Volumen-Datentarifen der Provider. Anbieter von offenen WLAN-Hotspots stehen in Deutschland aber rechtlich auf unsicherem Grund: Ihnen macht die sogenannte „Störerhaftung“ zu schaffen. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg könnte diese Handbremse für das Gratis-Internet in Deutschland lösen.

Ein öffentlicher WLAN-Hotspot vereinfacht den Netzzugang mobiler Endgeräte wie Smartphones, Tablets und Notebooks: Kabellose Datenübertragung und -verarbeitung erhöhen den eigenen Komfort und Aktionsradius. Diese Bewegungsfreiheit verändert die Lebenswelt tiefgreifend. Laut eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft verfügte Deutschland 2014 über rund eine Million öffentliche WLAN-Hotspots. Davon waren jedoch lediglich 15.000 offen, also Hotspots, die Nutzer ohne Registrierung oder Identifikation für den Netzzugang verwenden konnten.

Grundsätzlich gilt nämlich: Wer ein drahtloses und lokales Datennetz öffentlich anbietet, haftet für Rechtsverstöße der Nutzer, auch wenn er als Betreiber selbst nichts Rechtswidriges getan hat. Diese nur in Deutschland praktizierte „Störerhaftung“ betrifft nachhaltig Anbieter cloudbasierter Dienste und Freifunker. Freifunk fördert als nichtkommerzielle Initiative dezentrale, lokale, anonyme und überwachungsfreie Kommunikation und wird in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ausdrücklich gefördert. Doch die Störerhaftung sorgt laut IT-Branchenverband Bitkom dafür, dass sich im internationalen Vergleich öffentliche WLAN-Hotspots in Deutschland nur schleppend ausbreiten.

Mit Änderung des Telemediengesetzes (TMG) Mitte September 2015 sollten sich Anbieter von WLAN-Hotspots unter bestimmten Voraussetzungen auf das Haftungsprivileg für Provider berufen können, wonach sie für Rechtsverletzungen anderer nicht schadensersatzpflichtig sind, sich also nicht strafbar machen. Allerdings wurde die Haftung für Host-Provider, die Inhalte für ihre Nutzer speichern, verschärft, um Urheberrechtsverletzungen einzudämmen. Damit müssen sogenannte „gefahrgeneigte Dienste“ immer haften. Wird etwa die weit überwiegende Zahl der in der Cloud oder in Sozialen Netzwerken gespeicherten Informationen rechtswidrig verwendet, fördert der Anbieter „vorsätzlich die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung“.

Während der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Verein Digitale Gesellschaft und der Förderverein Freie Netzwerke schon bei der EU-Kommission einen leichteren Zugang zu öffentlichen WLAN-Hotspots in Deutschland erzwingen wollten, beschäftigt sich bereits der Europäische Gerichtshof mit der Frage, ob Anbieter für Regelverstöße der Nutzer haften müssen. In der Sache geht es um eine vor dem Landgericht München verhandelte Klage des Freifunkers Tobias McFadden, Gemeinderat der Piratenpartei in Gauting, gegen die Sony Music Entertainment Germany GmbH. Das Unternehmen hatte 800 Euro von McFadden verlangt, weil über den offenen WLAN-Hotspot seines Geschäfts für Licht- und Tontechnik illegal ein Song heruntergeladen worden sei. Das LG München geht davon aus, dass Dritte die Urheberrechtsverletzung begangen haben, und will vom EuGH wissen, ob EU-Gesetze eine Verantwortlichkeit des WLAN-Anbieters ausschließen.

McFaddens Anwälte argumentieren, wenn generell WLAN-Hotspots zwangsweise verschlüsselt werden müssten, hätte dies zur Folge, dass sich jedwedes öffentliches WLAN in ein privates WLAN verwandeln würde. Anbieter zur Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen zu verurteilen und ihnen die Wahl der Mittel zu überlassen sei unangemessen. Denn im Zweifel würde der Anbieter übertriebene Maßnahmen ergreifen, um eine Haftung auszuschließen. Das wirke sich negativ auf die Grundrechte des Nutzers mit Blick auf den Datenschutz und die Informationsfreiheit aus.

Mit einem Urteil beim EuGH ist erst in einigen Monaten zu rechnen. Doch McFadden gibt sich im Verfahren, das von der Piratenpartei unterstützt wird, zuversichtlich und entschlossen: „Wieder einmal muss ein Gericht unsere Grundrechte schützen und in diesem Fall auch den technischen Fortschritt in Deutschland retten.“

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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