Wankende Wirtschaft – wachsende Besorgnis: Steigende Kosten belasten die Bürger
Eine große Mehrheit der deutschen Unternehmen erwartet 2025 noch keine Verbesserung ihrer geschäftlichen Lage. Symbolfoto: Olaf Konstantin Krueger
Prosepkt Box

Wankende Wirtschaft – wachsende Besorgnis: Steigende Kosten belasten die Bürger

Berlin / Bayern — Der Rauch explodierter Böller ist ver­zo­gen, der letzte Ver­letzte im Kran­ken­haus be­han­delt und der Blick wird frei für die Neue­rungen seit Jah­res­be­ginn 2025 und den Zu­stand des Landes. Erste Bilanzen in der Advents­zeit 2024 zeig­ten, dass in Mit­tel­stand und In­dus­trie der Pes­si­mis­mus über­wiegt und die Bun­des­bür­ger sor­gen­voll auf das neue Jahr blicken. Ge­stie­ge­ne Preise und wirt­schaft­li­che Un­si­cher­heit be­las­ten immer mehr Menschen, die Teue­rungs­rate zieht wieder an und viele Haus­halte haben nach ei­ge­nen An­ga­ben kei­nen fi­nan­ziel­len Puffer mehr. Einige schauen nun auf die Bun­des­tags­wahl in sieben Wochen.

Ansteigende Lebenshaltungskosten

Südostoberbayern hat das neue Jahr bei Minusgraden weit­ge­hend fried­lich mit Feuer­werken und Feiern be­grüßt. Dabei ver­lief der Jah­res­wech­sel im Zu­stän­dig­keits­be­reich des Polizei­prä­si­di­ums Oberbayern Süd durch­aus ein­satz­reich. Den Mel­dun­gen zu­fol­ge bil­de­ten Ruhe­stö­run­gen, Kör­per­ver­let­zungs­de­lik­te, Sach­be­schä­di­gun­gen und Strei­tig­kei­ten den po­li­zei­li­chen Schwer­punkt. So brann­ten bei­spiels­weise in Rosenheim meh­re­re Müll- und Papier­con­tai­ner. In Traunreut, Land­kreis Traunstein, wurde ein 39-Jäh­ri­ger beim Ent­zün­den einer Feuer­werks­bat­te­rie schwer ver­letzt, in Bad Reichenhall, Lkr. Berchtesgadener Land, be­wirk­te Feuer­werk einen Balkon­brand. In Wallgau, Lkr. Garmisch-Partenkirchen, er­litt ein Mann einen Gehör­ver­lust beim Beschuss seines Hauses mit Feuer­werks­kör­pern. In Bad Reichenhall, Lkr. Berchtesgadener Land, ge­riet eine Wohnung in Brand und in Piding brannte der Dach­stuhl eines Wohn­hauses aus – ver­mu­te­ter Schaden: 200.000 Euro. In Schongau, Lkr. Weilheim-Schongau, brannte ein Schuppen ab, in Garching a.d.Alz, Lkr. Altötting, be­schä­dig­te eine grö­ße­re Per­so­nen­grup­pe am Dult­platz Müll­ton­nen mit Böllern, be­schimpf­te die hin­zu­ge­ru­fe­nen Polizei­be­am­ten mit „ACAB“ und „Hurensöhne“ und be­schoss sie mit Böllern und Feuerwerkskörpern.

Mit Ende des Böllerns wird der Blick frei auf die zu Jahres­beginn wirk­sam ge­wor­de­nen Än­de­run­gen. Die stei­gen­den Lebens­hal­tungs­kos­ten werden für viele Bun­des­bür­ger zur zu­neh­men­den Be­las­tung. Höhere Preise für Energie, Lebens­mittel und Ver­si­che­run­gen schmä­lern die Haus­halts­bud­gets. Ob­schon Mindestlohn und Renten stei­gen, reichen diese Er­hö­hun­gen kaum aus, um die Inflation aus­zu­glei­chen. Die Bun­des­re­gie­rung ver­sucht zwar, mit Steuer­er­leich­te­run­gen ent­ge­gen­zu­wir­ken, doch die Un­si­cher­heit über die Wirt­schafts­la­ge bleibt. Be­son­ders be­trof­fen sind Haus­halte mit nie­dri­gem Einkommen.

Anziehende Inflation

Preissteigerungen vor allem bei Nahrungsmitteln und Dienstleistungen sowie die zwei­jäh­ri­ge Rezession be­las­ten immer mehr Menschen. Und die Angst um den Job lässt den pri­va­ten Konsum er­lah­men. Laut der letzten Schufa-Ver­brau­cher­um­frage Mitte/Ende Ok­to­ber 2024 ver­su­chen 91 Pro­zent der ins­ge­samt 1.000 Be­frag­ten ihre Lebens­hal­tungs­kos­ten zu senken, indem sie Energie spa­ren: Mehr als die Hälfte (56 Pro­zent) ver­zich­tet auf Reisen, fast drei Viertel (73 Pro­zent) heizen weniger, drei Viertel (75 Pro­zent) kaufen preis­güns­tig ein und fast neun von zehn Be­frag­ten (87 Pro­zent) re­du­zie­ren ge­ne­rell ihre Aus­ga­ben. Knapp ein Drit­tel (32 Pro­zent) der Be­frag­ten be­fürch­tet, dass die ver­blie­be­nen Rück­la­gen nicht aus­rei­chen, um die ge­stie­ge­nen Kosten ab­zu­fe­dern, und 22 Pro­zent haben nach ei­ge­nen An­ga­ben über­haupt keine fi­nan­ziel­len Pol­ster. Wird über­haupt ge­spart, dann für die „Alters­vor­sor­ge“. Sie wird seit drei Jahren in der Herbst­um­fra­ge vom Verband der Privaten Bau­spar­kas­sen (VdPB) unter rund 2.000 Bun­des­bür­gern als be­herr­schen­des Spar­motiv ge­nannt und er­reicht re­gel­mä­ßig über 50 Pro­zent der Nen­nun­gen (2024: 56 Pro­zent). Da­hin­ter kommen „Konsum“ (45 Pro­zent), „Wohn­ei­gen­tum“ (33 Pro­zent), „Kapital­an­la­ge“ (32 Pro­zent), „Not­gro­schen“ (zehn Pro­zent) und „Aus­bil­dung Kinder“ (drei Prozent).

Die führenden deutschen Institute für Wirtschaftsforschung er­war­ten nach dem er­neu­ten Rück­gang der Wirt­schafts­leis­tung in 2024 auch in 2025 kei­nen Auf­schwung, indes stei­gen­de Ar­beits­lo­sen­zah­len. Das Kieler Institut für Welt­wirt­schaft (IfW) rechnet für dieses Jahr mit einer Stagnation. Deutsches Institut für Wirt­schafts­for­schung (DIW), Leibniz-Institut für Wirt­schafts­for­schung Halle (IWH), RWI – Leibniz-Institut für Wirt­schafts­for­schung e. V. und Ifo Institut für Wirt­schafts­for­schung er­war­ten le­dig­lich 0,2 Pro­zent bis 0,6 Pro­zent Wachstum. Viele Un­ter­neh­men wollen in 2025 Stellen strei­chen: Vier von zehn Firmen planen laut einer Umfrage des ar­beit­ge­ber­na­hen Instituts der deutschen Wirt­schaft (IW), Per­so­nal ab­zu­bauen. Nur 17 Pro­zent der mehr als 2.000 im No­vem­ber be­frag­ten Un­ter­neh­men be­ab­sich­tig­ten, Mit­ar­bei­ter ein­zu­stel­len. Haupt­grün­de dafür seien die kon­junk­tu­rel­le Krise und die schlechte Ge­schäfts­lage vieler Firmen. Die Wirt­schafts­aus­kunf­tei Creditreform geht für 2024 sogar von 22.400 Un­ter­neh­mens­in­sol­ven­zen aus, ein Plus von fast einem Viertel zum Vor­jahr und der Höchst­stand seit 2015 mit da­mals etwas mehr als 23.100 Fällen. In 2025 könnten die In­sol­ven­zen auf Re­kord­ni­veau steigen.

Anhaltende Konjunkturschwäche

Laut einer Online-Umfrage vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft – Un­ter­neh­mer­ver­band Deutschlands e. V. (BVMW) be­fürch­tet der Mit­tel­stand sogar eine rasante wirt­schaft­li­che Tal­fahrt: Acht von zehn mit­tel­stän­di­schen Un­ter­neh­men (80 Pro­zent) rech­nen 2025 mit einem be­schleu­nig­ten Schrump­fen der deutschen Wirt­schaft, jeder fünfte Mit­tel­ständ­ler ist auf eine Depression ein­ge­stellt. Im letz­ten Jahr ver­buch­ten 40 Pro­zent der 1.273 Teil­neh­mer Um­satz­ein­bu­ßen, ebenso 40 Pro­zent wollten 2025 weniger in­ves­tie­ren als 2024. Auch die Be­schäf­tig­ten in der Industrie sind pes­si­mis­tisch. Eine Umfrage unter rund 4.500 Mit­glie­dern der In­dus­trie­ge­werk­schaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) zeigt, dass sich viele Be­schäf­tig­te große Sorgen um die Zukunft machen. Danach gehen knapp 80 Pro­zent davon aus, der In­dus­trie­stand­ort stehe in fünf Jahren im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich eher oder deut­lich schlech­ter da. Rund 58 Pro­zent ta­xie­ren ihre per­sön­li­che wirt­schaft­li­che Si­tua­tion in fünf Jahren im Ver­gleich zu heute als eher oder deut­lich schlech­ter, 68 Pro­zent ver­mu­ten, den In­dus­trie­stand­ort in den näch­sten fünf Jahren gleich­zei­tig „klima­ge­recht“ zu trans­for­mie­ren und zu mo­der­ni­sie­ren werde misslingen.

Die Situation in der Metall- und Elektroindustrie sieht der Präsident des Bran­chen­ver­bands Gesamt­metall, Stefan Wolf, gleich­falls mit Sorge: Die Branche habe im ver­gan­ge­nen Jahr rund 45.800 Ar­beits­plät­ze ver­lo­ren und Wolf be­fürch­tet für 2025 einen wei­te­ren Stel­len­ab­bau. Für 2024 werde ein Pro­duk­tions­rück­gang von 6,5 Pro­zent er­war­tet und in 2025 könnte erneut ein Minus von 2,5 Pro­zent im Ver­gleich zu letz­tem Jahr ein­tre­ten. Deka-Chef­volks­wirt Dr. Ulrich Kater be­ur­teilt den Wirt­schafts­stand­ort be­reits als „Sa­nie­rungs­fall“, ver­or­tet das Land „im un­te­ren Mit­tel­feld“, „mit ab­rut­schen­der Tendenz“. Im in­ter­na­tio­na­len Stand­ort­ver­gleich liegen laut Kater „die Haupt­pro­ble­me für Deutschlands Wirt­schaft in den Be­rei­chen Steuern, Ar­beits­kräf­te, Bürokratie und Energie“.

Allerdings kostet allein bei der „Energiewende“ der nötige Ausbau der Stromnetze laut einer Studie der ge­werk­schafts­na­hen Hans-Böckler-Stiftung bis 2045 rund 651 Mil­liar­den Euro. Hier­für müss­ten sich die jähr­li­chen In­ves­ti­tio­nen mehr als ver­dop­peln. Dazu seien in den kom­men­den Jahren je­weils In­ves­ti­tio­nen von rund 34 Mil­liar­den Euro nötig, 127 Pro­zent mehr als die 15 Mil­liar­den Euro, die 2023 in­ves­tiert wur­den. Zum Ver­gleich: Der Bun­des­haus­halt für das Jahr 2025 sieht Aus­ga­ben in Höhe von rund 488,67 Mil­liar­den Euro vor.

Den ersehnten Aufschwung könnte laut Handelsverband Deutschland (HDE) indes die Bun­des­tags­wahl am 23. Fe­bru­ar brin­gen: HDE-Prä­si­dent Dr. Alexander von Preen zu­fol­ge könne sie „wie ein Sekt­kor­ken wirken“.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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